# taz.de -- Staatsstreich in der ältesten Demokratie: Trump schüttelt die Welt | |
> Der US-Präsident wütet sich durch seine ersten Amtswochen. Er greift nach | |
> Grönland und Gaza und gibt Elon Musk Zugang zu hochsensiblen Daten. | |
Bild: Ein Kind hört zu, als Trump ein Dekret unterschreibt, das trans Personen… | |
Berlin taz | Meint er das wirklich ernst? Oder muss man das, womit Donald | |
Trump tagtäglich die Welt vor sich hertreibt, weniger ernst nehmen, als es | |
zunächst klingt? Seit dem 20. Januar stellen sich Regierungen, | |
Politikerinnen und politische Beobachter weltweit diese eine große und für | |
die Zukunft von Hunderten Millionen von Menschen entscheidende Frage. | |
Faktisch rede Trump „Bullshit“, sagt die kanadische Journalistin und | |
Buchautorin Laura-Julie Perreault etwa über die [1][Diskussion zu Zöllen] | |
und Grenzsicherung in Kanada. | |
Und trotzdem ist es Trump bitterernst. Er verfolgt ein Ziel, er hat es | |
gesagt, die Einverleibung Kanadas. Nicht als 51. Bundesstaat, vermutet | |
Perreault: „Nein, das wären ja 40 Millionen Menschen, die größtenteils | |
progressiv sind, wie ein zweites Kalifornien, für ihn ein politischer | |
Albtraum.“ Die Kanadierin glaubt, dass es Trump um Unterwerfung geht: „Erst | |
will er uns ökonomisch in die Knie zwingen und dann behandeln wie Puerto | |
Rico“, als fügsames assoziiertes Land. | |
Seit weniger als einem Monat regiert Donald Trump nun, er feuert in einer | |
Geschwindigkeit Dekrete ab, mit der keine politische Opposition Schritt | |
halten kann, keine Öffentlichkeit und keine Gerichtsbarkeit. Er zertrümmert | |
per Unterschrift staatliche Behörden und zeigt, wie unkaschierter | |
Neo-Imperialismus aussieht. [2][Grönland]? Annektieren, die USA um eine | |
Nord-West-Atlantik-Passage erweitern und natürlich um wertvolle | |
Bodenschätze. Panama? Den USA eine südliche Ost-West-Handelsroute sichern | |
und die Chinesen kontrollieren. Der Golf von Mexiko? Hat Google auf Trumps | |
Forderung hin für US-Nutzer und -Nutzerinnen bereits in Golf von Amerika | |
umbenannt. Und schließlich Gaza, das bald die USA besitzen werde. | |
Als der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Washington | |
neben ihm stand, hat Trump zuletzt ein vielversprechendes | |
Immobilien-Entwicklungsprojekt vorgestellt: die [3][„Riviera des Nahen | |
Ostens“]. Man müsse nur zwei Millionen Menschen, die ohnehin nicht in ihre | |
zerbombten Häuser zurückkehren können, in neue Wohnungen anderswo | |
umsiedeln. Die USA würden den Gazastreifen übernehmen und die Menschen aus | |
Gaza würden sich darüber freuen. „Man sollte wirklich hochwertige Wohnungen | |
bauen, eine schöne Stadt, einen Ort, an dem sie leben können und nicht | |
sterben müssen, denn Gaza ist eine Garantie dafür, dass sie sterben | |
werden.“ | |
## Es begann mit einem Clown | |
Der Vorschlag ist so irrsinnig, dass man ihn einfach nicht ernst nehmen | |
kann. Oder doch? Trump verändert die Spielregeln, innerhalb von Tagen hat | |
er die internationale Gemeinschaft unter einen Handlungsdruck gesetzt wie | |
kein Politiker vor ihm. Wie bisher im Modus des Abwartens zu verharren, ist | |
für die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) jetzt keine Option mehr. Das | |
Westjordanland könnte das nächste Immobilienprojekt werden. Die PA, die in | |
