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# taz.de -- AfD und Junge Neonazis: Distanzierung Fehlanzeige
> Die Bundesregierung behauptet, es gebe keine strukturellen Verbindungen
> zwischen AfD und Nachwuchs-Nazis. Das ist in mehrfacher Hinsicht falsch.
Bild: Findet nicht nur in den Kampfkünsten Verwendung: Kubotan
Die Bundesregierung antwortete auf eine [1][parlamentarische Anfrage]
jüngst, dass sie keine „strukturelle Verbindung“ zwischen der AfD und
Gruppen von Nachwuchs-Neonazis wie der kürzlich nach mehreren Brand- und
Sprengstoffanschlägen festgenommenen „Letzten Verteidigungswelle“ und
ähnlichen Gruppen sehe.
Doch auch wenn bisher im Einzelfall keine direkten Verbindungen bekannt
sind, können beide Phänomene nicht getrennt betrachtet werden und gehören
strukturell eng zusammen: Der Abstand der AfD zu jungen Neonazi-Gruppen ist
in der Realität äußerst gering bis nicht vorhanden.
Mehrere Mitglieder der vor einigen Wochen festgenommenen und bewaffneten
Sächsischen Separatisten etwa planten ethnische Säuberungen und waren
AfD-Mitglieder, einer arbeitete in dem Abgeordnetenbüro des Vorsitzenden
des Innenausschusses im sächsischen Landtag, Teile der Gruppe posierten
zusammen mit Höcke. Auch sie waren noch sehr jung, wenn auch nicht
minderjährig: 21 bis 25 Jahre.
Das zeigt: Die AfD und [2][die neue, brutale und junge Neonaziszene]
gehören ideologisch eng zusammen, wie sich nicht zuletzt auf
Veranstaltungen der rechtsextremen Partei sehen lässt.
## Rassistische Mobilisierung
Im Wahlkampfjahr 2024, wo die rechte Gewalt auch wegen der vielen
Nachwuchs-Neonazis auf ein [3][Rekordhoch seit Erhebung der Zahlen
schnellte], war Landtagswahl in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Die AfD
veranstaltete als Wahlkampfveranstaltungen zahlreiche „Sommerfeste“, wo man
gut beobachten konnte, wie eng junge Nachwuchs-Neonazis und die
rassistische Mobilisierung der AfD zusammengehören.
Bei vielen ihrer „Sommerfeste“ im Landtagswahlkampf 2024 waren auch offen
rechtsextrem auftretende Jugendgruppen etwa in NS-verherrlichender Kleidung
zugegen, Höcke machte in Cottbus [4][Selfies mit Nachwuchs-Nazis] – ein
junger Höcke-Fanboy [5][trug] beim Foto mit dem Gesicht der völkischen
Strömung in der AfD gleich ein Shirt mit der Aufschrift „Blitzkrieg“ und
einer schwarzen Sonne.
In seiner Rede hatte Höcke zuvor gesagt: „Ich sage ja zur Straße“, er sei
selber Straßenaktivist. Dabei ist Höcke nicht der einzige, der immer wieder
den Schulterschluss mit dem politisch-aktivistischen Vorfeld sucht, zu dem
offensichtlich auch Neonazi-Gruppen gehören.
Auch der Brandenburger Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck machte letztes
Jahr in Templin Fotos mit einer Gruppe Jugendlicher, die zuvor am Rande
einer Wahlkampfveranstaltung offenbar politische Gegner angegriffen hatten.
„War geil“
Beim Gruppenfoto mit Gnauck reckten die in schwarz gekleideten Jugendlichen
die Faust und das White-Power-Zeichen, einer schrieb auf seiner
Instagram-Story dazu: „War geil Zeckenboxen“, wie der [6][Tagesspiegel]
recherchierte.
