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# taz.de -- Arbeitsbedingungen bei Tesla: „Es herrscht eine Kultur der Angst�…
> Tesla steht nicht nur durch die politischen Aktivitäten von Elon Musk in
> Verruf. Zwei Investigativreporter stießen durch ein Leak auf eine
> fragwürdige Konzernkultur.
Bild: Grünheide, 10. September 2021, am Tag der offenen Tür im Tesla-Werk: In…
taz: Herr Verfürden, Herr Iwersen, Sie sind Journalisten und haben im
November 2022 mehr als 100 Gigabyte Daten aus dem internen IT-System von
Tesla erhalten und ausgewertet. Darunter Adressen und
Sozialversicherungsnummern sämtlicher Mitarbeiter, Präsentationen, Memos
und sogar die Rechnungen von Musks Leibwächtern. Was hat Sie am meisten
überrascht?
Michael Verfürden: Ganz grundsätzlich, dass wir überhaupt an diese Daten
kommen konnten. Das war auf so viele Arten unwahrscheinlich. Tesla geht
offenbar sehr schludrig mit dem Datenschutz um, obwohl es ein so großer
Tech-Konzern ist.
taz: Ein einfacher Wartungsmitarbeiter hat die Daten heruntergeladen und
dann an Sie weitergeleitet. Wie konnte das passieren?
Verfürden: Tesla hat eigentlich sehr strenge Regeln für den Umgang mit
Daten. Es ist in der Theorie genau geregelt, wer auf was zugreifen darf.
Aber in der Praxis hat man sich offenbar nicht daran gehalten. Die
Sicherheitseinstellungen waren nicht so, wie sie hätten sein sollen. Und
das, obwohl Leute genau davor gewarnt haben – schon lange vor unserem
Whistleblower.
taz: Was zeichnet das für ein Bild vom Unternehmen?
Sönke Iwersen: Es herrscht eine Kultur der Angst. Wenn jemand auf Fehler
hinweist, wird er nicht gehört. Aber wenn das Problem öffentlich wird, wird
er dafür gehängt. Unser Informant Lukasz wurde im März 2019 noch von seinem
Vorgesetzten als Held gelobt …
taz: Er hatte damals bei einer Autoshow einen Brand verhindert.
Iwersen: Und sein Chef in Norwegen schrieb dann an Elon Musk, er solle doch
mal eine freundliche Mail an Lukasz schicken. Musk tat das auch und fragte:
Gibt es noch was zu verbessern? Lukasz machte den Fehler zu sagen:
Allerdings, Chef. Ich mache dir mal eine Liste. Nur zwei Wochen später fand
Lukasz die Spyware Code42 auf seinem Laptop. Seine Vorgesetzten in Norwegen
waren richtig wütend auf ihn. Sie meinten, er würde den ganzen Standort
schlecht aussehen lassen mit seinen Verbesserungsvorschlägen und müsste
weg.
taz: Findet sich dieser Umgang mit Mitarbeitern auch in den deutschen
Tesla-Standorten, allem voran im Tesla-Werk in Grünheide?
Verfürden: Ob Code42 auch in Grünheide eingesetzt wird, wissen wir nicht.
Aber wir haben schwarz auf weiß Rechnungen über zehntausende Lizenzen, die
Tesla von dieser Spyware eingekauft hat. Zu meinen Quellen gehören viele
Leute, die das Unternehmen eigentlich sehr gut finden. Selbst die meinen:
Du musst schon aufpassen, wem du hier was sagst. Man müsse immer damit
rechnen, dass man die Quittung dafür bekommt, wenn der Supervisor davon
erfährt.
taz: Im Buch schreibt ihr über ein Security-Intelligence-Team aus
ehemaligen Geheimdienstmitarbeitern, die auf euren Informanten angesetzt
wurden. Gibt es das auch in Grünheide?
Verfürden: Ja. Es gibt Stellenanzeigen, in denen Tesla Ex-Polizisten,
Ex-Soldaten und Ex-Geheimdienstleute sucht. In einer steht wortwörtlich
drin: Die sollen Informationen zu Bedrohungen für Tesla nicht nur innerhalb
der Werksmauern sammeln, sondern auch außerhalb. Das ist das Klima, das
dort herrscht. Big Brother Tesla – dieser Begriff ist ganz oft gefallen in
Gesprächen mit Insidern.
taz: Warum fällt es Gewerkschaften so schwer, dort Fuß zu fassen? Die IG
Metall stellt zwar aktuell die größte Liste im Betriebsrat, ist aber immer
noch in der Minderheit und kann kaum ein Anliegen durchbringen.
Iwersen: Das Werk in Grünheide gibt es erst seit 2022. Für die Autobranche
ist das sehr jung. Hinzu kommt: Der normale Mitarbeiter war, als er bei
Tesla angefangen hat, ein absoluter Fan von Elon Musk. Die Leute liebten
Tesla, die Leute liebten Elon Musk. Da gibt es eine Loyalität, die fast
schon so etwas Sektenartiges hat.
taz: Sektenartig?
