| # taz.de -- Deutsche Nahostpolitik: Deutschland muss Israel mit Sanktionen droh… | |
| > Der Gaza-Krieg radikalisiert sich. Jetzt reicht es nicht mehr, wenn sich | |
| > Deutschland nur besorgt über das Sterben der Palästinenser zeigt. | |
| Bild: Rauch steigt nach israelischen Angriffen aus einem Zeltlager für vertrie… | |
| Die deutsche Nahostpolitik bewegt sich seit Jahrzehnten in den gleichen | |
| Bahnen. Deutschland versorgt Israel mit Waffen und politischem Schutz – und | |
| Palästina mit Geld. Dieser Doppelkurs, der immer zwischen Pragmatismus und | |
| Bigotterie schillerte, ist am Ende. Angesichts der [1][Radikalisierung des | |
| Gazakriegs] und der massiven Vertreibungen im Westjordanland durch | |
| jüdische Siedler wird diese Haltung zur Realpolitik im Stadium des | |
| Irrealen. Man klammert sich an Gewissheiten, die mit jedem verjagten | |
| Palästinenser im Westjordanland und jedem toten Zivilisten in Gaza | |
| pulverisiert werden. | |
| In Deutschland beruft man sich mit zerfurchter Stirn auf die NS-Geschichte, | |
| die Pflichten mit sich bringe. Man könne nicht anders. In mutigen Momenten | |
| fordert Kanzler Friedrich Merz den israelischen Premier Benjamin Netanjahu | |
| dazu auf, angesichts der von Israel inszenierten Hungersnot in Gaza | |
| Hilfslieferungen zu erlauben. Das macht in Jerusalem gewiss Eindruck. | |
| Die israelische Armee begeht Kriegsverbrechen. Sie hat Tausende von | |
| Unschuldigen getötet – und wird das jetzt mit noch mehr Feuerkraft, Bomben, | |
| Toten fortsetzen. Netanjahu hat den Waffenstillstand gebrochen. Das Ziel | |
| ist nicht mehr, die Hamas auszuradieren. Das Ziel ist, „Gaza vollständig zu | |
| zerstören“, so der rechtsradikale Finanzminister Bezalel Smotrich. Die | |
| Netanjahu-Regierung will den Palästinensern das Leben zur Hölle machen und | |
| Hunderttausende zur Flucht zwingen. Israel arbeitet unverblümt an einer | |
| ethnischen Säuberung. [2][Was muss noch passieren, ehe man im Kanzleramt | |
| begreift, dass es nicht mehr reicht, sich nur „besorgt“ wegen des Sterbens | |
| in Gaza zu zeigen]? | |
| Verpflichtet die NS-Geschichte wirklich dazu, wie es Steinmeier tat, | |
| Netanjahu lächelnd die Hand zu drücken und ihn, wie Merz es tun will, wider | |
| internationales Recht, nach Berlin einzuladen? Verpflichtet die | |
| NS-Geschichte dazu, in der EU alle Versuche zu bekämpfen, Israel sanft | |
| unter Druck zu setzen? Dazu, einer Armee Waffen zu liefern, die Verbrechen | |
| in einem mittlerweile illegitimen Krieg begeht, der die nächste | |
| Gewalteskalation wahrscheinlicher und alles schlimmer macht? | |
| ## Brüssel zeigt Netanjahu die Instrumente | |
| Israel ist dabei, sich von einem zionistischen in einen nationalreligiösen | |
| Staat zu verwandeln. Die oft beschworene Freundschaft mit Israel bedeutet | |
| nicht, diesen (selbst)zerstörerischen Trip mit mahnenden, aber verlässlich | |
| folgenlosen Worten zu begleiten. | |
| Denn dieser maßlose Krieg korrumpiert auch die militärisch weit überlegene | |
| Macht. Der Gazakrieg frisst sich wie Rost in die israelische Demokratie. Er | |
| brutalisiert die Gesellschaft. Eines der wenigen hoffnungsvollen Zeichen | |
| ist, dass sich Reservisten weigern, in Gaza zu kämpfen – zu wenige, aber | |
| immerhin. Es ist ein Indiz, dass es in der vor lauter Gewalt taumelnden | |
| Gesellschaft noch moralische Ressourcen gibt. | |
| Freundschaft bedeutet angesichts dieses blutigen Desasters, mit Augenmaß | |
| Druck aufzubauen. Es bewegt sich etwas im Westen – spät und langsam. Europa | |
| ist Israels wichtigster Handelspartner, die EU will nun das | |
| Assoziierungsabkommen überprüfen. Brüssel zeigt Netanjahu damit die | |
| Instrumente. Auch wenn offen ist, ob sie zum Einsatz kommen. Dies ist mehr | |
| als der unverbindliche Appell in Richtung Israel, auf den man sich in | |
| Berlin verständigt hat – es ist eine Drohung. [3][Auch Frankreich, | |
| Großbritannien und Kanada stellen, ähnlich wie die EU, Taten in Aussicht.] | |
| Wenn Israel den „völlig unverhältnismäßigen“ Krieg in Gaza nicht stoppe, | |
| werde man zu „gezielten Sanktionen“ greifen. Sogar der britische Premier | |
| Keir Starmer hat das unterschrieben. Merz nicht. | |
| Berlin hat die Wahl: Wenn Israel den Krieg mit Hunger und Bomben fortsetzt, | |
