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# taz.de -- Rechtsextreme in Ostwestfalen: Ein Provinznazi lädt ein
> Zu einer rechtsextremen Demo in Herford wird überregional mobilisiert.
> Auch in der westdeutschen Provinz werden junge Neonazis offenbar aktiver.
Bild: Herford, 17. Mai: Kokotts Aufruf zur Provinzdemo folgten Neonazis aus ver…
Herford taz | Seit über zehn Jahren gab es keine Neonazi-Demo im
ostwestfälischen Herford, einer kleineren Stadt in der Nähe von Bielefeld.
Doch am vergangenen Wochenende reisten Neonazis aus verschiedenen Ecken
Deutschlands dorthin, um gegen vermeintlichen „Linksextremismus“ zu
demonstrieren. Mobilisiert wurde weit über die Region hinaus. Zwar kamen am
Ende bloß 150 Neonazis, zugleich waren über 2.500
Gegendemonstrant:innen in der Stadt. Doch Beobachter der rechten
Szene vor Ort sind beunruhigt.
Die Region ist nicht unbedingt als braunes Hinterland bekannt: Die AfD ist
in Herford nicht einmal im Stadtrat vertreten und vor dem Kunstmuseum steht
eine Tupac-Statue. Auch die „soziologischen Rahmenbedingungen für die
extreme Rechte erscheinen eher unauffällig“, [1][schrieb die Mobile
Beratung gegen Rechts (MBR) in Ostwestfalen-Lippe schon 2016.] Kurzum: Den
Menschen hier geht es verhältnismäßig gut.
Gleichwohl gibt es, wie überall in Deutschland, extrem rechte Strukturen.
Die [2][Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck] lebte nur wenige Autominuten
von Herford entfernt. Zudem finden sich in der Region Orte, die für
Neonazis von symbolischer Bedeutung sind, wie das Hermannsdenkmal oder die
[3][Wewelsburg]. „Ostwestfalen ist für die extreme Rechte eine mythisch
aufgeladene Region“, schreibt die MBR.
„Es gab hier natürlich schon immer Nazis. Aber das, was am Wochenende
passiert ist, hat keine Anbindung an die alten Strukturen“, sagt Meshut
Cakar, Sprecher des Bündnisses, das den Gegenprotest organisiert hat. Er
sieht Parallelen zu den Aufmärschen junger Neonazis 2024, die sich vor
allem gegen CSDs in Ostdeutschland gerichtet haben. „Was letztes Jahr im
Osten passiert ist, kommt jetzt rüber. Das war nur eine Frage der Zeit“,
sagt er.
## „Sind Neonazis anwesend?“
„Wir beobachten seit mehreren Jahren eine deutliche Zunahme rechter
Aktivitäten. Besonders auffällig ist dabei die Entstehung rechtsextremer
Jugendkulturen“, sagt Marc Jacobsen von der MBR in Herford. Erst vor
wenigen Monaten habe sich beispielsweise ein „Active Club Ostwestfalen“
gegründet. In Active Clubs vernetzen sich junge Neonazis über Kampfsport.
Auch im Zusammenhang mit CSD-Veranstaltungen kam es zu gezielten Störungen.
Daniel Kokott war Anmelder der Nazi-Demo in Herford und versucht seit
geraumer Zeit die Rechtsextremisten in der Region zu organisieren. Er ist
Kopf der „Freischar Westfalen“, die Gruppe ist bislang vor allem durch
Propagandaaktionen aufgefallen. Auch sein minderjähriger Sohn soll laut dem
Recherchekollektiv Ostwestfalen Teil der Vereinigung sein.
Kokott soll zudem Admin des örtlichen Querdenken-Ablegers „Bielefeld steht
auf“ gewesen sein. Seine „Freischar“ putzte gemeinsam mit dem neuen „Ac…
Club“ ein Soldatengrab in Kokotts Heimatdorf Leopoldshöhe. Auch die
Sicherheitsbehörden haben ihn auf dem Schirm. Schon 2024 wurde er [4][im
„Lagebild Rechtsextremismus“ des NRW-Innenministeriums erwähnt]. Demnach
habe Kokott seine Rolle bei „Bielefeld steht auf“ genutzt, um rassistische
Beiträge zu verbreiten und die „Normalisierung von rechtsextremer Ideologie
innerhalb der Gruppierung“ zu fördern.
