# taz.de -- Ugandischer Aktivist über Aus von USAID: „Es stehen Menschenlebe… | |
> Trumps Regierung hat die US-Entwicklungshilfeagentur USAID eingestellt. | |
> Was das für Marginalisierte in Uganda bedeutet, erklärt Aktivist Richard | |
> Lusimbo. | |
Bild: Durch die Einstellung der USAID-Hilfe könnte die Lage leicht außer Kont… | |
taz: Herr Lusimbo, wie haben Sie reagiert, als Sie von Donald Trumps | |
Entscheidung hörten, die US-Entwicklungsagentur USAID zu suspendieren und | |
die amerikanischen Entwicklungsgelder zu streichen? | |
Richard Lusimbo: Ich bin einfach eingefroren für einen Moment. Und als ich | |
dann aus dieser Schockstarre wieder erwachte, war meine erste Reaktion: „Oh | |
mein Gott, was für ein Chaos.“ Weil es einfach keine Zeit gab, sich darauf | |
vorzubereiten. Die Botschaft, die Trump damit aussendete, war ziemlich | |
klar, nämlich: „Wir machen, was wir wollen.“ Und ich denke, für mich war | |
genau das der wirklich beängstigende Faktor. | |
taz: Sie sind Gründer und Geschäftsführer von UKPC, der [1][Uganda Key | |
Populations Consortiums]. Das ist ein Dachverband für zahlreiche NGOs, die | |
mit Minderheiten arbeiten, die in Uganda sonst keinen einfachen Zugang zu | |
Gesundheitsversorgung haben. Warum haben Sie UKPC gegründet? | |
Lusimbo: Ich komme selbst aus der LGBTQI-Community und engagiere mich seit | |
20 Jahren für unsere Rechte. 2018 habe ich UKPC gegründet, weil ich einen | |
Studiengang in Öffentlicher Gesundheitsversorgung absolviert habe und mich | |
in diesem Bereich für Minderheiten einsetzen wollte. Sexarbeiter:innen | |
oder HIV-Positive sind in Uganda marginalisiert und stigmatisiert. Die | |
LGBTQI-Community ist zudem durch [2][das harsche | |
Anti-Homosexualitäts-Gesetz] kriminalisiert. Meine Idee war also, eine | |
Plattform zu schaffen für Projekte, die sich für diese Minderheiten | |
einsetzen. Damit sie Zugang zu Behandlungen oder auch Präventionsprogrammen | |
erhalten. Unter unserem Dachverband haben wir 127 Organisationen. Wir | |
koordinieren deren Aktivitäten, vor allem das Fundraising. | |
taz: Wie wichtig war für Ihre Mitgliedsorganisationen bislang die | |
Finanzhilfe von Seiten der US-Entwicklungsagentur USAID? | |
Lusimbo: Die war extrem signifikant. Wir sind wirklich darauf angewiesen, | |
weil es nämlich nicht so viele Spender in diesem Bereich gibt. Wir haben | |
mit diesen Geldern Zentren aufgebaut, die sichere Räume geschaffen haben, | |
in denen Patient:innen Zugang zu Dienstleistungen erhalten konnten, | |
weil sie eben nicht vom staatlichen Gesundheitsministerium, sondern von | |
unseren Mitglieds-NGOs betrieben wurden. All diese Zentren wurden von | |
US-Geldern finanziert. Und jetzt sind sie quasi komplett stillgelegt. Sie | |
können jetzt keine HIV-Medikamente und Kondome mehr ausgeben, oder andere | |
Präventionsbehandlungen durchführen. | |
taz: Welche Folgen kann das nach sich ziehen? | |
Lusimbo: Ich mache mir Sorgen, dass Menschen, die lebensrettende | |
HIV-Medikamente einnehmen, Gefahr laufen, an Aids zu erkranken oder schwach | |
zu werden und zu sterben. Außerdem werden die HIV-Infektionsraten steigen, | |
weil Leute keinen Zugang zu Präventionsangeboten haben, die wir in diesen | |
Zentren kostenlos zur Verfügung stellen. | |
taz: Die US-Administration hat aber doch angekündigt, dass gewisse | |
lebensrettende Maßnahmen, beispielsweise die HIV-Medikamente, von der | |
