| # taz.de -- Sachbuch „Die Erfindung der Hausfrau“: Mutti lädt das Gewehr n… | |
| > Evke Rulffes rekonstruiert in ihrem Buch die Erfindung und Entwicklung | |
| > der Hausfrau. Es offenbart Einblicke in Moral, Ökonomie und Gendergap. | |
| Bild: In den 1960ern: Das bisschen Haushalt … man rät zu Pausen, um Unfäl… | |
| Lange Zeit durfte man auch als Feministin die Hausfrau als Horror- und | |
| Schreckbild betrachten, ihren (vermeintlich selbstgewählten) Rückzug ins | |
| Häusliche belächeln. Seit einigen Jahren verhält es sich anders. | |
| Statt die Hausarbeit mit männlichem Blick abzuwerten, wird die | |
| [1][ökonomische und soziale Bedeutung der unentgeltlich erledigten | |
| Care-Arbeit] hervorgehoben. Trotzdem bleibt die Hausfrau eine Problemfigur. | |
| Evke Rulffes widmet ihr nun ein Buch: „Die Erfindung der Hausfrau“. Es | |
| liefert, anders als man zunächst annehmen könnte, weniger eine politische | |
| Streitschrift zur Rehabilitation der Figur als vielmehr einen | |
| kulturhistorischen Abriss der Entwicklung der Hausfrau. | |
| Und der erweist sich als enorm spannend, zeigt er doch, wie die einst | |
| respektierte und qualifizierte Figur der Hausmutter, die das 17. und 18. | |
| Jahrhundert mit allerhand Traktaten bedachte, Schritt für Schritt zu einer | |
| sozialen Problemfigur wurde: von Konservativen zum Idealtypus stilisiert, | |
| vom linksliberalen Milieu eher abgewertet. | |
| So konnte man noch vor gut einem Jahrzehnt in der Werbung das Lob auf die | |
| „Familienmanagerin“ hören. Das verwies einerseits auf professionelle | |
| Fähigkeiten des Wirtschaftens – weswegen sich auch ausgerechnet [2][Angela | |
| Merkel auf die sprichwörtlich kluge wie sparsame „schwäbische Hausfrau“] | |
| berufen konnte. Andererseits deutete es aber auch auf die Unentbehrlichkeit | |
| der Mutter/Hausfrau hin – wie soll so ein Betrieb denn ohne eine Managerin | |
| laufen? Das freilich verlieh dem Lob einen reaktionären Twist. | |
| ## Das Hausmuttermanagement | |
| Rulffes zeigt nun, dass die anfängliche Rolle der Hausmutter tatsächlich | |
| eher im Management beispielsweise großer Gutshöfe bestand. Nie im Leben | |
| hätte die Hausmutter selbst gebacken oder die Wäsche gewaschen. Vielmehr | |
| leitete sie ihr Personal an und traf grundlegende ökonomische | |
| Entscheidungen für den Hof: Welche Waren des täglichen Bedarfs sollten | |
| selbst hergestellt werden? Vom einfachen Leinen bis zum Lampenöl musste für | |
| jede Haushaltsware eine sorgfältige ökonomische Kalkulation getroffen | |
| werden. | |
| Die Autorin beleuchtet einen in Vergessenheit geraten Typus von Ratgeber, | |
| die Hausmutter- und Hausvater-Literatur. Besonders gründlich untersucht sie | |
| das Hausmutter-Buch von [3][Christian Friedrich Germershausen], das nicht | |
| nur allerhand alltagspraktische Tipps, von Kuchenrezepten bis hin zu | |
| Serviervorschlägen, beinhaltet (man möge doch bitte die Maden vor dem | |
| Servieren aus dem Käse entfernen), sondern auch die groben Seiten des | |
| Hausmutterdaseins beleuchtet: Im Falle eines Überfalls auf das Haus fällt | |
| es der Hausmutter zu, das Haus zu verbarrikadieren und das Gewehr | |
| nachzuladen. | |
| Die Pointe besteht aber darin, dass zu Germershausens Zeit die | |
| Hausmutter-Literatur aufgrund sozialer und ökonomischer Umwälzungsprozesse | |
| bereits überholt ist. So wie auch das gezeichnete Bild der Hausmutter/-frau | |
| immer schon Fiktion ist. „Ratgeberliteratur ist normative Literatur, die | |
| ein fiktives Ideal als Normalität verkauft.“ | |
| Das gilt auch für die Schriften [4][Jean-Jacques Rousseaus], der ein neues | |
| Mutterideal formt, das das Bild der bürgerlichen Hausfrau und Mutter fortan | |
| prägt. Der Wandel von der managenden Hausmutter zur Hausfrau, die vor allem | |
| für Fragen der Reproduktion verantwortlich ist, „verläuft über die | |
| Schnittstelle der Figur der Mutter“. | |
| ## Sie soll nicht arbeiten | |
| Aber es muss noch ein weiterer Aspekt hinzutreten: Die bürgerliche Frau und | |
| Mutter soll, dem Ideal nach, nicht arbeiten; aber im Rahmen der | |
| ökonomischen und sozialpolitischen Umbrüche des 19. Jahrhunderts gelingt es | |
| bürgerlichen Männern nicht mehr, ein ausreichend großes Einkommen zum | |
| Unterhalt von Frau, Familie und Gesinde zu erzielen. Also fallen die | |
| vormals von Personal gegen Entgelt verrichteten Tätigkeiten der Hausfrau | |
| zu. | |
| So stellt sich die Erfindung der Hausfrau als Abschluss eines Prozesses | |
| dar, der sowohl von moralphilosophischen Überlegungen wie ökonomischen | |
| Zwängen geleitet ist. Den ökonomischen Wert der Care-Arbeit auch für die | |
| Gesellschaft auszuweisen, ist daher der erste Schritt zur Überwindung der | |
| Entwertung der Figur der Hausfrau. | |
| 22 Nov 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Analyse-des-gegenwaertigen-Kapitalismus/!5806874 | |
| [2] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/sparpolitik-merke… | |
| [3] https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10295759?page=7 | |
| [4] /300-Geburtstag-von-Jean-Jaques-Rousseau/!5090486 | |
| ## AUTOREN | |
| Marlen Hobrack | |
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