# taz.de -- Schau zu Künstler Xanti Schawinsky: Der dem Bauhaus die Postmodern… | |
> Die Kunsthalle Bielefeld zeigt in der Schau „Play, Life, Illusion“, wie | |
> weit der transatlantische Bauhäusler Xanti Schawinsky seiner Zeit voraus | |
> war. | |
Bild: Kraterhaft abstrakt: Xanti Schawinsky, „Incontro III“, 1968 (Ausschni… | |
Xanti sei ein Zauberer gewesen, ein Clown, habe immer im Mittelpunkt | |
gestanden, angenehm. Ati Gropius Johansen, die Adoptivtochter von [1][Ise] | |
und Walter Gropius, erzählt dies 2010 in einem Interview über ihre Zeit als | |
Studentin am experimentellen [2][„Black Mountain College“ in North | |
Carolina]. Dort erlebte sie ihn, Alexander „Xanti“ Schawinsky, in den | |
späten 1930ern als Leiter der „Stage Studies“, nach seiner Emigration aus | |
Europa. | |
Neben der Erinnerung an seine Person präsent geblieben ist vor allem das | |
Werk des 1904 in der Schweiz geborenen und 1979 ebendort gestorbenen | |
Malers, Werbegrafikers, Fotokünstlers, Bühnenbildners, Tänzers und | |
Saxofonisten polnisch-jüdischer Abstammung. [3][Etwa durch eine 2013 an der | |
Stiftung Bauhaus Dessau gezeigte Ausstellung zur Bauhausbühne.] | |
Dort wurden einige Arbeiten des ehemaligen Bauhausstudenten und -lehrers | |
Schawinsky präsentiert. Der hatte ab 1924 unter dem Einfluss von Oskar | |
Schlemmer in Weimar und Dessau Bühnenbilder angefertigt. Und 2016 gab es am | |
Kunstmuseum Magdeburg eine Ausstellung, die auch auf seine Tätigkeit als | |
leitender Grafiker am Hochbauamt der Stadt von 1929 bis 1931 einging. | |
Das erwähnte Video ist nun Teil einer Retrospektive in der Bielefelder | |
Kunsthalle, die sich im Kontext zunächst etwas zu weit aus dem Fenster | |
lehnte. Denn dass „Xanti Schawinsky: Play, Life, Illusion“, bereits 2024 am | |
„Mudam“-Museum in Luxemburg gezeigt, von beiden Institutionen organisiert | |
und von dem Schweizer Kunsthistoriker Raphael Gygax kuratiert, die erste | |
Retrospektive Schawinskys außerhalb der Schweiz sei, wie noch kürzlich auf | |
der Kunsthallen-Website stand, dürfte nicht nur Peter Hahn verwundert | |
haben. | |
Der ehemalige Direktor des Berliner Bauhaus-Archivs hatte 1986 dortselbst | |
eine große Schawinsky-Retrospektive ausgerichtet, 29 Jahre eher als etwa | |
jene am Zürcher Migros Museum, auf die sich die irreführende Mitteilung | |
wohl auch bezieht. Mittlerweile ist in Bielefeld die Rede von der ersten | |
umfassenden Retrospektive Schawinskys in Deutschland seit über 35 Jahren. | |
## Experimentierdrang und Vielseitigkeit | |
Die Irreführung wirft auch Fragen nach dem Bauhaus als gerne vereinnahmter | |
Marke auf. Diese sollten aber nicht davon ablenken, dass „Play, Life, | |
Illusion“ umfangreich ein teils brillantes gestalterisches und | |
künstlerisches Werk zeigt, das sich durch Experimentierdrang, | |
Vielseitigkeit und die Eigenschaft ausweist, bildnerische Elemente und | |
Techniken weit vor ihrer kunsthistorischen Bestimmungszeit zu verwenden. | |
Dies beginnt schon bei den frühen Theaterarbeiten des vormaligen | |
Architekturvolontärs Schawinsky. Warum lassen sich „Horizont“, der Entwurf | |
zu einem Theatervorhang von 1926, oder ein Bühnenentwurf zu „Faust II“ von | |
1929 in ihrer Verwendung antiker Elemente so schön als Vorboten der | |
Postmoderne missinterpretieren? | |
Gleiches gilt für das ikonische Tempera-/Airbrush-Bild „Klassische | |
Architektur II“ von 1927: In dramatisierender Untersicht stellte er eine | |
klassische, stilisierte Säulenarchitektur einem der hervorstehenden Balkone | |
des von Walter Gropius in moderner Schmucklosigkeit entworfenen | |
Prellerhauses gegenüber, in klaren, kontrastreichen Farben. Leider fehlt es | |
in der Ausstellung. | |
## Vorwegnahmen der Kybernetik-Diskussionen? | |
Sind die je nach Perspektive anthropomorphen oder robotischen | |
Mensch-Maschinen – der Panzer, das Schlachtschiff, der Fallschirmjäger, der | |
General seiner vielleicht bekanntesten Bildserie „Gesichter des Krieges“ | |
von 1942 – nicht schon Vorwegnahmen der Kybernetik-Diskussionen späterer | |
Jahre? | |
Und wie können die „Eclipses“, seine großformatigen, in ihrer | |
mantegnahaften Plastizität fesselnden, abstrakten Sprühfarbgemälde aus den | |
späten 1960er Jahren, die an jene zerfurchten, kraterartigen Landschaften | |
erinnern, wie man sie mittlerweile von farbigen Nasa-Fotos der | |
Marsoberfläche kennt, bereits um 1940 von ihm selbst, in kleiner Form, aber | |
ebenso grandios, vorweggenommen worden sein? | |
Dazwischen immer wieder Arbeiten, die die Bedeutung von Bewegung in seinem | |
Werk dokumentieren, selbst der Ausstellungstitel bezieht sich auf ein | |
Ballett-Szenario, das Schawinsky 1936/37 am Black Mountain College | |
realisierte. So sind neben Zeugnissen seiner Bühnenarbeiten und | |
-produktionen auch etwa abstrakte Gemälde aus den 1950ern und 60ern zu | |
sehen. Bei ihnen trug Schawinsky die Farbe statt mit einem Pinsel mit | |
seinen tanzenden Füßen oder durch den Reifenabdruck eines von ihm | |
gefahrenen Autos auf die Leinwand auf. | |
Diese performativen Momente greift die 1983 geborene britische Künstlerin | |
Monster Chetwynd auf. Sie platzierte auf Einladung des Museums ihrer | |
Eröffnungsperformance entnommene, mit Stoff überzogene architektonische | |
Bühnenelemente in Primärfarben oder bunt besprühte, papierene Stellwände in | |
den Ausstellungsräumen. Im Sinn bewusst billiger Doppelgänger von Entwürfen | |
und Bildern Schawinskys dürfen diese Kulissen nun in Bielefeld die rigide, | |
an [4][Philip Johnsons] Kunsthallenbau ausgerichtete | |
Ausstellungsarchitektur ein kleines bisschen xantiesk verclownen. | |
23 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Martin Conrads | |
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