Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ausstellung im Schloss Biesdorf: Dem Verschwinden Form geben
> Geschichten über den Osten sind Teil der Berliner Ausstellung „Worin
> unsere Stärke besteht“. Kuratiert wurde diese von der Künstlerin Andrea
> Pichl.
Bild: Ein Videostill aus Luise Schröders Arbeit, „Relationen – Strömungen…
Drei Frauen stehen im Scheinwerferlicht auf einer Bühne. Alle drei – im
roten, blauen und braunen Kleid – verkörpern die Schauspielerin Lotte
Loebinger (geboren 1905) in unterschiedlichen Lebenstadien in dem Gemälde
von Karin Sakrowski (Jahrgang 1942). Es entstand 1986/87 in einem kantigen
Realismus, der an die Zeit der Nachkriegsmoderne erinnert.
Zu jener Zeit spielte Lotte Loebinger am Deutschen Theater und am
Gorki-Theater in Ostberlin. Den Zweiten Weltkrieg hatte die überzeugte
Kommunistin in Moskau überlebt. Das Bild steht somit auch für den Stolz der
jungen DDR auf ihre aus der Emigration zurückgekehrten Künstler. Es kommt
aus dem Museum „Utopie und Alltag“ Beeskow, das einen [1][großen Bestand an
Kunstwerken aus der DDR] betreut, die einmal als repräsentativ galten.
Dieses Archiv ist eine der Quellen, die [2][Andrea Pichl, selbst Künstlerin
mit einem großen Interesse an DDR-Architektur und -Ästhetik], genutzt hat
für eine von ihr kuratierte Ausstellung in Schloss Biesdorf. Unter dem
Titel „Worin unsere Stärke besteht“ setzt sie damit ein Projekt fort, das
2022 im Kunstraum Kreuzberg begann.
Wieder konzentriert sie sich auf Künstlerinnen, die vor dem Mauerfall in
Ostdeutschland gearbeitet haben und/oder geboren wurden und die sie immer
noch vermisst in öffentlichkeitswirksamen Ausstellungen. Arbeiten aus dem
Beeskow-Archiv stehen dabei für die Zeit der DDR, hinzu kommen viele
Beiträge aus jüngerer Zeit, die sich mit der Geschichte beschäftigen und
die DDR als ein Land durchforsten, das nur noch in Erinnerungen und
Archiven besteht.
Lesbische Treffpunkte der DDR
Louise Schröder etwa, 1982 geboren, hat die Geschichte von Frauenorten und
lesbischen Treffpunkten in der DDR recherchiert. „Stömungen in Bewegung“
ist ein schön gestaltetes Buch mit vielen historischen Fotos und
emotionalen Textzitaten, etwa „Wie sich üben, ich zu sagen, wir zu sagen
und es laut und deutlich zu sagen?“. Auf einem liegenden Screen wird das
Buch im Video durchgeblättert, man braucht etwas Zeit, um hineinzufinden.
Ganz anders geht mit einem Bestand an Familienfotos die Malerin Gabriele
Worgitzki um. Ihre Bilder wirken, als sei ihnen die Farbhaut abgezogen
worden, der Gegenstand der Erinnerung wie weggewaschen. Man schaut auf
einen bleichen Fleck, bis man ahnt, dass dies einmal ein Foto von Erich
Honecker war.
Ihre Motive im Zyklus „Westen“ stammen von Fotografien, die in der Zeit der
Ausreise ihrer Familie in den Westen entstand, als sie selbst noch ein Kind
war. Erinnerung wird hier weder heraufbeschworen noch gelöscht, sondern zu
etwas schwer Greifbaren, das weiterhin Aufmerksamkeit fordert. Das
geschieht in Schloss Biesdorf auch in einer großen Wandzeichnung, als ob
die Vergangenheit sich durch die Wände arbeite.
[3][Riccarda Roggan], 1972 in Dresden geboren, lehrt seit über zehn Jahren
Fotografie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart.
Für ihr Video „Protokoll der Stadt N“ nutzt sie Fotografien, die während
des Abrisses der DDR – ja, so muss man es mit Blick auf die Bilder nennen –
entstanden sind.
Von Vandalismus gezeichnete Räume ehemaliger Verwaltungen, zerstreute
Dokumente, Verwüstungen: ein Trümmerhaufen. Die Kamera fährt über die
Bilder, während eine Frauenstimme im Konjunktiv spricht: als wäre dieser
Zerfall, diese Zerstörung nur eine der Optionen für die Zukunft gewesen.
Eine Fiktionalisierung, die gedanklich einen Möglichkeitsspielraum
eröffnet.
Mit Stipendien in die Welt
Mitte der 1980er Jahre hat Ute Weiss Leder die DDR verlassen, um in
Westberlin ihr in Leipzig begonnenes Kunststudium fortzusetzen. Und es zog
sie weiter hinaus, sie nutzte Stipendien in Moskau, Rom, Chicago, Salzburg.
Sie ist eine kommunikative Künstlerin, neugierig auf ihre Umgebung. Das
bezeugt hier eine 28-teilige Arbeit aus Chicago von 1995 „intimate spaces –
Chicago“.
Es sind Porträts von Künstler:innen, Kunststudenten, Barkeepern, Köchen,
Kellnern – einer Community, die verbindet, dass sie die Codes der Tattoos
benutzen. Ute Weiss Leder zeigt in den schwarzweißen Fotografien nicht die
Personen, sondern ihre Räume und daneben einen Teil ihrer verzierten Haut.
Aus beidem, und der Beschriftung, setzt man sich ein Bild zusammen.
Aus dem Archiv in Beeskow kommen einige kleine Bronzefiguren, die
einerseits die Tradition des Festhaltens am figürlichen Menschenbild in der
DDR dokumentieren, andererseits aber auch die Zugewandtheit, mit der
Künstlerinnen wie Sabine Grzimek und Emerita Pansowowa das Individuelle
darin ausarbeiteten. Das Medium von Ute Weiss Leder ist ein ganz anderes,
sie liest aus Details, aber wieder geht es um Annäherung an das Besondere
eines Menschen. Solche Bögen zwischen dem Unterschiedlichen zu suchen,
macht Vergnügen in der Biesdorfer Ausstellung.
21 May 2025
## LINKS
[1] /Das-Bild-der-Arbeit-in-der-DDR-Kunst/!5658813
[2] /Berliner-Ausstellung-von-Andrea-Pichl/!6048732
[3] /Ausstellung-ueber-den-Schlaf/!5458018
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
## TAGS
Kunst
Ausstellung
Berlin Ausstellung
DDR
Schwerpunkt Ostdeutschland
Kunst
Berlin Ausstellung
Architektur
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ausstellung von Ernst Schroeder: Schutz in der Einsamkeit suchen
Ernst Schroeder war ein Maler der Stille in den 1950er Jahren. Zeichnungen
und Bilder des Künstlers sind in Berlin, in der Galerie Pankow zu sehen.
Farbenspiele in der Galerie Nord: Das geheime Leuchten
Von der Wirkmacht der Farben und ihrem malerischen Drängen in den Raum
handelt die Ausstellung „Gravity’s Rainbow“ in der Galerie Nord in Moabit.
Konzeptkünstler Gordon Matta-Clark: Die Grenze von innen und außen durchbrech…
Gordon Matta-Clark wollte der Architektur neue Perspektiven öffnen. Die
Galerie Thomas Schulte zeigt Filme und Fotografien.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.