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# taz.de -- Waffenlieferung an Israel: Macht sich Deutschland mitschuldig?
> Trotz Kriegsverbrechen in Gaza liefert Deutschland weiter Waffen an
> Israel. Dafür könnte Kanzler Merz angeklagt werden.
Bild: Berlin, 28. Mai: Kundgebeung von in gaza tätigen Hilfsorganisationen vor…
Berlin taz | Vierhundert Menschen stehen am Dienstagabend vor dem
Auswärtigen Amt. Sie rufen „Stop arming Israel!“, „Free Palestine!“ und
„Not in our name!“ Viele tragen Kufiyas, auch einige Kippas sind zu sehen.
Etwa die Hälfte der Teilnehmer sind Israelis, sagt Yehudit Yinhar, die den
Protest mit organisiert hat. Sie gehört zur Gruppe „Israelis for Peace“.
[1][Deren Mitglieder protestieren seit anderthalb Jahren gegen die
Kriegsführung ihres eigenen Landes] in Gaza und Deutschlands Unterstützung
dabei. Mit ihnen demonstrierten am Dienstag ähnliche Gruppen in neun
weiteren Städten Europas, von Barcelona über London bis Kopenhagen.
Heute seien deutlich mehr Menschen da als sonst, so Yinhar. Das liegt auch
daran, dass in die Diskussion um deutsche Waffenlieferungen nach Israel
Bewegung zu kommen scheint. Am Montag [2][kritisierte Bundeskanzler
Friedrich Merz, CDU, die israelische Regierung am erstmals scharf und in
aller Öffentlichkeit.] „Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu
nehmen, wie das in den letzten Tagen immer mehr der Fall gewesen ist, lässt
sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen“,
sagte er. Wenn das humanitäre Völkerrecht „jetzt wirklich verletzt wird“
müsse auch der deutsche Bundeskanzler etwas dazu sagen, befand er.
Auch Außenminister Johann Wadephul, ebenfalls CDU, fand am Montag
ungewöhnlich klare Worte: Eine Vertreibung aus dem Gazastreifen und eine
Politik des Aushungerns dürfe es nicht geben. „Niemand sagt, dass die
jetzige Situation akzeptabel ist und länger hingenommen werden könnte. Auch
Deutschland nicht“, so der Außenminister.
Bisher hatte sich Deutschland mit Kritik an Israels Kriegsführung extrem
zurückgehalten und [3][das Vorgehen der israelischen Armee unterstützt],
auch mit Waffen. Im vergangenen Jahr genehmigte die Ampel-Regierung noch
Rüstungsexporte nach Israel im Wert von 161 Millionen Euro, in den ersten
drei Monaten diesen Jahres im Wert von 28 Millionen Euro.
## Strenge Bedingungen für Waffenlieferungen
Könnte aus der verschärften Rhetorik des Kanzlers und des Außenministers
ein Stopp der Waffenlieferungen nach Israel folgen? Entscheiden kann das
einzig der Bundessicherheitsrat, ein geheim tagender Ausschuss mehrerer
Minister unter der Leitung des Kanzlers. Alle Waffenexporte in andere
Länder müssen von ihm abgesegnet werden. Aber dafür gibt es Bedingungen:
Wenn das Risiko überwiegt, dass mit den Waffen schwere Verstöße gegen das
humanitäre Völkerrecht begangen werden, dürfen keine Genehmigungen zur
Ausfuhr erteilt werden. Dem hat sich Deutschland nach internationalem Recht
verpflichtet. Doch vieles deutet im Fall von Israel darauf hin, dass das
geschieht.
„Die Beweislage ist erdrückend: Zahlreiche internationale Gerichte,
UN-Organe und Menschenrechtsorganisationen kommen zu dem Schluss, dass
Israel im Gazastreifen systematisch gegen das humanitäre Völkerrecht
verstößt – unter anderem durch [4][Angriffe auf Zivilisten und zivile
Infrastruktur, die Kriegsverbrechen darstellen]“ sagt Alexander Schwarz,
Jurist und Mitglied des European Center for Constitutional and Human Rights
(ECCHR). „Ich bin mit solchen Einschätzungen in der Regel sehr vorsichtig –
aber in diesem Fall ist die Lage an Eindeutigkeit kaum zu überbieten“, so
Schwarz weiter.
## „Deutschland macht sich mitschuldig“
Bundeskanzler Merz sagte am Montag, wenn das humanitäre Völkerrecht
verletzt werde, müsse auch der deutsche Bundeskanzler dazu etwas sagen.
