# taz.de -- Neue Leitung am Bauhaus Dessau: Der Weg ins Offene | |
> Per Fahrrad durch die Moderne: Zu den Plänen der neuen Direktorin Claudia | |
> Perren gehören ein Museumsneubau und das Thema Mobilität. | |
Bild: Die Direktorin vor einem der wiedererrichteten Bauhaus-Meisterhäuser in … | |
Das Bauhaus steht für „den Mut, sich auf etwas einzulassen, wovon man das | |
Ende noch nicht kennt, also zu experimentieren“. So formuliert es Claudia | |
Perren, die neue Direktorin der Stiftung Bauhaus, im Gespräch. Und das ist | |
zugleich ihr Ansatz für die eigene Arbeit in Dessau. | |
Der Akzent liegt auf der Herangehensweise, „neue Erkenntnisse für die | |
Gestaltung zu entwickeln“. Gesichertes Wissen, vorgegebene Inhalte oder gar | |
festgelegte Stilmittel, welche die Stiftung nur noch umzusetzen hätte, sind | |
Perrens Sache nicht. | |
Natürlich geht es auch um die Pflege des Bauhaus-Erbes, wie es die Satzung | |
der Stiftung vorsieht. Perren versteht aber darunter, den Bauhaus-Gedanken | |
„weiterzudenken und auf die heutige Zeit zu übertragen“. Wie das im | |
Einzelnen aussehen könnte, erläuterte die 41-jährige Kuratorin und | |
Architektin, die zuletzt Theorie der Architektur und Kunst an der | |
Universität in Sydney gelehrt hatte, am letzten Mittwoch. | |
Eine Bilanz nach exakt 125 Tagen im Amt konnte es nicht sein, vielmehr | |
waren es eine Menge Ankündigungen zur Arbeit der Stiftung in den nächsten | |
Jahren. Als Fluchtpunkt fungiert das 100-jährige Jubiläum der Gründung des | |
Bauhauses 2019. | |
## Knackpunkt Bauplatz | |
Dazu soll es – wie auch in den anderen Bauhausstätten in Weimar und Berlin | |
– ein neues Gebäude geben. Für das neu zu errichtende „Bauhaus Museum | |
Dessau“ gibt es inzwischen einen Bauplatz und eine Finanzierung. Die Kosten | |
von 25 Millionen Euro teilen sich das Land Sachsen-Anhalt und der Bund. Die | |
Stadt Dessau stellt das Grundstück im Stadtpark kostenlos zur Verfügung. | |
Über einen Dissens in der Frage des Standortes für das neue Museum war | |
Perrens Vorgänger Philipp Oswalt gestolpert. Auf Betreiben von Stephan | |
Dorgerloh (SPD), Vorsitzender der Stiftung Bauhaus und Kultusminister von | |
Sachsen-Anhalt, wurde Oswalts im letzten Februar auslaufender Vertrag – | |
gegen alle Gewohnheit – nicht verlängert. | |
Der Verdacht liegt also nahe, dass Perren den Museumsstandort über einen | |
halben Kilometer vom historischen Bauhaus entfernt schlucken musste, um | |
überhaupt ins Amt zu kommen. Fragt man nach, so ist Perrens Antwort: | |
Alternative Standorte in der Nähe des von Walter Gropius entworfenen | |
Schulgebäudes und der nahe gelegenen Meisterhaussiedlung halte sie für | |
weniger geeignet. Hier hätte die Gefahr bestanden, „eine Art | |
abgeschlossener Museumsinsel“ herzustellen. Perren geht es aber nun darum, | |
die diversen in ganz Dessau verteilten Bauhaus-Bauten untereinander in | |
Beziehung zu setzen. | |
Das neue Museum soll nicht nur endlich die Sammlung der Stiftung zum | |
Bauhaus angemessen zeigen, sondern auch das Zentrum eines | |
Mobilitätskonzepts abgeben. Dem Fahrrad wird dabei wohl eine große Rolle | |
zukommen. Vom Restaurant Kornhaus im Norden bis zur Siedlung Törten im | |
