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# taz.de -- Jahresbilanz 2024 der Beratungsstellen: Im Schnitt werden jeden Tag…
> Die Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt haben 2024 rund 3.500
> rechte Angriffe erfasst – ein Anstieg um 20 Prozent und ein Höchststand.
Bild: Beim mutmaßlich rassistisch motivierten Brandanschlag im März 2024 in S…
Berlin taz | Ein mutmaßlich rassistisch motivierter Brandanschlag [1][auf
eine vierköpfige bulgarisch-türkische Familie in Solingen]. Ein [2][unter
anderem antisemitisch motivierter Messerangriff] mit drei Toten auf dem
Stadtfest in Solingen. Ein [3][auch aus rassistischen Motiven erstochener
Mann in Gummersbach] und ein [4][mit einem Messer getöteter Kameruner in
Berlin-Wedding]: 9 Todesopfer rechter, rassistischer und antisemitischer
Gewalt zählten die Opferberatungsstellen im Jahr 2024. Es sind die
schlimmsten Fälle einer „Bilanz des Schreckens“, wie die Beratungsstellen
ihre Jahresstatistik zu rechter Gewalt 2024 bezeichneten.
Die Beratungsstellen erfassten einen neuen Höchststand bei rechten
Angriffen: Sie verzeichneten insgesamt 3.453 Angriffe allein im Jahr 2024 –
das sind knapp 10 pro Tag. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Anstieg um 20
Prozent. Insgesamt gebe es 4.681 Betroffene, im Schnitt würden täglich 12
Menschen angegriffen – so viele wie nie zuvor seit Erstellung dieser
Statistik, in der nur 12 Bundesländer erfasst sind. Betroffen seien in
wachsendem Ausmaß auch Kinder und Jugendliche – 697 von insgesamt 4.681
Betroffenen sind demnach minderjährig. Auch das ein neuer Höchststand.
Die Beratungsstellen veröffentlichen ihre Zahlen am selben Tag, an dem der
neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) ebenfalls die offiziellen
Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität des Bundeskriminalamts
vorstellt – auch um auf die Untererfassung rechter Gewalt durch
Strafverfolgungsbehörden hinzuweisen. Tatsächlich zeichnet sich analog zum
Umfragenhoch der AfD und Debatten um Abschiebungen [5][auch für das Jahr
2025 bereits eine Fortsetzung der grassierenden rechten Gewalt] ab.
Das häufigste Tatmotiv heißt laut den Opferberatungsstellen in rund 52
Prozent der Fälle (1.794 Taten) Rassismus. 15 Prozent und damit 542
Attacken richteten sich gegen politische Gegner*innen, 354 Angriffe und
damit 10 Prozent seien antisemitisch motiviert gewesen, fast genauso häufig
habe es LGBTIQ*-feindliche Taten (344) gegeben. Aber auch andere
menschenfeindliche Motive (221), Nicht-rechts-Sein (119), Sozialdarwinismus
(49) und Ableismus (19) hätten bei Angriffen eine Rolle gespielt. Besonders
deutlich angestiegen seien [6][Attacken] auf [7][politische
Gegner*innen] – um mehr als zwei Drittel im Vergleich zu 2023. Auch
[8][queerfeindliche Angriffe] seien [9][um 40 Prozent gestiegen].
## Beratungsstellen fordern „Nationalen Aktionsplan“
Unter den Taten fänden sich eine Vielzahl schwerer Straftatbestände: Neben
den 4 erwähnten Tötungsdelikten zählten die Beratungsstellen 29 versuchte
Tötungen, 681 gefährliche Körperverletzungen, 1.143 einfache
Körperverletzungen, 14 Körperverletzungen im Amt sowie 45 Brandstiftungen.
Zudem habe es 1.212 Bedrohungen und Nötigungen gegeben, 172-mal sei es zu
massiven Sachbeschädigungen gekommen sowie 74-mal zu sonstigen Gewalttaten
wie Raub, Landfriedensbruch und Freiheitsberaubung.