| dann kann, dann muss auch die Bundesregierung eindeutig reagieren. Also | |
| keine Waffenlieferungen mehr, kein privilegierter Handel mit der EU, | |
| Anerkennung Palästinas. Damit würde man der demokratischen Opposition in | |
| Israel signalisieren: Wir unterstützen euch. Womöglich könnte dies sogar | |
| den Kräften in der Netanjahu-Regierung, die nicht rechtsextrem sind, | |
| innenpolitisch eine Brücke bauen: Man hätte den Krieg ja fortgesetzt, aber | |
| leider waren die internationalen Kosten zu hoch. | |
| Sanktionen sind kein Zauberstab. Aber in diesem Fall sind konditionierte | |
| Drohungen weit erfolgversprechender als die achselzuckende Ratlosigkeit, | |
| die lauen Appelle, die müden Verweise auf die deutsche Staatsräson. Die | |
| Alternative ist, dass Merz an der Seite der „Lichtgestalten“ Donald Trump, | |
| Viktor Orbán und Javier Milei zur schrumpfenden Schar der bedingungslosen | |
| Unterstützer Israels zählt. Wenn das die Conclusio der | |
| Vergangenheitsbewältigung ist, auf die man hierzulande so stolz ist – dann | |
| ist etwas fundamental falsch gelaufen. | |
| 24 May 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Krieg-im-Gazastreifen/!6086163 | |
| [2] /Alena-Jabarine-ueber-Nahost-Debatte/!6086198 | |
| [3] /Friedrich-Merz-und-Israel/!6086097 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
| ## TAGS | |
| Friedrich Merz | |
| Benjamin Netanjahu | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Bundesregierung | |
| Frank-Walter Steinmeier | |
| GNS | |
| Sanktionen | |
| Friedrich Merz | |
| Rüstungsexporte | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Antisemitismus | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Palästinenser | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Jemen | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Nahostpolitik unter Merz: Die Wischiwaschi-Israelpolitik der Ampel setzt sich f… | |
| Friedrich Merz schlägt als Bundeskanzler deutlich kritischere Töne gegen | |
| Israel an. Zu einem Waffenembargo mag er sich dennoch nicht durchringen. | |
| Rüstungsexporte nach Israel: Eine lange Liste an Lieferungen | |
| Deutschland hat seit dem 7. Oktober Waffenexporte im Wert von 485 Millionen | |
| Euro nach Israel genehmigt. Die Ausfuhren betreffen fast alle Gattungen. | |
| Waffenlieferung an Israel: Macht sich Deutschland mitschuldig? | |
| Trotz Kriegsverbrechen in Gaza liefert Deutschland weiter Waffen an Israel. | |
| Dafür könnte Kanzler Merz angeklagt werden. | |
| Streit um Antisemitismus-Definition: Scharfe Kritik an den Rechercheuren | |
| Die Nichtregierungsorganisation RIAS will Antisemitismus bekämpfen. Eine | |
| Studie wirft ihr nun fehlende Transparenz und diffuse Begrifflichkeiten | |
| vor. | |
| Sonderbeauftragter für Recht auf Nahrung: „Die UNO ist an der Grenze bereit.… | |
| Israel zählte schon vor dem 7. Oktober die Kalorien, die nach Gaza gelassen | |
| wurden, sagt Michael Fakhri. Ein Gespräch über den Hunger als Waffe. | |
| Siedlergewalt im Westjordanland: Brennende Autos, verängstigte Menschen | |
| Immer häufiger greifen Siedler palästinensische Orte im Westjordanland an, | |
| nun ist das Dorf Brukin betroffen. Derweil erhöht Israel die Truppenpräsenz | |
| in Gaza. | |
| +++ Nachrichten im Nahost-Konflikt +++: Massive Angriffe von Siedlern im Westjo… | |
| Am Wochenende greifen extremistische jüdische Siedler mehrere Dörfer an. In | |
| Gaza halten derweil die Angriffe an, laut Zivilschutz starben dabei auch | |
| neun Kinder. | |
| Alena Jabarine über Nahost-Debatte: „Auch in Deutschland ist Veränderung m�… | |
| Die Deutsch-Palästinenserin Alena Jabarine hat ein Buch über ihre Zeit in | |
| Ramallah geschrieben. Sie kritisiert die eingeengte Debattenkultur in | |
| Deutschland. | |
| Krieg im Gazastreifen: Netanjahu fordert Vertreibung der Palästinenser | |
| Israels Premier macht die „Umsiedlung“ der Palästinenser zur Bedingung für | |
| ein Ende des Krieges. Mitglieder seiner Regierung fordern dies schon lange. | |
| +++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Hilfsgüter in Gaza angekommen | |
| Israel hob kürzlich seine mehrmonatige Blockade humanitärer Hilfsgüter auf. | |
| Laut Rotem Kreuz wurde Menschen in Gaza nun Essen und Medizin gebracht. |