Süden – beide bezeugen das Wirken des Bauhauses in Dessau – sind es | |
immerhin sechs Kilometer. | |
Mobilität gehört auch zu den neuen Jahresthemen, wonach die Stiftung | |
Bauhaus inhaltlich in Zukunft operieren will. Die Themen sind dabei so | |
allgemein, dass sich mühelos Anschlüsse an die Ideen des historischen | |
Bauhauses herstellen lassen wie Verknüpfungen mit aktuellen | |
Fragestellungen. Vor der „Substanz“ im Jahre 2017 und „Bewegung“ 2016 s… | |
im nächsten Jahr aber zunächst das Thema „Kollektiv“ auf dem Plan. | |
Vielleicht nicht ohne Grund. | |
Perren behauptet von sich, aus einer „Konsenskultur“ zu stammen. | |
„Offenheit“ ist denn auch eine Eigenschaft der neuen Direktorin, fragt man | |
bei den Mitarbeitern des Bauhauses nach. Die Kuratoren und Wissenschaftler | |
der Stiftung sind es ja, die die eigentlichen Inhalte etwa für | |
Ausstellungen am Hause erarbeiten. | |
Für das nächste Frühjahr wird es unter dem Oberthema „Kollektiv“ um „D… | |
Prinzip COOP“ des zweiten Bauhausdirektor Hannes Meyer gehen, der auch | |
politisch eine spannende Figur ist. Die Ausstellung zu Meyer wird mit einer | |
mexikanischen Kuratorin zusammen entwickelt. | |
## Der Bauhaus-Fachtourist | |
Das Kollektive als erster Schwerpunkt unter Claudia Perren hat auch etwas | |
Versöhnliches. Der Dissens zwischen Bauhaus und Politik in Gestalt von | |
Oswalt und Dorgerloh soll der Vergangenheit angehören. Anders als im | |
Konsens geht es auch gar nicht, will man sich in Dessau spätestens bis 2019 | |
als Bauhaus-Stadt präsentieren. Von den erwarteten 130.000 Besuchern im | |
Jahr im neuen Museum würde natürlich auch die von Schrumpfung und | |
Deindustrialisierung gebeutelte Stadt Dessau profitieren. | |
Das Bauhaus kann solche Strukturprobleme nicht lösen. Das wird vonseiten | |
der Politik derzeit auch gar nicht mehr erwartet. Perren will mit ihrem | |
Mobilitätskonzept zur Vernetzung der Bauhaus-Bauten auch nur „im kleinen | |
Maßstab arbeiten“, dafür aber „ganz konkret“. | |
Da das Bauhaus ursprünglich ja eine Schule war, soll auch das Lernen für | |
die heutige Stiftung wieder eine starke Rolle spielen. Es gibt ja bereits | |
die sogenannte Akademie am Hause, die postgraduale Bildungsangebote macht. | |
Zukünftig soll es nun verstärkt international Kooperationen mit | |
Universitäten geben. | |
## Artist in Residence | |
Auch die Meisterhäuser sollen im Rahmen eines neuen Residenzprogramms | |
wieder bewohnt werden, von internationalen Künstlern, Designern, | |
Architekten und Forschern, die nach dreimonatigem Aufenthalt im Doppelhaus | |
Muche/Schlemmer ein Werk in Dessau zurücklassen müssen. | |
Wie es das Bauhaus Dessau durch diesen Input befruchten wird, ist noch | |
nicht abzusehen. Perren geht es darum, auch für das Lernen neue Fragen zu | |
entwickeln, statt mit Antworten zu glänzen, die die Frage immer schon als | |
gegeben hinnehmen. Die Bilanz eines solchen Experimentierens wird man wohl | |
erst 2019 wirklich ziehen können. Aber der Weg ins Offene klingt schon mal | |
wie eine schöne Idee. | |
9 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Ronald Berg | |
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