Nach internationalem Recht muss er vor allem etwas tun: Die
Waffenlieferungen stoppen. „Israel begeht Kriegsverbrechen. Die
Bundesregierung weiß davon und liefert trotzdem Waffen, die für die
Durchführung ebendieser Kriegsverbrechen genutzt werden“, so Schwarz.
[5][Deutschlands Rüstungsunternehmen seien exklusive Lieferanten für
bestimmte Getriebeteile des Merkava-Panzer, der nachweislich in Gaza zum
Einsatz komme]. „Deutschland macht sich mitschuldig“, so der Rechtsanwalt.
Mit dem [6][ECCHR klagt er vor Verwaltungsgerichten in Deutschland] im
Namen mehrerer palästinensischer Mandaten in Gaza, um einen sofortigen
Stopp der Waffenlieferungen nach Israel zu erreichen. „Viele unserer
Mandanten haben fast ihre gesamten Familien verloren und wir müssen täglich
damit rechnen, dass auch sie selbst nicht überleben“ so Schwarz. In den
Klagen beruft sich das ECCHR auf ihr Recht auf Leben, das durch
Deutschlands Handlungen konkret gefährdet werde.
## Merz könnte sich strafbar machen, wenn weiter Waffen geliefert werden
Neben den fatalen Folgen für die Menschen in Gaza könnten anhaltende
Waffenlieferungen aus Deutschland nach Israel auch direkte, strafrechtliche
Konsequenzen für Kanzler Merz und den Rest des Sicherheitsrates haben.
„Politiker können sich individuell wegen Beihilfe zu völkerrechtlichen
Verbrechen strafbar machen“, so Schwarz. Dies gelte insbesondere für
Beamte, die als Mitglieder des Bundessicherheitsrats über Rüstungsexporte
entscheiden. Ob sie sich strafbar machen hänge davon ab, ob sie ihren
Pflichten zur Risikobewertung nachkommen und welche subjektive Kenntnis sie
haben. „Wenn sie etwa eine Risikoabwägung unterlassen oder
Völkerrechtsverstöße billigend in Kauf genommen und trotzdem
Waffenlieferungen genehmigt haben“, so Alexander Schwarz. Organisationen
wie das ECCHR können bei einem solchen Verdacht Strafanzeigen gegen die
verantwortlichen Politiker stellen, die Bundesanwaltschaft müsste gegen sie
ermitteln.
Es ist denkbar, dass Merz auch deswegen als Regierungschef andere Töne
anschlägt. Als Oppositionsführer hatte er noch lautstark Waffenlieferungen
nach Israel gefordert – aber damals hätte er auch nicht für sie belangt
werden können. Jetzt sitzt er am Hebel.
## Viele fordern ein Stopp von Waffenexporten nach Israel
Ob die Waffenexporte gestoppt werden ist bisher unklar. Die Regierung hat
ihre Rhetorik verschärft, aber bisher nichts dergleichen angekündigt.
Vielmehr verteidigte Wadephul deutsche Waffenlieferungen nach Israel noch
am Montag wie gewohnt mit einem Verweis auf Deutschland besondere
Verpflichtung für Israels Sicherheit, der Staatsraison. „Wir nehmen die
Worte in der Politik wahr“, so Yehudit Yinhar von den Israelis for Peace.
„Und wir fordern, dass daraus Taten folgen. Aber wir machen uns da keine
großen Hoffnungen.“
Doch die Forderung, Waffenexporte nach Israel zu stoppen, erheben nicht nur
die Protestierenden vor dem Auswärtigen Amt. Sie kommt mittlerweile aus
weiten Teilen der Gesellschaft und auch vermehrt aus der Politik. Laut
einer Civey-Umfrage für den Tagesspiegel hält jeder zweite Deutsche die
Lieferungen mittlerweile für falsch. [7][Zuletzt forderten auch einzelne
Bundestagsabgeordnete der SPD], dem Koalitionspartner der Union,
Waffenlieferungen nach Israel zu stoppen.
28 May 2025
## LINKS
[1] /Aktivist-ueber-Loesung-im-Nahost-Krieg/!6007909
[2] /Israels-Krieg-in-Gaza/!6087144
[3] /Friedrich-Merz-und-Israel/!6086097
[4] /IStGH-erlaesst-Haftbefehl-gegen-Netanjahu/!6048927
[5] /Studie-zu-Waffenexporten/!6002667
[6] /Deutsche-Waffenlieferungen-an-Israel/!6005563
[7] /Schwarz-Rot-zu-Nahost/!6090601
## AUTOREN
Alice von Lenthe
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