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# taz.de -- Politisch motivierte Kriminalität: Rechtsextremes Werk und Dobrind…
> CSU-Innenminister Alexander Dobrindt stellt Rekordzahlen zur politisch
> motivierten Kriminalität vor. Vor allem rechte Gewalt stiegt 2024 stark
> an.
Bild: Vier rechte Gewalttaten pro Tag: Julian M., hier auf einer Demo im April …
Berlin taz | Bei der Präsentation der Zahlen zur rapide angestiegenen
politischen Kriminalität machte der noch frisch gebackene Innenminister
Alexander Dobrindt (CSU) ein betretenes und ernstes Gesicht. Die
sogenannten PMK-Zahlen sind so stark gestiegen wie nie – um rund 40 Prozent
auf 84.172 Straftaten: ein Höchststand seit der Erfassung 2001.
Der größte Teil davon, über die Hälfte, sind laut der Gesamtstatistik
rechtsextreme Taten: ebenfalls ein Rekordwert von 42.788 (Zuwachs: 48
Prozent). Auch rechten Gewalttaten stiegen auf ein Allzeithoch von 1.270
auf 1.488 Taten. Die Entwicklung hatte [1][sich bereits abgezeichnet] – bei
rechtsextremen Angriffen auf Politiker*innen, Brandanschlägen mit
Todesopfern und bundesweit grassierender rassistischer Gewalt.
Tatsächlich dürfte das Dunkelfeld noch größer sein: Opferberatungsstellen
zählen in bisher erfassten 12 Bundesländern gar [2][3.452 rechte,
rassistische und antisemitische Angriffe]. Auch sie stellten ihre Zahlen am
Dienstag vor und sprachen von einer „Untererfassung“ durch die Behörden.
Dafür ging Dobrindt am Dienstag in der Bundespressekonferenz doch recht
kurz auf den offensichtlichen Rechtsruck in der Bundesrepublik Deutschland
ein. Er streifte die Zahlen nur und kam schnell auf „importierten
Antisemitismus“ zu sprechen. Insgesamt beklagte er vor allem eine
flächendeckende „Polarisierung in der Gesellschaft“.
## Mit guter Politik „wegregieren“
Dobrindt ist das [3][Gesicht der von der CSU] im Fahrwasser der AfD
geforderten „Migrationswende“, er stellte im Wahlkampf das individuelle
Recht auf Asyl infrage und lässt nun Dienstpläne von
Bundespolizist*innen und europäische Rechtsordnungen platzen, um in
seiner ersten Woche sage und schreibe 32 Asylbewerber zurückzuweisen. In
der Vergangenheit fabulierte er von der „Anti-Abschiebe-Industrie“, der
„Klima-RAF“ und beschimpfte Grünen-Politiker als „Vorsitzende der
Pädophilen-AG“. Dobrindt bewirtschaftet den Populismus strategisch, jetzt
hat er die Folgen auch seines eigenen Handelns auf dem Tisch.
Ob er die AfD mitverantwortlich mache für die gestiegenen rechten
Straftaten? Seine Antwort: „Alle die, die bei dieser Polarisierung eine
Rolle spielen, sind ein Teilelement dieser Entwicklung.“ Trotz der rechten
Bedrohungen wollte Dobrindt nichts vom AfD-Verbot wissen und stattdessen
bei seinem Rezept im Umgang mit Rechtsextremismus bleiben: „Parteien an den
Rändern“ solle man mit guter Politik „wegregieren“ und nicht versuchen, …
juristisch zu verbieten, forderte Dobrindt.
Immerhin wiederholte er aber auf Nachfrage den Satz seiner
Vorgänger*innen Horst Seehofer (CSU) und Nancy Faeser (SPD): „Die
größte Gefahr für die Demokratie geht vom Rechtsextremismus aus.“ Dobrindt
nannte auch Angriffe von „rechtsextremen Jugendbewegungen“ auf CSDs, ebenso
zahlreiche Übergriffe auf Politiker*innen im Wahlkampf des
Superwahljahres 2024. Er sprach von einem „erheblichen
Gefährdungspotenzial“ rechtsextremer Gruppen in Verbindung mit
„parteigebunden Rechtsextremisten und gewaltbereiten Hooligans“. Auf dem
rechten Auge blind zu sein, wollte Dobrindt damit zurückweisen.