Ein Schwerpunkt der Gewalttaten (ohne Bedrohungen, Nötigungen und massive
Sachbeschädigungen) lag in Berlin und Hamburg, wo rund 10 Taten auf 100.000
Einwohner*innen kamen. Zudem lag die Zahl im Osten in Ländern wie
Sachsen-Anhalt (8,3), Mecklenburg-Vorpommern (6,59) und Brandenburg (5,99)
im Schnitt deutlich höher als im Westen. Durch die Beratungsstellen nicht
erfasst wurden bisher Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und das
Saarland.
„Die Bundesregierung muss auf den Flächenbrand rechter Gewalt mit
politischen Konsequenzen und einem ressortübergreifenden Nationalen
Aktionsplan reagieren“, forderte Judith Porath aus dem Vorstand des
Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und
antisemitischer Gewalt (VBRG) angesichts des Höchststands bei der
Vorstellung der Zahlen in der Bundespressekonferenz.
Die Brutalität und Menschenverachtung, mit denen viele dieser Angriffe
erfolgten, haben laut Porath gravierende Auswirkungen für Betroffene:
jahrelange Ermittlungsverfahren, anhaltende Bedrohungen nach rassistischen
Angriffen von Nachbar*innen, erzwungene Arbeits-, Ausbildungsplatz-, Schul-
und Wohnortwechsel bis hin zur Aufgabe von politischen Mandaten – verbunden
sei damit häufig der Verlust von Sicherheit, Arbeitsplätzen, Heimat und
sozialen Netzwerken, so Porath.
## Blinde Flecken in der Statistik
Auch die Rechtsanwältin und Nebenklagevertreterin Seda Başay-Yıldız
forderte, dass der Rechtsstaat die Betroffenen rechter, rassistischer und
antisemitischer Gewalt nicht im Stich lassen dürfe. Dazu gehöre 25 Jahre
nach dem Mord an Enver Şimşek, dem ersten Opfer des rechtsterroristischen
NSU, „dass Polizei und Justiz alle Hinweise auf Rassismus, Antisemitismus
und Rechtsextremismus als Tatmotive in den Ermittlungsverfahren und den
Wunsch vieler Betroffener nach vollständiger Aufklärung ernst nehmen
müssen“, so Başay-Yıldız.
Auch 2024 gab es neben der Untererfassung in der offiziellen Statistik
tatsächlich wieder einige blinde Flecken: Zuletzt wurde von den
Sicherheitsbehörden beim Brandanschlag in Solingen mit 4 Toten ein
rassistisches Tatmotiv vorschnell ausgeschlossen – im Laufe des
Gerichtsprozesses stellte sich gar heraus, dass ein Polizeibeamter
[10][offenbar einen Vermerk gelöscht hatte], der die Tat als „rechts“
einordnete. Zahlreiche Hinweise auf eine rechtsextreme Gesinnung des Täters
ignorierte die Polizei bei den Ermittlungen offenbar.
Der Staat „muss dafür Sorge tragen, dass rassistische und antisemitische
Straftaten als solche erkannt und effektiv geahndet werden“, sagte Prof.
Dr. Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte.
Rassismus und Antisemitismus griffen das „Fundament unserer Verfassung“ an.
Rudolf forderte, Verfahrensdauern zu verkürzen, Zugang zu Recht und
Informationen zu erleichtern, zudem zivilgesellschaftliche
Beratungsstrukturen zu schützen und finanziell abzusichern.
20 May 2025
## LINKS
[1] /Rassistische-Brandstiftung-in-Solingen/!6087790
[2] https://dserver.bundestag.de/btd/20/135/2013559.pdf
[3] https://www.ksta.de/region/oberberg/gummersbach/mord-in-gummersbach-den-sch…
[4] /Totschlag-von-William-Chedjou/!6066981
[5] /Rechtsextreme-Gewalt/!6077300
[6] /Rechter-Angriff-in-Dresden/!6008416
[7] /Angriffe-auf-Politikerinnen/!6006968
[8] /Queerfeindliche-Angriffe-in-Berlin/!5988883
[9] /Gewalt-gegen-queere-Personen-bleibt-hoch/!6052033
[10] /Rassistische-Brandstiftung-in-Solingen/!6087790
## AUTOREN
Gareth Joswig
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