Iwersen: Wenn du dich bewerben willst, musst du schon vorher eine
Verschwiegenheitserklärung abgeben. Dann bekommst du gesagt: Alle sind
gegen uns. Die Öl-Lobby, die Diesel-Lobby, die Medien, die Politik. Wir
haben eine Mission, wir verbessern die Welt. Das gefällt nicht jedem. Also
sag niemandem irgendetwas. Wenn du das tust, dann fühlst du dich vielleicht
besser, aber dann wirst du entlassen. Amerikanisch gesagt: Make the world a
better place. But speak up and we will fuck you. Ich würde angesichts
dessen fast sagen, es ist erstaunlich, wie schnell die deutsche
Gewerkschaft das in Grünheide überwunden hat.
taz: Ist das amerikanische Unternehmenskultur oder ist das selbst für die
USA ein Sonderfall?
Iwersen: Ich habe noch nie gehört, dass bei IBM oder Apple so ein Ton
herrscht.
Verfürden: Elon Musk nennt es ja immer „Ultra Hardcore“. Ich glaube, er
selbst möchte das auch so verstanden wissen, dass das die Tesla-Kultur ist
und nicht die, die in US-Unternehmen üblich ist. Es ist halt in vielerlei
Hinsicht besonders. Im Buch schreiben wir auch über die Fluktuation, die
phasenweise bei 40 Prozent pro Jahr lag. Normalerweise macht so eine hohe
Fluktuation gar keinen Sinn. Es ist ja teuer, Leute anzulernen. Eigentlich
kann das gar nicht in deinem Interesse sein als Unternehmen.
Iwersen: Elon Musk denkt immer noch, er müsse alles so führen wie ein
Start-up. Also quasi unterm Schreibtisch schlafen und nur Pizza essen. Das
ist super anstrengend. Musk sagt, wenn wir erfolgreich sind, wird sich das
mehr lohnen als alles andere. Aber, für wen lohnt es sich denn? Für ihn.
Weil er die Aktien hat. Aber wenn ein Unternehmen innerhalb von zweieinhalb
Jahren 100 Prozent der Mitarbeiter austauscht, haben die ja gar nichts
davon. Die arbeiten 14 Stunden am Tag und sehen ihre Kinder und ihre
Partner nicht. Dann werden sie ausgespuckt vom System und sitzen am Ende
mit leeren Händen da. Die werden ja auch nicht gut bezahlt. Das ist schon
irre, wie Musk das schafft, diesen Moloch als Paradies zu verkaufen.
taz: Seit Elon als Berater für Trump tätig ist, haben einige Tesla-Fahrer
den Sticker „I bought this before Elon went crazy“ auf ihrem Tesla kleben.
Wann hat das begonnen?
Verfürden: Ich glaube, der war schon immer crazy und ein Stück weit musst
du das ja auch sein. Musk ist schon ein bemerkenswerter Unternehmer, der
wahnsinnig viel erreicht hat, sonst wäre er jetzt nicht da, wo er eben ist.
Aber er ist eben noch ein viel besserer Verkäufer. Und dazu gehört halt
auch dieses „Crazy-Sein“. Sein wichtigstes Produkt sind ja eigentlich seine
Visionen.
taz: Zum Beispiel?
Verfürden: Das wirklich autonome Fahren, das fast schon ein Running Gag
ist. Musk hat vor wenigen Tagen wieder geschrieben: „Bald kann der Tesla
euer Chauffeur sein.“ Das sagt er seit zehn Jahren. Die Leute haben ihm das
einfach abgekauft.
taz: Die Absätze brechen ein, trotzdem ist Tesla an der Börse mehr wert als
jedes andere Autounternehmen. Warum?
Iwersen: Zynisch gesagt ist das [1][Musks größte Leistung]. Dieses Produkt,
das er seit zehn Jahren verspricht, aber nicht liefert. Gleichzeitig sagt
er, ob Tesla eine Billion wert ist oder null, entscheidet der Autopilot.
Das ist eigentlich selbstentlarvend.
taz: Sie nennen Musks Prinzip, absurde Versprechungen zu machen, sie nicht
zu halten und dann wieder neue Versprechungen zu machen, den „Musk’schen
Kreislauf“. Wie lange geht das noch gut?
Verfürden: Teslas technischen Vorsprung haben andere schon aufgeholt. Das
Narrativ der Weltrettung bröckelt auch, nicht zuletzt durch Elon Musks
politische Ambitionen, deren Folgen jetzt jeder live im Fernsehen sehen
kann. Und rein betriebswirtschaftlich sieht es düster aus für Tesla. Das
Unternehmen hat kaum etwas in der Produktpipeline. Die Frage ist, wie man
aus diesem Dilemma wieder rauskommen will. Musk geriert sich als
Schutzpatron der Redefreiheit und der Rechten rund um den Globus. Ob das
reicht, um die Schäden zu reparieren? Ich habe Zweifel.
20 May 2025
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## AUTOREN
Jonas Wahmkow
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