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# taz.de -- Zukunft der Entwicklungszusammenarbeit: „Deutschland ist auf Part…
> Nachhaltigkeitsforscherin Anna-Katharina Hornidge warnt vor einer Kürzung
> von Entwicklungsmitteln. Den Erhalt des BMZ begrüßt sie.
Bild: Im Kongo sind viele Menschen auf Impfstoffe aus dem Westen angewiesen. Me…
Taz: Frau Hornidge, die USA wickeln die Entwicklungszusammenarbeit und die
zuständige Behörde USAID ab. Lässt der reiche Westen den armen Süden
allein?
Anna-Katharina Hornidge: Was die USA machen, ist katastrophal. [1][Die
Abwicklung von USAID] trifft besonders die Gesundheitssysteme in
Subsahara-Afrika, die bis zu 90 Prozent durch USAID finanziert sind. Es
trifft auch zahlreiche Flüchtlingslager in der Region.
Taz: Die USA waren bislang der mit Abstand größte Geber von
Entwicklungszusammenarbeit weltweit. Kann das überhaupt kompensiert werden?
Hornidge: Deutschland allein kann das nicht kompensieren. Aber es wäre
jetzt wichtig, bei uns Konsens zu erreichen, dass, nur weil andere sich
zurückziehen, Deutschland das nicht auch tun sollte. Wir sind eine
Zivilmacht, eine liberale Demokratie im Herzen Europas, eine
Wirtschaftsmacht und vor allen Dingen auch eine Exportmacht. Deutschland
braucht vertrauensvolle und verlässliche Partnerschaften. Und diese
Partnerschaften sind nur glaubwürdig, wenn Allianzen nicht nur auf
Eigeninteressen basieren, sondern immer auch die Interessen der Partner und
damit auch das Solidaritätsprinzip gleichermaßen eine Rolle spielen.
Taz: Kann Deutschland die Abkehr der USA in der Entwicklungszusammenarbeit
für neue Partnerschaften nutzen?
Hornidge: Deutschland sollte in Absprache mit europäischen Partnern
versuchen, die Lücke zu füllen, und in bestimmten Bereichen mehr Geld zur
Verfügung stellen.
Taz: Zum Beispiel?
Hornidge: Zum einen im gemeinsamen Kampf gegen globale Herausforderungen
wie Klima- und Biodiversitätskrise, in der Prävention von weiteren
Gesundheitskrisen und im Auffangen von Schuldenkrisen. Dies bedeutet auch,
dass der gemeinsame Umbau von Energie-, Transport- und Ernährungssystemen
strukturell vorangetrieben und finanziert werden sollte. Und zum anderen
dort, wo die Not der Menschen besonders drängt. Dies umfasst die Nothilfe,
wie zum Beispiel aktuell [2][zur Unterstützung der Menschen in Myanmar,]
wie auch Flüchtlingslager beispielsweise in Subsahara-Afrika. Es ist
wichtig, zum einen die mittel- und langfristige Stabilisierung und
nachhaltige Ausgestaltung unserer Systeme sicherzustellen und zum anderen
kurzfristig unterstützen zu können. Die aktuellen geopolitischen
Verschiebungen machen dies noch wichtiger. Denn, wer füllt denn sonst die
Lücke?
Taz: Ja, wer?
Hornidge: In Subsahara-Afrika sind das unter anderem Russland und China.
Taz: Aber auch bei uns tobt die Debatte, ob es wirklich so sinnvoll ist,
Schulen im Sahel oder Radwege in Peru zu finanzieren, wo doch das Geld in
Deutschland fehlt?
Hornidge: Für Europa wäre es im eigenen Interesse unheimlich wichtig –
Stichwort Sicherheitspolitik, Migrationspolitik, Handels- und
Außenwirtschaftspolitik – wenn es gute Beziehungen zu seinen
Nachbarregionen pflegt und wenn wir diese beim Aufbau von Bildungs- und
Gesundheitssystemen unterstützen. Wir sehen momentan am Beispiel der
Ukraine, wie wichtig starke und stabile Nachbarschaften sind, die uns
zugewandt sind.
Taz: Union und SPD wollen laut Koalitionsvertrag öffentliche Mittel für
Entwicklungsleistungen (ODA) kürzen, die Rede ist von einem „angemessenen
Absenken der ODA-Quote“.