Zudem leitet Kokott eine Bürgerinitiative samt WhatsApp-Gruppe, um gegen
eine Geflüchtetenunterkunft zu hetzen. In seinem Dorf gibt er sich
bürgerlicher: Als Kokott in einem WDR-Beitrag als Rechtsextremist
bezeichnet wurde, gab es Solidaritätsbekundungen in der WhatsApp-Gruppe:
Jeder der ihn kenne, wisse, dass das gar nicht stimme, meinte eine Userin.
In Herford gab sich Kokott sehr viel offener: „Sind Neonazis anwesend?
Wahrscheinlich! Warum sind sie anwesend? Weil ich sie eingeladen habe“,
sagte er auf dem Marktplatz in Herford. Alle „die sich für Deutschland
einsetzen“ seien willkommen, die wahren Extremisten seien Menschen wie
Linken-Politikerin Heidi Reichinnek, „wir sind einfach normale Leute“,
sagte er. Die Neonazis riefen „Jawoll“ und applaudierten. Später wurde im
Sprechchor „Frei, Sozial und National“, „Remigration“, „Alle Zecken s…
Schweine“ oder „West-West-Westdeutschland“ gebrüllt. ]]]
Kokotts Aufruf zur Provinzdemo folgten Neonazis aus verschiedenen Regionen:
Es kamen Mitglieder der Jungnazi-Gruppe „Jung & Stark“ aus dem Ruhrgebiet,
vereinzelt auch ältere Rechtsextreme wie der Dortmunder Die Heimat-Chef
Sascha Krolzig. Optisch prägend und wohl am stärksten vertreten war „Der
Störtrupp“ (DST), dessen Mitglieder teils aus Süddeutschland anreisten. Die
DST-Mitglieder stellten auch die Ordner der Versammlung.
## Warum Herford?
[5][Kokott hat die Kontakte wohl auf seinen Besuchen bei Neonazi-Demos im
ganzen Land geknüpft]: In Aschaffenburg und Aachen nahm er an
Demonstrationen teil und heizte der Menge per Megaphon ein. Beim
neonazistischen „Trauermarsch“ am 15. Februar in Dresden lief er mit. Ende
März beteiligte er sich an der „Gemeinsam für Deutschland“-Demonstration …
Stuttgart, die ebenfalls stark von DST geprägt war. In Stuttgart waren
schon mehrere Neonazis dabei, die wenige Wochen später nach Herford kamen.
Bleibt die Frage, weshalb sich Kokott diese Stadt als Treffpunkt für seine
neonazistischen Reisefreund:innen ausgesucht hat: Es ist weder sein
Heimatort, noch die größte Stadt in der Region. „Kokott hat Herford als
Hort des Linksextremismus ausgemacht – was massiver Quatsch ist“, erklärt
Bündnissprecher Cakar. Vor einigen Wochen entleerten mutmaßlich
Antifaschist:innen einen Eimer weißer Farbe vor Kokotts Haustür,
seitdem wähnt er sich im Fadenkreuz vermeintlichen linken Terrors. Im Fokus
des rechtsextremen Netzwerkers vom Dorf steht nun das linke Soziale Zentrum
FlaFla in Herford.
Vor einiger Zeit gab es schon mal eine Auseinandersetzung mit rechten
Jugendlichen, berichtet Judith, die im FlaFla arbeitet und ihren Nachnamen
aus Sicherheitsgründen nicht nennen will. Dabei sei auch ein Böller in den
Hof des linken Zentrums geschmissen worden.
Cakar macht sich Sorgen, dass das linke Zentrum weiter als Feindbild
herhalten könnte. Das Feindbild „Antifa“, das letztlich alle umfasst, die
nicht ins Weltbild der Neonazis passen, trage dazu bei: „Die Antifa hat ja
kein Büro, erst Recht nicht in Herford. Also werden die zum Fla gehen“,
befürchtet er. Die Bedrohung sei durch die Demo gestiegen.
Junge Linke in Herford würden nun unter anderen, schwierigeren Bedingungen
sozialisiert als die Generationen vor ihnen: „Ich konnte hier in Herford in
Ruhe aufwachsen, ohne dass es Nazis gab, von denen ich mich bedroht gefühlt
hätte“, sagt Judith.
21 May 2025
## LINKS
[1] https://www.mbr-owl.de/material/Brosch%C3%BCre%20Hingeschaut_web.pdf
[2] /Rechtsextremistin-Haverbeck-ist-tot/!6048883
[3] /Heimatgeschichte-der-schwierigen-Art/!5968663
[4] https://www.im.nrw/system/files/media/document/file/lagebild_rechtsextremis…
[5] http://www.hiergeblieben.de/pages/textanzeige.php?id=53909
## AUTOREN
Dominik Lenze
## TAGS
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