Tatsächlich zeigen die PMK-Zahlen auch einen Anstieg in fast allen anderen
Bereichen: Bei der „sonstigen Zuordnung“, worunter Reichsbürger,
Selbstverwalter und sonstige Verschwörungsideolog*innen fallen, gab
es ebenfalls einen Zuwachs um 33 Prozent auf 22.193 Taten (Gewaltdelikte:
795). Auch bei „ausländischer Ideologie“ stiegen die Straftaten um 42
Prozent auf 7.343 Taten (Gewaltdelikte: 975). Ähnlich bei religiöser
Ideologie mit rund 29 Prozent Anstieg auf 1.877 Delikte (Gewaltdelikte:
87). Beim Linksextremismus nahmen Straftaten um 28 Prozent auf 9.971
Delikte ebenfalls zu. Gewaltdelikte haben sich in diesem Bereich aber um
16,8 Prozent auf 762 Taten verringert.
## Besonders viele Angriffe auf Dobrindts Lieblingsfeinde
Im Kontext von Wahlen gab es einen Anstieg von 422 Prozent, von 11.217
Delikten gegenüber 2.147 im Jahr 2023. Besonders betroffen waren Dobrindts
Lieblingsfeinde, die Grünen, gegen die sich 3.204 Straftaten richteten.
Dahinter rangierte die AfD (3.075), die SPD (2.546), CDU (1.401) und die
Linke (909).
Einen Fokus legte Dobrindt auf Antisemitismus. Hierzu hatte er eine
Extratafel ausgedruckt, die die 2024 gestiegenen Fallzahlen seit dem
Angriff der Hamas auf Israel zeigt (20 Prozent Steigerung auf 6.236
antisemitische Straftaten). Der Anwuchs sei vor allem auf „ausländische
Ideologien“ zurückzuführen, sagte Dobrindt – mit einem Anstieg um 63
Prozent auf 1.940 Taten. Er konstatierte allerdings auch, dass die meisten
antisemitischen Straftaten, 3.016, noch immer dem Rechtsextremismus
zuzuordnen waren. „Egal, woher der Antisemitismus herkommt, er ist nicht zu
akzeptieren“, lautete sein Fazit.
BKA-Chef Holger Münch verwies darauf, dass auch islamistische Gruppierungen
den Nahostkonflikt zur Mobilisierung nutzten. Die jüngsten Anschläge in
Mannheim, Solingen und Berlin zeigten eine anhaltend hohe Gefährdungslage
auf – „Deutschland steht nach wie vor im Fokus des islamistischen
Terrorismus“, sagte Münch. Hinzu komme mittlerweile eine hybride Bedrohung
durch Russland. Angriffe auf kritische Infrastruktur, militärische
Einrichtungen und auch Industriestandorte und Sabotageverdachtsfälle wolle
man künftig ebenfalls auswerten, diese würden künftig in der PMK ebenfalls
erfasst.
Seine Konsequenzen sind CSU-typisch Law and Order: „Mehr Kompetenzen für
die Polizei, mehr Konsequenzen für die Straftäter“ – das heißt aus
Dobrindts Sicht vor allem Abschiebungen. So plädierte er dafür, Angriffe
auf Polizeibeamte schärfer zu ahnden und „Regelausweisungen“ bei
antisemitischen Straftaten durchzuführen. „Wir dulden den importierten
Antisemitismus auf unserer Straßen nicht“, so Dobrindt. Einen gesonderten
Plan für die Bekämpfung des einheimischen Antisemitismus nannte Dobrindt
ebenso wenig wie einen neuen Plan für die Bekämpfung von Rechtsextremismus.
## Linke und Grüne fordern Demokratiefördergesetz
Vor allem die Linke kritisierte Dobrindt für seinen laschen Umgang mit
rechten Straftaten. Die Linken-Abgeordnete Clara Bünger sagte: „Statt die
Gefahr klar zu benennen, verharmlost Innenminister Dobrindt sie. Er spricht
von politischen Rändern und will eine nebulöse politische Mitte stärken.“
Fakt sei, dass die meisten Taten rechts motiviert und Rassismus das
häufigste Tatmotiv seien. „Wir haben kein Problem mit Rändern, wir haben
ein Problem mit der extremen Rechten, die genau den Rassismus gewalttätig
vertritt, der aus der Mitte der Gesellschaft kommt“, sagte Bünger. Sie
forderte ein Schutzkonzept für Betroffene und ein Demokratiefördergesetz:
„Wer rechte Gewalt wirklich bekämpfen will, muss in Demokratiearbeit
investieren und darf nicht aus Angst vor rechten Stimmen deren Rhetorik
übernehmen.“
Auch die Grüne Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge sprach von einem
„alarmierenden Anstieg rechtsextremer Straftaten“. Neben Polizeiarbeit
brauche es eine starke Zivilgesellschaft, echte Prävention und ein
Demokratiefördergesetz, forderte Dröge: „Die AfD trägt Verantwortung für
die Vergiftung der politischen Debatte. Die Union darf das nicht
bagatellisieren!“
20 May 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
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