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# taz.de -- Ministerium als Sparkandidat: Das droht der Entwicklungspolitik nac…
> Einige Parteien wollen das Entwicklungsministerium abschaffen oder ins
> Auswärtige Amt eingliedern. Expert*innen halten das für keine gute
> Idee.
Bild: Erdnüsse ernten: ein Projekt der Welthungerhilfe im Kongo
BERLIN taz | Wie lange wird es das Entwicklungsministerium nach der
Bundestagswahl noch geben? Von der FDP kommt stets die Forderung, das
Entwicklungsministerium (BMZ) abzuschaffen. In diesem Wahlkampf wird sie
unterstützt von der AfD, die dazu noch im Januar [1][einen Antrag in den
Bundestag einbrachte]. Der Aufgabenbereich soll demnach an das Auswärtige
Amt übertragen werden. Laut Antrag sollen Gelder außerdem um 70 Prozent
gegenüber dem Vorjahr gekürzt werden. Und: Auch die Union erklärt im
Wahlprogramm, humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit
zusammenzuführen.
Unter welchem Haus die beiden Felder geeint werden sollen, wollte
Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) bislang nicht sagen. Klar ist
jedoch, dass nationale Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen bei der Union
im Vordergrund stehen. Entwicklungspolitik soll deutsche Unternehmen mehr
fördern und noch stärker an Bedingungen, etwa die Rücknahme Geflüchteter
gekoppelt werden. SPD, Grüne und Linke wollen das BMZ als eigenständiges
Ministerium erhalten. Sie betonen neben geoökonomischen und
Sicherheitsinteressen auch Aspekte globaler sozialer Gerechtigkeit.
Ein Vorteil von Entwicklungszusammenarbeit sei, dass sie Investitionen in
langfristige Strukturen mit Partnerländern ermögliche, „auch dort wo das
Eigeninteresse nicht immer im Vorrang hat“, sagt Stephan Klingebiel, der zu
Wirksamkeit von Entwicklungspolitik am Deutschen Institut für Entwicklung
und Nachhaltigkeit in Bonn (IDOS) forscht. Die Außenpolitik verfolge
hingegen stärker kurzfristige nationale Interessen und ist zudem auf
staatliche Beziehungen angewiesen.
Entwicklungspolitik ermögliche es „jenseits bilateraler Beziehungen
langfristig, mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren zu kooperieren.
Das ist gerade angesichts einer Zunahme von autokratischen Systemen in der
Welt wichtig“, sagt Klingebiel weiter und spricht sich daher für ein
eigenständiges Entwicklungsministerium aus.
## „Wichtige Stimme für Menschenrechte am Kabinettstisch“
Auch die Hilfsorganisation Welthungerhilfe, die in ihrer Arbeit mit beiden
Ministerien zu tun hat, argumentiert für den Erhalt eines eigenständigen
Entwicklungsministeriums. „Das Ministerium ist ein starkes und
erfolgreiches Instrument für das internationale Engagement unseres Landes“,
sagt Sprecherin Simone Pott. Sie weist außerdem daraufhin, das mit einem
eigenständigen BMZ „eine wichtige Stimme für Menschenrechte am
Kabinettstisch sitzt“. Anders als die anderen Ministerien bringt das BMZ
auch die Perspektiven von Partnern im Globalen Süden ein.
Hauptargument für die Neuaufteilung der Ressorts ist es, die Politik
einheitlicher und damit effizienter zu machen. Derzeit überschneiden sich
einige Bereiche des Außen- und Entwicklungsministeriums, vor allem in der
Reaktion auf Krisen, also strukturelle Hilfen, Wiederaufbau und Prävention.
Auch in anderen Beriechen gibt es Überschneidungen, so kommen die meisten
Gelder für internationale Klimafinanzierung, also für die Reduzierung von
Emissionen und Anpassung an klimatische Veränderungen vom BMZ. Teile davon
aber auch vom Wirtschafts- und Umweltministerium.
Auf den ersten Blick ist die Argumentation naheliegend. Eine
Zusammenführung von Außen- und Entwicklungspolitik unter einem Dach macht
eine einheitliche Strategie leichter, die gemeinsame Nutzung von
Infrastruktur und Auslandsvertretungen etwa könnte Einsparungen und mehr
Effizienz bringen. Und auch für lokale und internationale Partner ist es
leichter, einen Ansprechpartner zu haben und nicht verschiedene Ressorts.
Eine noch unveröffentlichte Analyse der gemeinnützigen Denkfabrik
[2][Kooperation Global] zeigt jedoch, dass die theoretischen Überlegungen
in der Praxis nicht standhalten und dass andere Möglichkeiten der besseren
Koordination „ähnliche Vorteile bei geringeren Risiken“ bieten.