Suspendierung ausgenommen werden? | |
Lusimbo: Es gibt viel Verwirrung hinsichtlich dieser Ausnahmeregelungen. | |
Die Kommunikation der US-Regierung selbst ist komplett konfus. Aber was | |
konkret passiert, ist, dass unsere NGOs ihre Utensilien wie Kondome oder | |
Medikamente von größeren Partnerorganisationen erhalten. Was da in den | |
Warenlagern liegt, ist aber nicht genug, um 90 Tage zu überbrücken. Und | |
dann gab es auch Verwirrung darüber, was die Bereitstellung von | |
Dienstleistungen für die LGBTQI-Gemeinschaft oder Sexarbeiter angeht – ob | |
diese Betroffenen nun unter die Ausnahmeregelung fallen oder nicht. Zum | |
Beispiel wurde klar gesagt, dass HIV-Präventionsmedikamente, also die, die | |
HIV-Übertragung unterbinden, nur an Schwangere ausgegeben werden, um bei | |
der Geburt die Übertragung auf das Kind zu verhindern. Andere Menschen, | |
deren Ehegatten oder Sexpartner HIV-positiv sind, haben aber keinen Zugang | |
mehr dazu. Fakt ist, wenn ich mir all diese Regeln nun angucke: Die | |
LGBTQI-Community weltweit ist davon ausgenommen. | |
taz: Was bedeutet das denn letztlich im großen Ganzen? | |
Lusimbo: Die Trump-Regierung zeigt, dass sie kein Interesse daran hat, | |
LGBTQI und andere marginalisierte Gruppen zu schützen. Ich denke aber, dass | |
das etwas ist, was wir wirklich ansprechen und einfordern sollten. Sieht | |
man sich nämlich die Erklärungen auf hoher Ebene an, hat sich auch die | |
US-amerikanische Regierung in den UN-Global-Development Goals verpflichtet, | |
HIV und Aids bis 2030 auszumerzen. Das ist aber nicht zu schaffen, wenn | |
LGBTQI und andere marginalisierte Gemeinschaften außen vor bleiben. | |
taz: Was heißt das ganz konkret für Ihre Organisation? | |
Lusimbo: Nun, wir hatten einen Vertrag mit USAID. Dieser wurde uns genau | |
eine Woche nach der Entscheidung Trumps gekündigt: Wir bekamen ein Brief, | |
in dem steht, dass der ganze Vertrag sofort endet, fristlos. Dabei wurden | |
70 Prozent unseres Budgets von USAID bereitgestellt. Wir haben ein Team von | |
insgesamt 35 Angestellten und davon musste ich noch am selben Tag 28 | |
entlassen. Das bedeutet, dass 28 Familien von einem Tag auf den anderen | |
kein Einkommen mehr haben für Lebensmittel, für Schulgebühren… | |
taz: Mussten Sie dann auch direkt Programme schließen? | |
Lusimbo: 15 der Leute, die ich entlassen musste, arbeiteten in unserem | |
Notfallzentrum. Wir sind für die LGBTQI-Community in Uganda die wichtigste | |
Anlaufstation in Notfällen. Einige werden von ihren Familien oder | |
Vermietern rausgeworfen, dann können sie bei uns eine Weile unterkommen. | |
Wir haben monatlich zwischen 50 und 100 Fälle, wenn LGBTQI-Leute geschlagen | |
werden und medizinisch versorgt werden müssen. All diese Projekte mussten | |
wir direkt schließen, weil wir nun nicht mehr die Kapazitäten haben, weder | |
finanziell noch personell. | |
taz: Sie sind in Uganda bekannt als Kritiker des Gesundheitssystems und des | |
Missmanagements in dem Bereich. Welche Folgen wird das für das ganze Land | |
haben? | |
Lusimbo: Der gesamte Sektor ist im Moment eingefroren. Klar, wir hören | |
Regierungsbeamte sagen, dass alles in Ordnung sei, ganz nach dem Motto: | |
„Wir werden das schon regeln.“ Diese Leute sind wohl noch nicht in der | |
neuen Wirklichkeit aufgewacht. Rund 400 Millionen US-Dollar für | |
HIV-Programme sind weg. Geld für Malaria-Programme ist weg. Dasselbe gilt | |
