# taz.de -- Ausstellung von Ernst Schroeder: Schutz in der Einsamkeit suchen | |
> Ernst Schroeder war ein Maler der Stille in den 1950er Jahren. | |
> Zeichnungen und Bilder des Künstlers sind in Berlin, in der Galerie | |
> Pankow zu sehen. | |
Bild: Ernst Schroeder, „Schneckengehäuse, Seestern und Kanne“, gemalt um 1… | |
Ein Fisch hängt an einem Balken des Fachwerks im kleinen Raum. Im nächsten | |
Bild teilen sich eine Kanne, zwei Zwiebeln und eine Möhre die Fläche des | |
Tischs. Einmal hängt eine Fischreuse neben einem Fenster, weiter vorne | |
steht ein Bett. Die Welt der Gegenstände in den Bildern von Ernst Schroeder | |
scheint übersichtlich und geordnet wie in einer Bilderfibel. Abgezählte | |
Dinge, karge Räume, reduzierte Farben, leergeräumte Flächen. | |
Doch was einen Moment lang wie eine naive Gegenständlichkeit anmutet, kommt | |
aus einer Zeit der Verunsicherung. Ernst Schroeders Bilder sind meistens in | |
den 1950er Jahren entstanden. Sie sind ein Versuch, den ideologisch | |
aufgeladenen Kämpfen in den Kunstdebatten der Nachkriegszeit zu entkommen. | |
Schroeders Vater war Kapitän und starb 1941, als sein Schiff auf eine Mine | |
fuhr. Ernst Schroeder, 1928 in Stettin geboren, begann mit 15 Jahren eine | |
Schlosserlehre in einer Werft in Swinemünde, die auch Torpedos für die | |
Marine herstellte. Als er 1949 in Berlin in das Studium der Malerei | |
einstieg, unter anderem bei Max Pechstein, gehörte er zu einer Generation, | |
die auf der Hut war. Vor dem Pathos, das in der NS-Zeit in der Kunst | |
missbraucht worden war. Aber auch vor einem Realismus, der schon wieder zu | |
Propaganda-Zwecken eingespannt wurde. | |
Not der Nachkriegszeit | |
Die Konzentration auf das Einfache, die in der Ausstellung seiner | |
Zeichnungen und Bilder in der Galerie Pankow mit dem Titel „Stille“ gut zu | |
verfolgen ist, hat etwas vom Versuch, sich einen freien, unverstellten Raum | |
zu erschließen. Der Blick findet Beruhigung in der Küstenlandschaft, in den | |
Booten im Hafen, den sanften Schwüngen verschneiter Dünen, in Stillleben | |
und menschenleeren Interieurs. Die Not der Nachkriegszeit ist auch | |
erfahrbar, nicht zuletzt in der Materialknappheit. Nicht selten sind die | |
Bilder von zwei Seiten bemalt. | |
Doch die vielen Nuancen des Graus und dunklen Blaus in Schroeders Bildern, | |
der Malstil, der auf Expressivität und Pastosität verzichtet, haben auch | |
etwas Poetisches und Melancholisches, das seine Zeitgenossen anzog und ihm | |
Anerkennung unter den Berliner Künstler:innen brachte. Heute öffnet sich | |
die Lakonie seiner Bilder einer Suche nach Möglichkeiten, mit Verzicht aus | |
Hektik und Stress auszusteigen, der emotionalen Überhitzung mit | |
Gelassenheit zu begegnen. Sie geben der Tugend der Demut Nahrung. | |
Ausstellungen von Ernst Schroeder sind selten, zuletzt in Berlin 1996 in | |
der Galerie Parterre im Prenzlauer Berg. Er war früh an Alkoholsucht | |
erkrankt und lebte seit 1959 bei seiner Mutter in Hamburg. Er malte kaum | |
noch und hielt auch den Kontakt nicht mehr zu den Ostberliner | |
Malerfreunden. Nach dem Bau der Mauer wussten die lange nicht mehr, ob er | |
überhaupt noch lebte. 1989 starb er in Hamburg. | |
In der Akademie der Künste am Pariser Platz gibt es einen | |
[1][„Bilderkeller“, nur mit Führung zu besuchen]. Dort feierten die | |
Meisterschüler der Akademie der Künste 1957/1958 Fasching im Kohlenkeller | |
und bemalten die Wände, unter ihnen Manfred Böttcher, Harald Metzkes, Ernst | |
Schroeder und Horst Zickelbein. Sie waren Teil einer später als „Berliner | |
Malerschule“ bezeichneten Szene Ost-Berliner Künstler, die sich der Doktrin | |
des sozialistischen Realismus' entzogen. Für sie blieben Schroeders Werke | |
ein wichtiger Bezugspunkt. | |
Realismus gegen Abstraktion | |
Von heute aus ist es leicht zu übersehen, dass Schroeders Bilder auch in | |
der zum Kulturkampf stilisierten Auseinandersetzung Realismus gegen | |
Abstraktion Position bezogen. Die Kompositionen betonten die Flächen und | |
die Reduktion der Formen und bauten so eine Brücke zur Moderne. | |
Die meisten Bilder sind der Küstenlandschaft der Ostsee gewidmet; in seinem | |
Hamburger Atelier arbeitete Schroeder an ihnen aus der Erinnerung. Nur | |
wenige Szenen spielen in der Stadt, etwa auf einem verregneten Wochenmarkt. | |
Schwarze Schemen unter Schirmen sind dort kaum auszumachen im Dämmer. Dass | |
ein dunkles Rot aufscheint, ist eine Seltenheit wie beim Blick in eine | |
Markthalle, in der die Hühner und Fische größer scheinen als ein paar | |
Besucher im Hintergrund. Ein bisschen lustig ist das auch. | |
15 May 2025 | |
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[1] /Bilderkeller-in-der-Akademie-der-Kuenste/!5614253 | |
## AUTOREN | |
Katrin Bettina Müller | |
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