Beispiel Großbritannien: Das Land hat 2020 sein Entwicklungsministerium ins
Außenministerium eingegliedert – dabei allerdings auch den Etat drastisch
gekürzt. Laut der Analyse von Kooperation Global verließen
entwicklungspolitische Experten das Haus, „komplexe Notsituationen wurden
weniger effektiv bewältigt und die Transparenz der Entwicklungsausgaben
sank deutlich“. Auch wurden die langfristigen entwicklungspolitischen Ziele
zugunsten kurzfristiger außenpolitischer Interessen vernachlässigt. Das
schwächte Partnerschaften, aber auch die britische Handlungsfähigkeit, so
die Denkfabrik. Ähnlich verlief es in Kanada und Australien.
## Koordination zwischen den Ministerien muss besser werden
Oft wird angeführt, dass die meisten Geberländer ihre Außen- und
Entwicklungspolitik in einem Ministerium angesiedelt haben. Auf der anderen
Seite gibt es gerade bei den Top-Gebern eine Teilung, also in den USA,
Deutschland, Japan, Frankreich und Schweden.
Die Autorinnen empfehlen, das BMZ als eigenständiges Ministerium zu
erhalten. Die Koordination zwischen den Ministerien könnte zum Beispiel im
Rahmen eines nationalen Sicherheitsrates verbessert werden. Eine weitere
Überlegung ist, die humanitäre Hilfe in das BMZ zurückzuführen, das „müs…
jedoch strategisch vorbereitet werden“, heißt es in der Analyse.
Die humanitäre Hilfe wurde 2011 unter FDP-Entwicklungsminister Dirk Niebel
ausgegliedert. Grundsätzlich haben die Felder allerdings auch
unterschiedliche Zielsetzungen. Humanitäre Nothilfe ist kurzfristig und
muss vom Grundsatz neutral sein. Entwicklungspolitik soll langfristig sein
und kann politische Ziele verfolgen.
Auch Jörg Faust betont die Notwendigkeit von besserer Koordination. Er ist
[3][Direktor des Deutschen Evaluierungsinstituts der
Entwicklungszusammenarbeit] (DEval). Sein Institut untersucht die Qualität
und Effizienz der deutschen Entwicklungspolitik. Die Problematik bei der
Abstimmung der verschiedenen Ressorts komme in den Evaluierungen von DEval
regelmäßig auf, sagt Faust. In der Auswertung des deutschen Einsatzes in
Afghanistan heißt es etwa eine gemeinsame Strategie vom Auswärtigen Amt,
Innen- und Entwicklungsministerium habe gefehlt.
„Zudem arbeiteten die Ministerien parallel und teilweise in Konkurrenz
zueinander, vor allem im Bereich der Stabilisierung“, so eine
Zusammenfassung des Berichts. Ähnlich war es beim zivilen Engagement im
Irak, aber auch im Bereich der internationalen Umwelt- und Klimapolitik.
„Eine Auflösung des Entwicklungsministeriums führt nicht nötiger weise zu
mehr Effizienz und Wirksamkeit“, sagt Faust. Vielmehr lautet die
Empfehlung: „Die Koordination muss besser werden“. Sie solle deutlich über
den Informationsaustausch hinausgehen und gemeinsame Strategien setzen. Das
haben bereits etablierte Instanzen, etwa der Austausch von
Staatssekretär*innen bislang nicht erreicht.
## Strukturelle Benachteiligung des Globalen Südens
Die Abschaffung von Entwicklungspolitik kommt in Deutschland meistens von
Rechts und verweist auf mehr Isolation oder den Vorrang von Ausgaben im
Inland. Sie ist aber auch eine alte Forderung, zahlreicher Autor*innen
aus dem Globalen Süden etwa. Sie sehen Entwicklungspolitik als Zementierung
kolonialer Machtstrukturen. Aram Ziai lehrt Entwicklungspolitik und
Postkoloniale Studien an der Universität Kassel.
Ziai sagte der taz, eine Abschaffung des BMZ wäre dann möglich, wenn
gleichzeitig auf die Durchsetzung anderer nationaler Interessen verzichtet
werde, etwa „Märkte im Süden aufbrechen im Sinne deutscher Unternehmen oder
Agrarsubventionen aufrechterhalten im Sinne deutscher
Landwirtschaftsunternehmen“. Entwicklungspolitik sei zwar bereits an
außenwirtschaftlichen oder geopolitischen Zielen ausgerichtet, beinhalte
aber als einziges Politikfeld zumindest teilweise eine Orientierung an
einem eher unorthodoxen nationalen Interesse, im Sinne von „wir müssen
globale Armut lindern, um nicht negativ von Krisen, Terrorismus und
Migration betroffen zu sein“.
22 Feb 2025
## LINKS
[1] https://dserver.bundestag.de/btd/20/144/2014478.pdf
[2] https://www.kooperationglobal.de/publikationen
[3] /Entwicklungsforscher-ueber-Wirksamkeit/!6015242
## AUTOREN
Leila van Rinsum
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Entwicklungspolitik
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