| # taz.de -- Theater am Bauhaus Dessau: Gesucht wird der neue Mensch | |
| > Eine gelungene Ausstellung über die Bauhausbühne bezeugt in Dessau einmal | |
| > mehr die gute Arbeit des Leiters Philipp Oswalt. Trotzdem soll er gehen. | |
| Bild: Abstrakte Figurinen: Ausschnitt aus einem Blatt von Xanti Schawinskys, Sh… | |
| Wenn dieser Tage das Stichwort Bauhaustheater fällt, denkt man wohl zuerst | |
| an das Schauspiel „Dorgerloh gegen Oswalt“. Es ist ein machtpolitisches | |
| Drama, bei dem ein sachsen-anhaltischer Kultusminister (Stephan Dorgerloh) | |
| versucht, den Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau (Philipp Oswalt) aus dem | |
| Amt zu werfen. Im ersten Akt ist das dem Minister mit Hilfe der ihm | |
| folgenden Vertreter der Stadt Dessau und dem Bund im Stiftungsrat auch | |
| gelungen. | |
| Die fünfjährige, Ende Februar auslaufende Amtszeit Oswalts wurde gegen alle | |
| Gepflogenheiten nicht verlängert und die Stelle neu ausgeschrieben. Der | |
| zweite Akt ist allerdings noch offen. | |
| Denn bis auf den politisch besetzten Stiftungsrat waren sich alle einig, | |
| dass Oswalt in Dessau einen guten Job gemacht hat: der wissenschaftliche | |
| Beirat der Stiftung Bauhaus, der aus Protest geschlossen zurücktrat, die | |
| Belegschaft, die sich für ihren Direktor verwendet und schließlich die | |
| publizistische Öffentlichkeit, die Oswalt bescheinigt, das Bauhaus in | |
| Dessau zu neuem Leben erweckt zu haben. | |
| Vielleicht bekommt die Handlung aber noch eine komische Wendung. Nämlich | |
| dann, wenn Oswalt sich selbst wieder bewerben sollte und mangels | |
| Alternative zurück ins Amt gewählt wird. Einen ähnlichen Fall gab es bei | |
| der Klassik Stiftung in Weimar in Person des Präsidenten Hellmut Th. | |
| Seemann. Ob Oswalt sich wieder bewirbt, darüber schweigt er sich aus. Die | |
| Bewerbungsfrist endet am 31.Januar. | |
| ## Experimentierfeld Bühne | |
| Derweil kann man sich am Dessauer Bauhaus mit älteren Darbietungen der | |
| Bauhausbühne beschäftigen. Die Ausstellung „mensch raum maschine“ | |
| thematisiert Bühnenexperimente aus den 1920er Jahren. Zentrale Figur ist | |
| der Bauhausmeister Oskar Schlemmer, der die Bauhausbühne von 1923 bis 1929 | |
| leitete und als Experimentierfeld ansah. Gegeben wurde der neue Mensch. | |
| Seltsamerweise gerieten Schlemmers Bühnenstücke dabei ziemlich abstrakt und | |
| mechanisch. In seinem „Triadischen Ballett“ ließ er die Spieler in | |
| grotesken Puppenkostümen auftreten, die den Bewegungsspielraum extrem | |
| einengen – mehr als Stehen, Gehen und die Arme heben war da kaum möglich. | |
| In Schlemmers „Stäbetanz“ hatten die schwarz vermummten Schauspieler | |
| überdimensionale Latten an den Gliedmaßen, die gleichsam abstrakte | |
| Konstellationen in den Raum zeichneten. | |
| ## Einheit von Kunst und Technik | |
| Von Dramatik im klassischen Sinne konnte auf der Bauhausbühne also keine | |
| Rede mehr sein. Vielmehr hat Schlemmer die Schemata der klassischen | |
| Proportionslehre aus seinem anatomischen Zeichenunterricht einfach mit | |
| einem Motto des Bauhausdirektors Walter Gropius gekreuzt: „Kunst und | |
| Technik – eine neue Einheit“. Ins Dreidimensionale weitergetrieben sieht | |
| das Ergebnis aus, als wäre das schematische Idealbild des Menschen auf eine | |
| präzise und ermüdungsfreie Maschine übergegangen. | |
| Nicht umsonst beginnt die Ausstellung mit einem „Prolog“ zur entfesselten | |
| Technik im Maschinenzeitalter, bestückt mit Schnipseln aus Filmen wie | |
| „Metropolis“ und der Fotocollage „Berlin“ von Bauhausmeister László | |
| Moholy-Nagy: Der Mensch taucht da bestenfalls nur noch als Teil der Masse | |
| auf. | |
| ## Vision „Totaltheater“ | |
| Walter Gropius sollte 1926 selbst ein „Totaltheater“ entwerfen, auf dessen | |
| drehbarer Bühne nicht nur für die Massen gespielt, sondern auch mit der | |
| Masse hätte agiert werden können. Ein Modell dieses nicht realisierten | |
| Entwurfs steht in der Ausstellung, die im übrigen mit Skizzen, Filmen, | |
| Zeichnungen und Fotografien von über 70 Künstlern aufwartet. Neben | |
| historischen Beiträgen gibt es zeitgenössische Umsetzungen, die die Themen | |
| der Bauhausbühne neu interpretieren. Dazu gehören etwa auch | |
| Rekonstruktionen der Schlemmer’schen Figurinen von der Universität São | |
| Paulo. | |
| Dass sich der Gestaltungswillen des historischen Bauhauses auch auf die | |
| Bühne richtete, liegt an der Nähe der Bühne zum „Bau“, der das erklärte | |
| Ziel aller Tätigkeit am Bauhaus war. Die Bühne schien prädestiniert, den | |
| modernistischen Impetus, buchstäblich alles neu zu machen – „vom Teelöffel | |
| bis zur Stadtplanung“ –, schon mal in nuce vorwegzunehmen. Das hieß: zu | |
| experimentieren. | |
| Tatsächlich muten diese Versuche wie Grundlagenforschung an. Es wurde | |
| reduziert, isoliert und abstrahiert. Die völlige Abwesenheit von | |
| Wortkünstlern am Bauhaus, etwa Dramatikern, führte dazu, dass man sich auf | |
| bildnerische Elemente des Schauspiels wie Farbe oder Bewegung | |
| konzentrierte. Die Dessauer Ausstellung zeigt etwa einen Apparat für | |
| „Reflektorische Lichtspiele“, ein hölzerner Kasten mit verstellbarem | |
| Gestänge, der farbige Lichtformen projizieren konnte und wechselnde | |
| abstrakte Bilder erzeugte. | |
| Dass solche mehr forschenden Darbietungen beim Publikum ein Flop werden | |
| konnten, scheint Schlemmer wohl selbst geahnt haben: „Es ist nicht zuletzt | |
| die Frage, inwieweit der technische Aufwand dem erzielten Effekt | |
| entspricht, nämlich wie lange das rotierende, schwingende, sausende | |
| Spielwerk, einschließlich aller Variationen der Formen, der Farben und des | |
| Lichts, zu interessieren vermag.“ Ob solch abstrakte Bühnenspektakel, ohne | |
| sichtbare Menschen, ohne Worte und ohne Handlung heute noch etwas zu sagen | |
| haben, wird man demnächst in der Neuinterpretation der Bauhaustänze in | |
| Berlin und Dessau selbst beurteilen können. | |
| 29 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Ronald Berg | |
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