Gaza dominierende Hamas, aber auch die arabischen Staaten, in die Trump die | |
Menschen aus Gaza immerhin vertreiben möchte, werden Angebote machen | |
müssen, um das Schlimmste zu verhindern. Unter diesem Druck könnten sie den | |
Plan, einen palästinensischen Staat neben Israel zu errichten, (bis auf | |
Weiteres) aufgeben. Das wäre das Ende der Zwei-Staaten-Lösung. Doch in der | |
Welt der Evangelikalen Christen in den USA und der radikalen Rechten in | |
Israel entsteht am Horizont schon die Vision eines Groß-Israels, ganz ohne | |
Palästinenser, samt „Riviera des Nahen Ostens“. | |
Mittlerweile formt sich eine Sicht auf Trump, die man wohl als | |
Nicht-wörtlich-aber-ernst-nehmen bezeichnen könnte. „Dieser Mann ist ein | |
Schauspieler in einem globalen Theater“, kommentierte Shlomo Ben-Ami, | |
früherer israelischer Außenminister und Historiker im US-Rundfunk NPR, „und | |
das ist seine Taktik: er spielt groß auf, lenkt die Aufmerksamkeit der Welt | |
auf das, was er sagt, bringt seine Rivalen aus dem Gleichgewicht, und am | |
Ende wird etwas passieren, das in seinem Sinne ist.“ | |
Die Betrachtung des US-Präsidenten hat über die Jahre seit 2015 | |
verschiedene Phasen durchlaufen. Erst war da Trump, der Clown. Man konnte | |
über ihn lachen, seine Aussagen nahm niemand so recht ernst. In der zweiten | |
Phase war es mit dem Spaß vorbei. Man sah den rücksichtslosen | |
Geschäftsmann, der zu viel fordert, um den Gegenüber vor sich her zu | |
treiben. Bei Phase drei ist jetzt Shlomo Ben-Ami angelangt: Er sieht einen | |
Staatsmann, der die Welt schüttelt, um zu sehen, welche Früchte er ernten | |
kann. Die Frage ist, ob es bald eine vierte Phase gibt, in der es auch | |
global gesehen keine Partner, sondern nur noch unterworfene Nationen gibt. | |
Von der Ukraine forderte Trump vor wenigen Tagen eine Vereinbarung zur | |
[4][Lieferung Seltener Erden] im Tausch gegen US-Hilfen im Krieg gegen | |
Russland. Seltene Erden, die für Smartphones und andere Elektronik | |
gebraucht und bisher vor allem in China gefördert werden. Früher hätte man | |
darüber vielleicht gelacht. Bis vor Kurzem hätte man sich Gedanken gemacht, | |
was Trump damit eigentlich erreichen will. Jetzt scheint klar: Trump will | |
Seltene Erden. Und er ist bereit, das um jeden Preis durchzusetzen. | |
## Er meint es ernst | |
In den USA stehen zwischen Trump und der Umsetzung seiner verrückten, | |
ernsten Forderungen nur noch ein paar Gerichte. Am Donnerstagabend lief | |
eine Frist aus, die das Weiße Haus gesetzt hatte. Bis dahin sollten sich | |
zwei Millionen Angestellte, alle Bundesbediensteten jenseits von Pentagon, | |
Post und Polizei, entscheiden, ob sie eine Abfindung annehmen wollten. Es | |
wurde schnell dagegen geklagt. Doch einer Mail entnahmen die Angestellten, | |
wie es künftig an ihren Arbeitsplätzen zugehen sollte. „Verschärfte | |
Verhaltensstandards“ würden angewandt, um sicherzustellen, dass die | |
Arbeitnehmer „zuverlässig, loyal und vertrauenswürdig“ seien. Ja, Donald | |
Trump zerschlägt den unter Liberalismusverdacht stehenden Beamtenapparat, | |
ganz wie es in der Regierungsblaupause „Project 2025“ vorgesehen war. | |
Jeder, der in Washington arbeitet, soll nach Hause gehen. | |
Die US-Entwicklungshilfeagentur USAID wird nach Ansicht des US-Präsidenten | |