Hornidge: Das kann sich auch auf die Berechnung beziehen. Jetzt kommt nur
die Hälfte der sogenannten ODA-Mittel im BMZ für Entwicklungszusammenarbeit
an, die andere Hälfte wird angerechnet für Flüchtlingskosten und für
ausländische Studierende in den Bundesländern. Absenken bedeutet also noch
nicht unbedingt, die Mittel für die Kooperation mit Partnerländern zu
kürzen. Für die internationale Zusammenarbeit und
Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands ist wiederum gerade vor dem
Hintergrund der globalen und geopolitischen Herausforderungen eine
angemessene finanzielle Ausstattung nötig. Eine Finanzierung von 0,7
Prozent des Bruttoinlandsproduktes ist das Minimum.
Taz: Außerdem will Schwarz-Rot die Entwicklungszusammenarbeit stärker an
Bedingungen knüpfen. Ist das nicht das Gegenteil von Augenhöhe?
Hornidge: Friedrich Merz hatte ja vor der Bundestagswahl seine
Vorstellungen in Bezug auf Entwicklungszusammenarbeit skizziert. Ich konnte
dem eine stark wirtschaftsorientierte Perspektive, gestützt von vermehrt
transaktionalen Ansätzen, entnehmen. Im Koalitionsvertrag findet sich nun
ein längerer Abschnitt zur Kopplung von Entwicklungszusammenarbeit mit der
Kooperationsbereitschaft von Partnerländern im Bereich irreguläre
Migration. Dabei wissen wir, dass Partnerschaften, die auch in Krisen
tragfähig sind, nicht rein transaktional gestaltet sind. Auch muss sich
Deutschland fragen, ob es seine Kooperation mit für die deutsche Wirtschaft
wichtigen Partnerländern wirklich einstellt, wenn in der Bekämpfung von
irregulärer Migration die erhofften Fortschritte auf sich warten lassen.
Taz: Sehen Sie die Gefahr, dass die Entwicklungspolitik künftig dem Prinzip
Deutschland first folgt?
Hornidge: Ich sehe diese Gefahr in den momentan laufenden Diskussionen, ja.
Gleichzeitig bin ich auch zuversichtlich, dass im Endeffekt das Wissen,
dass Deutschland Allianzen und Partner benötigt, überwiegt.
taz: Eine weitere Möglichkeit, Geld einzusparen, wäre die Auflösung des
Entwicklungsministeriums und die Eingliederung ins Auswärtige Amt gewesen,
wie von der Union gefordert. Nun bleibt es ein eigenständiges Ministerium.
Ist das gut?
Hornidge: Ja, das ist sehr gut. Besonders in der momentanen Weltlage
braucht Deutschland ein zentrales Kooperationsministerium, dass sich für
die partnerschaftliche Sicherstellung einer nachhaltigen Zukunft einsetzt.
taz: Was hätte gegen eine Zusammenlegung mit dem Auswärtigen Amt
gesprochen?
Hornidge: Solche Zusammenlegungen gab es bereits in anderen Ländern. Wir
haben uns das in Großbritannien, Kanada, Australien genauer angesehen.
Gerade Großbritanniens globale Meinungsführerschaft hat sehr gelitten. Erst
ging substantielle Expertise verloren, Fachkräfte haben den Bereich
verlassen. Sukzessive hat aber auch das vermehrte Arbeiten mit
profitorientierten Beratungsunternehmen statt der vorher staatlich
finanzierten und organisierten Entwicklungszusammenarbeit das Vertrauen der
Partner in Großbritannien sehr geschwächt.
taz: Plädieren Sie für eine Stärkung des Entwicklungsministeriums?
Hornidge: Ich plädiere für den entschiedenen Ausbau, für Kohärenz und
strategische Aufstellung der deutschen Kooperationspolitik für nachhaltige
Entwicklung. Dies umfasst die Entwicklungs-, Außen- und internationale
Umweltpolitik, Außenwirtschafts- und Handelspolitik. Deutschland liegt in
einer Weltregion von vielen kleinen Ländern und tut gut daran zu
akzeptieren, dass es im internationalen Vergleich auch eines der kleinen
Länder ist. Für seinen Reichtum ist es auf Allianzen mit Ländern aller
Einkommensgruppen und auf allen Kontinenten angewiesen. Insofern gilt ganz
klar: die Außenstrukturen Deutschlands und Europas stärken.
10 Apr 2025
## LINKS
[1] /Entwicklungshilfe-in-den-USA/!6075098
[2] /Erdbeben-in-Myanmar-und-Thailand/!6076234
## AUTOREN
Anna Lehmann
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