für Tuberkulose, eine der häufigsten Todesursachen. Und wenn man sich die | |
Finanzierung von Seiten der USA ansieht, wurden damit auch die Gehälter | |
vieler Gesundheitsdienstleister bezahlt. Das bedeutet, dass im Moment | |
weniger Gesundheitspersonal zur Arbeit geht. Dies hat zur Folge, dass das | |
Leben vieler Menschen gefährdet ist, weil dann vielleicht in einem | |
Krankenhaus nur noch ein oder zwei Ärzte Dienst haben – aber genauso viele | |
Patienten wie vorher behandeln müssen. | |
taz: Hat das Gesundheitsministerium darauf reagiert und Maßnahmen | |
angekündigt? | |
Lusimbo: Das Gesundheitsministerium hat vor ein paar Tagen ein | |
Rundschreiben herausgegeben, in dem es heißt, dass es eine Integration | |
geben wird: indem unsere HIV-Dienste in den Mainstream-Sektor verschoben | |
werden. Aber unsere Antwort darauf ist klar: Man verschiebt nicht einfach | |
Dinge, die aus einem bestimmten Grund so strukturiert waren. Es gibt | |
nämlich Probleme mit Stigmatisierung und Diskriminierung in den normalen | |
Krankenhäusern. Das ist die Art von Chaos, mit der wir es zu tun haben. Was | |
wir bislang nicht sehen, ist, dass das Gesundheitsministerium beim | |
Parlament einen Antrag auf ein Nachtragsbudget stellt, das nun im laufenden | |
Haushaltsjahr noch bewilligt wird, um die Finanzlücken zu schließen. In | |
dieser Hinsicht reagiert die Regierung extrem langsam. Dabei stehen doch | |
jetzt Menschenleben auf dem Spiel. | |
taz: Ugandas Gesundheitssystem ist ohnehin überlastet. Wir haben [3][hohe | |
Fallzahlen von Mpox, wir haben einen Ebola-Ausbruch.] Macht Ihnen das | |
Sorgen? | |
Lusimbo: Absolut. Es ist sehr beängstigend, denn wir befinden uns in einem | |
Moment, in welchem das ganze System personell ohnehin überlastet ist. Und | |
ich denke, dass wir schnell sehen werden, wie jetzt alles anfängt zu | |
bröckeln. Das könnte tatsächlich zu einem sehr beängstigenden Moment | |
werden. Die Lage könnte leicht außer Kontrolle geraten. Dabei sollte gerade | |
die Vorsorge vor weiteren Pandemien aus einer globalen Perspektive | |
betrachtet werden. Denn Corona hat ja gezeigt: Wir leben in einem globalen | |
Dorf. Deshalb sollte jede Pandemieprävention ein Anliegen der ganzen Welt | |
sein. | |
taz: Was ist nun die Lösung? | |
Lusimbo: Ich denke, langfristig kommen wir um eine grundlegende | |
Umstrukturierung unseres Staatshaushaltes nicht herum. Dies ist längst | |
überfällig. Wir haben extrem hohe Ausgaben für die Verwaltung und für | |
Bereiche wie Sicherheit und Verteidigung. Vielleicht sollten einige dieser | |
Budgets gekürzt werden. Kurz- und mittelfristig jedoch müssen wir zumindest | |
für dieses Haushaltsjahr die Lücken schließen. | |
taz: Wie könnte das kurzfristig gehen? | |
Lusimbo: Im Moment müssen wir ernsthaft darüber reden, wie private | |
Wohltätigkeitsorganisationen in Gesundheit investieren können. Und andere | |
westliche Regierungen, zum Beispiel die deutsche, müssen überlegen, ob sie | |
nun einspringen können. Uganda hat zwar auch Freunde in Russland oder China | |
– aber diese Regierungen sind ideologisch sehr weit davon entfernt, | |
marginalisierte Communitys zu unterstützen. Wenn der Westen uns jetzt | |
alleine lässt, dann werden Regierungen wie die in Uganda noch extremer | |
gegen uns Minderheiten vorgehen. | |
19 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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