Die Polizei kontrollierte nach den Angriffen die Personalien einiger
mutmaßlicher Angreifer – darunter ein 14-Jähriger, zwei 16-Jährige, zwei
17-Jährige. Gnauck, ehemals Chef der nun aufgelösten Jungen Alternative,
[7][relativierte] die Angriffe und die Verantwortung der AfD danach. Er sei
bei den Übergriffen ja nicht dabei gewesen, sagte Gnauck, man könne ja
nicht jeden kontrollieren, der auf die AfD-Feste komme – echte
Distanzierung Fehlanzeige.
Für die Radikalisierung von Jugendlichen trägt die extrem rechte Partei
ebenso eine erhebliche Verantwortung: Sie zielt auf Social-Media, aber auch
auf ihren Veranstaltungen mit rassistischer Agitation bewusst auf junge
Menschen. Online hetzt die Partei auf Tiktok, Instagram und Youtube in
Video-Formaten und mit KI gegen Minderheiten, adressiert dabei auch gezielt
vor allem [8][junge Zielgruppen.]
Offline verteilte sie auf ihren „Sommerfesten“ Helium-Ballons in Form von
Abschiebefliegern, stellte Hüpfburgen auf und bot Kinderschminken und
Kutschfahrten an – während rassistische Reden von der Bühne schallen,
andere Menschen abgewertet und die Zuhörer*innen selbst aufgewertet
werden.
Und für aktionsorientierte Jugendliche ließ etwa die Landtagsabgeordnete
Lena Kotré in Brandenburg gleich Waffen verteilen, sogenannte Kubotans, mit
der Aufschrift [9][„Seid wehrhaft!“.]
Der Schulterschluss mit dem rechtsextremen Nachwuchs hat bei Abgeordneten
wie Kotré System: Erst vorletzte Woche reiste die AfD-Politikerin zu einer
„Remigrationskonferenz“ der Identitären in Mailand und traf dort unter
anderem den Identitären-Chef Martin Sellner – obwohl die Organisation
offiziell auf der Unvereinbarkeitsliste der Partei steht.
Die Identitäre Bewegung führte zuletzt auch bundesweit gezielt
Flyer-Aktionen an Schulen durch, ebenso versuchen sich Aktivist*innen
der Gruppe als Social-Media-Influencer, zeigen den „White-Power-Gruß“ und
verbreiten auf verschiedenen Plattformen ihre [10][völkische Ideologie].
Der auch von demokratischen Parteien mit zu verantwortende
gesamtgesellschaftliche Rechtsruck im Fahrwasser der AfD bildet dabei einen
größer gewordenen Resonanzraum für die Radikalisierung vieler junger
Neonazis.
So führt der nach rechts gekippte Diskurs nicht nur zu Höchstständen bei
der rechten Gewalt und rechtsextremen Straftaten, sondern auch zur
Mobilisierung der Neonazi-Szene, die sich durch den Rechtskurs der
Bundesregierung(en) zusätzlich ermächtigt fühlen – ein Phänomen, das man
bereits aus den Neunzigern und den Baseballschlägerjahren kennt.
30 May 2025
## LINKS
[1] /Innenministerium-zu-Jungnazi-Gruppen/!6089427
[2] /Rechtsextreme-Jugendszene/!6076353
[3] /Politisch-motivierte-Kriminalitaet/!6085979
[4] /AfD-bei-Wahlen-in-Brandenburg/!6037863
[5] https://x.com/garethmetik/status/1836845561317617835
[6] https://www.tagesspiegel.de/potsdam/brandenburg/angriffe-auf-afd-gegner-bei…
[7] https://www.instagram.com/reel/DGnFmIcM5Wd/
[8] /Wahlverhalten-junger-Menschen/!6043112
[9] /AfD-bei-Wahlen-in-Brandenburg/!6037863
[10] https://www.sueddeutsche.de/muenchen/identitaere-bewegung-rechtsextremismu…
## AUTOREN
Gareth Joswig
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Schwerpunkt Rechter Terror
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