von [5][„radikalen Verrückten“] geführt, Elon Musk nennt die Behörde ein | |
„Schlangennest von linksradikalen Marxisten, die Amerika hassen“. Deshalb | |
werden auch Zuverlässigkeit, Loyalität und Vertrauenswürdigkeit den 10.000 | |
Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen von USAID nicht helfen. Trump hat gerade | |
alle Gelder temporär gestoppt und die Mitarbeitenden im Ausland mit einer | |
Frist von 30 Tagen zurück in die USA beordert. Künftig sollen nur noch 300 | |
Menschen für USAID arbeiten. | |
Donald Trump hat das Staatsbürgerschaftsrecht geändert. Er hat gerade | |
Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof angeordnet. Er ist | |
wieder aus der Weltgesundheitsorganisation ausgetreten und erneut aus dem | |
Pariser Klimaabkommen. Trump ließ 30 Staatsanwälte feuern, weil sie an den | |
Ermittlungen zum Umsturzversuch am Kapitol beteiligt waren. Tausende von | |
FBI-Beamten mussten in langen Fragebögen ihre Rolle bei den Ermittlungen | |
offenlegen. Und einem temporären Angestellten der Regierung, so ist Musks | |
offizieller Status, hat Trump vollen Zugriff auf das Auszahlungssystem des | |
Finanzministeriums gewährt. Damit hat Musk, der reichste und vielleicht | |
auch gefährlichste Mann der Welt, Zugriff auf ein System, das sensible | |
persönliche Daten von Millionen Menschen enthält. | |
Er meint es also ernst. Aber wie ernst steht es um die älteste Demokratie | |
der Welt? „Natürlich ist das ein Staatsstreich“, schreibt der Historiker | |
Timothy Snyder. Und wenn man ihn nicht zügig als solchen erkenne, warnt er, | |
werde dieser auch gelingen. | |
## Der erste Tag ist angebrochen | |
Historisch hätten Staatsstreiche so ausgesehen: „Das Zentrum der Macht war | |
ein physischer Ort. Es zu besetzen und die Amtsinhaber zu vertreiben, | |
bedeutete, die Kontrolle zu übernehmen.“ Wenn heute eine Gruppe bewaffneter | |
Männer mit merkwürdigen Symbolen – etwa „zehn Tesla-Cybertrucks in | |
Tarnfarben und mit einem riesigen X auf jedem Dach“ – Regierungsgebäude | |
stürmten, würden die Amerikaner dies als Putschversuch erkennen. Aber wenn | |
nun ein paar Dutzend junge Männer von Regierungsbüro zu Regierungsbüro | |
gingen, in Zivil gekleidet und nur mit Festplatten bewaffnet, sich mit | |
vagen Hinweisen auf Befehle von oben Zugang zu den Computersystemen | |
verschafften, „ihrem Obersten Führer“ Zugang zu Informationen und Zugriff | |
auf alle staatlichen Zahlungen ermöglichten, dann sei dies ein moderner | |
Staatsstreich, der möglicherweise nicht erkannt würde. | |
Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen, macht es vielleicht Sinn, Donald | |
Trump selbst sprechen zu lassen. Im Dezember 2023 war er zu Gast bei seinem | |
Buddy, dem Fox-News-Moderator Sean Hannity. „Du willst kein Diktator sein, | |
oder“, fragte ihn Hannity. „Nein, nein, nein“, erwiderte Trump. „Außer… | |
ersten Tag“. | |
Der erste Tag ist angebrochen. Noch ist nicht absehbar, wann er endet. | |
7 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Handelskrieg-der-USA/!6063434 | |
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[4] /Seltene-Erden-fuer-Militaerhilfe/!6063643 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Junge | |
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