# taz.de -- 75 Jahre Georg Kolbe Museum: Geschichte unter der Glasglocke | |
> Das Georg Kolbe Museum in Berlin feiert mit einer Ausstellung sein 75. | |
> Gründungsjubiläum. Gereicht werden „Tea and Dry Biscuits“. | |
Bild: Faulige Orangen als Farbkleckse: Ausstellungssansicht von „Tea and Dry … | |
„Tea and Dry Biscuits“, Tee und trockene Kekse habe es gegeben im Januar | |
1948: Nach der Trauerfeier für den im November 1947 verstorbenen | |
[1][Berliner Bildhauer Georg Kolbe] habe sich die Trauergemeinde in sein | |
Atelierhaus begeben und seine Gipsfiguren betrachtet. Auch nun stehen sie | |
wieder dort, in dem hohen, lichtdurchfluteten Ateliersaal; Skulpturen aus | |
allen seinen Schaffensphasen, vor allem aber jene oft überlebensgroßen aus | |
den 1930er und 40er Jahren. | |
Unter dem Titel „Tea and Dry Biscuits. Eine Jubiläumsausstellung“ will | |
Kuratorin Elisa Tamaschke, unterstützt durch Eva Antunes, 75 Jahre nach | |
Eröffnung des „Georg Kolbe Museums“, so einen Eindruck vermitteln, wie die | |
Räume kurz nach dem Tod des Künstlers aussahen. | |
1950 nämlich war das Atelierhaus von dessen langjähriger Assistentin Margit | |
Schwartzkopff in ein Museum umgewandelt worden – das erste neu gegründete | |
in West-Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg. Wie ein „Schrein“ für Kolbe | |
wirken sollte es damals, so Kathleen Reinhardt, die das Museum seit 2022 | |
leitet. Als „scheinbar unversehrte Welt“ konzipiert, zur Verehrung Kolbes | |
Werk. | |
Besonders in den 1910er und 20er Jahren leistete der 1877 geborene Kolbe | |
als prägender Künstler seiner Zeit mit modernen Akzenten einen Beitrag zur | |
Erneuerung der figürlichen Skulptur. Dass er bis heute als ein Porträtist | |
der Weimarer Republik gilt, zeigen auch einige der nun im Ateliersaal zu | |
sehenden Werke. | |
Als Museum, das eine Sammlung von Kolbes Arbeiten beherbergt, aber neben | |
Ausstellungen zur Klassischen Moderne auch [2][in den letzten Jahren der | |
zeitgenössischen Kunst großen Raum] gibt, hat sich die Institution | |
ausgiebig mit der Rolle Kolbes im Nationalsozialismus beschäftigt. Die | |
Jubiläumsausstellung muss sich also nicht noch einmal grundsätzlich damit | |
auseinandersetzen, sondern kann auf schon geleistete und fortwährende | |
Forschung zurückgreifen. | |
Kolbe und die NS-Ideale | |
Dass Kolbe kein NSDAP-Mitglied war, sich seine Arbeiten aber „leicht von | |
der Propaganda des Nationalsozialismus vereinnahmen ließen“, wie es auf der | |
Museumswebsite heißt, ist eine der Gleichzeitigkeiten, mit der die aktuelle | |
Ausstellung arbeitet. Dass sich der figürliche Ausdruck seiner Arbeiten ab | |
1933 veränderte und fortan eher NS-Idealen entsprach, zeigt etwa der | |
ausgestellte Gips-Entwurf zum Denkmal „Opfer der Arbeit“ von 1938/39. | |
„Tea and Dry Biscuits“ setzt also an dieser Stelle an und lässt – im Sinn | |
einer Thematisierung der „Inszenierung von Erinnerung“ – Arbeiten von 13 | |
meist noch lebenden Künstler*innen zu Kolbes Arbeiten hinzutreten. Dies | |
passiert teils im räumlichen Dialog mit Kolbes Skulpturen, teils mit oft | |
generellen persönlichen Erinnerungen der Künstler*innen aufgreifenden | |
Arbeiten. | |
Das scheint manchmal umwegbehaftet: Dass Kolbe 1938 nach Spanien reiste, um | |
ein Porträt Francos anzufertigen, von dem Abgüsse an diesen und an Hitler | |
als Geschenk überreicht wurden, ist ebenso interessant wie das in Kopie | |
ausgestellte Dankesschreiben Hitlers an Johannes Bernhardt, Geschäftsmann | |
und SS-Mitglied, der Hitler das Porträt zum Geburtstag schenkte. Dieses | |
befindet sich in der Museumssammlung, wird aber hier nicht gezeigt. | |
Hierfür gibt es nachvollziehbare Gründe kuratorischer Art, ob es aber die | |
beste künstlerische Entscheidung war, auf diese Leerstelle so hinzuweisen, | |
wie es [3][Álvaro Urbano] mit seiner Arbeit „Noches en los Jardines de | |
España“ tut, sei dahingestellt. Überall im Ateliersaal finden sich nun | |
schimmlige Orangen aus gefärbtem Beton. Schöne Farbtupfer zwar, aber dass | |
der Titel der Arbeit auf ein Musikstück des spanischen Komponisten Manuel | |
de Falla verweist, der 1939 nach Argentinien emigrieren musste, wirkt als | |
Verknüpfung mit dem Franco-Porträt im Depot etwas lose. | |
Demontage des Heroischen | |
Anders und direkter die Verbindung zu Kolbe etwa bei den Bildern von | |
Christian Borchert: Der Ost-Berliner Fotograf hatte 1987 den Auftrag | |
erhalten, Arbeiten des Bildhauers im öffentlichen Raum zu dokumentieren, in | |
West-Berlin und der Bundesrepublik. Die Fotos zeigen indirekte Blicke auf | |
Kolbes Skulpturen – und den Westen. Sie demontieren Heroisches, denunzieren | |
Kolbe aber nicht – ein Blick, der dem kuratorischen Gestus der Ausstellung | |
entspricht. | |
Andere Arbeiten, wie Itamar Govs Gebäck unter einer historischen | |
Glasglocke, laut Titel „A Replica of Marcel Proust’s Original Madeleine“, | |
sollen darauf verweisen, dass Erinnerung als Konstrukt ungreifbar bleibt – | |
ein Konzept, das etwa auch für [4][Ryan Ganders] Spiegel gilt, der fast zur | |
Hälfte von einem Kaltgussmarmortuch verdeckt wird. Auch wenn sich die | |
Institution selbst bespiegelt – alles sieht man nicht. Vielleicht ist das | |
Franco-Porträt ja hier verborgen? | |
22 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Martin Conrads | |
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