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# taz.de -- Neues Buch über Friedrich Merz: Der Kanzler, ein Mann der Mitte?
> In ihrem neuen Buch nähert sich die Zeit-Journalistin Mariam Lau dem
> deutschen Regierungschef über die Fragen, die sie interessieren.
> Lesenswert!
Bild: Brilon, 19. Januar 2025: Wahlkampfveranstaltung der CDU mit dem Kanzlerka…
Berlin taz | Es dauert nicht lange, bis sich auf dem Podium zeigt, was auch
im Buch beschrieben wird: Dass es die Liberalen in der CDU sind, die
Friedrich Merz so lange bekämpften und ihn jetzt verteidigen. Und die
Konservativen, die so viele Hoffnungen auf ihn projizierten, die ihn jetzt
kritisieren – und auch mit ihm hadern. Der Ullstein-Verlag hat am späten
Mittwochvormittag zwei recht unterschiedliche Christdemokraten in ihren
schönen Musiksaal in Berlin-Mitte geladen, um das Buch der
Zeit-Journalistin Mariam Lau mit dem schlichten Titel „Merz“ zu
präsentieren.
Daniel Günther, Ministerpräsident aus Schleswig-Holstein, gehört zum
liberalen Flügel der Partei, der Historiker Andreas Rödder zum
konservativen. Rödder hat gemeinsam mit der ehemaligen Familienministerin
Kristina Schröder die Denkfabrik R21 gegründet, die gerne über Wokeness und
die Probleme der Migration debattiert und versucht, die CDU weiter nach
rechts zu verschieben.
„Ich fühle mich von Friedrich Merz in ganz vielem, was er tut, vertreten“,
sagt Günther. Es sei diesem erstaunlich gut gelungen, die unterschiedlichen
Flügel der Partei zu adressieren. Das Gespräch ist schnell bei der
Frauenquote, die die CDU nach langem Kampf unter Merz endlich eingeführt
hat und die Rödder gar nicht gefällt.
Das ist bemerkenswert an einem Tag, an dem [1][der ukrainische Präsident
Wolodymyr Selensky]j zu Besuch im Kanzleramt erwartet wird und am Abend
[2][der Koalitionsausschuss zum ersten Mal] tagt. Aber aus Sicht der
Konservativen und Wirtschaftsliberalen, die so lange für Merz als
Parteichef kämpften, war dessen Entscheidung, dann die Einführung der Quote
zu unterstützen, eben so etwas wie ein Sündenfall. Günther dagegen spricht
bei der Quote von einem „großartigen Schritt“.
## Problem mit Frauen?
Wie weit der Weg zur Parität in der CDU noch ist, zeigt die Zusammensetzung
der Personen, die am frühen Abend ins Kanzleramt kommen werden: Die Union
hat den Koalitionsausschuss ausschließlich mit Männern bestückt. Merz sei
nicht der Klischee-Macho, als der er manchmal beschrieben werde, sagt Lau.
Aber es störe ihn eben auch nicht, wenn er in einer reinen Männerrunde
sitze – und vielleicht falle ihm das noch nicht einmal auf. Ob Merz ein
Problem mit Frauen hat, ist eine Frage, die sie in ihrem Buch zu
beantworten sucht.
Überhaupt ist das Buch mit dem Untertitel „Aus der Suche nach der
verlorenen Mitte“ keine Biographie. Lau nähert sich dem Kanzler in zwölf
Kapiteln aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Der Verlag spricht von
einem „Panorama verschiedener Deep Dives“, die Autorin selbst schreibt:
„Ich bin ohne Rücksicht auf Chronologie oder Vollständigkeit den Fragen
nachgegangen, die mich rund um Friedrich Merz interessieren.“
Und in der Tat sind es die interessanten Fragen, die Lau da stellt: Ist
Merz ein Konservativer? Wie ist es um sein Verhältnis zu Angela Merkel und
der CDU im Osten bestellt? Was bedeutet für ihn die deutsche Staatsräson?
Was Europa? Was Donald Trump? Ein ganzes Kapitel widmet sie der
„schwarz-blauen Höllenwoche“, wie sie jene Tage Ende Januar nennt, als die
Union im Bundestag [3][gemeinsam mit der AfD] einen Antrag über
Migrationsverschärfungen durch den Bundestag brachte.
## Bürgermeister von Brilon
„Friedrich Merz opferte in dieser Woche die kostbarste Ressource, die ein
Konservativer hat – sein Ehrenwort“, schreibt Lau. Und es geht auch, ganz
zu Beginn, um das Verhältnis zu seinem Großvater, der in seiner
sauerländischen Heimatstadt Brilon Bürgermeister und ein Nazi war; die taz
hat ausführlich darüber berichtet.
Lau nähert sich Merz mit offenem Blick, man merkt, dass sie allein schon um
der Demokratie halber will, dass er als Kanzler erfolgreich ist. Die
Distanz zu ihm aber verliert sie nie. Man muss nicht alle ihrer
Interpretationen teilen, aber Laus Buch ist das beste, was bislang über
Merz erschienen ist: gut informiert, analytisch und dazu unterhaltsam
geschrieben.
## Er war pragmatisch
In ihrem Fazit zieht Lau einen interessanten Vergleich. Wenn man überlege,
an welchen konservativen Politiker Merz einen erinnere, lande man bei
Ronald Reagan. „He was a true conservative“, so zitiert sie Reagans
Biografen Max Boot, „but boy, he was pragmatic“. Wieder und wieder habe
Reagan sein Misstrauen gegen den Staat und die überbordende Bürokratie zum
Ausdruck gebracht, aber die Staatsausgaben seien unter ihm in die Höhe
geschossen. Er habe Abtreibung als Mord bezeichnet, aber zu ihrer
Legalisierung beigetragen. „Niemand konnte sich je einen endgültigen Reim
auf Ronald Reagan machen – und so könnte es mit Friedrich Merz auch sein.“
Die Moderatorin, Spiegel-Vizechefin Melanie Amann, will immerhin irgendwann
mit Blick auf Merz' zahlreiche Richtungswechsel in den vergangenen Wochen
wissen, ob dieser sich als Kanzler nun inhaltlich neu ausrichte oder
einfach noch nicht trittsicher sei. „Noch nicht ganz trittsicher“,
antwortet Historiker Rödder sofort. Günther dagegen wirbt um Verständnis,
Merz sei gerade einmal drei Wochen im Amt und habe bereits „unfassbar viele
wichtige Akzente gesetzt“.
Er habe den Schritt vom Oppositionsführer zum Kanzler noch nicht ganz
gemacht, sagt Lau. Und: In pessimistischen Momenten denke sie manchmal,
vielleicht sei Merz nun da, wo er immer hingewollt habe, im Kanzleramt und
auf der internationalen Bühne – „und jetzt kommt eine Menge Maulheldentum�…
Aber sie hoffe, dass die Zukunft ihr nicht recht gebe.
29 May 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Sabine am Orde
## TAGS
Kanzler Merz
Biographie
Politikerkarrieren
Politiker
GNS
Neue Bundesregierung
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Sprache
Wolodymyr Selenskij
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