# taz.de -- Anpassung an den Klimawandel: „Frauen haben ein deutlich größer… | |
> Während Hitzewellen sterben mehr Frauen als Männer. Das muss bei der | |
> Klimaanpassung berücksichtigt werden, sagt Geografin Katharina Scherber. | |
Bild: Häufig müssen nach Klimakatastrophen Frauen die Aufräumarbeiten übern… | |
taz: Frau Scherber, im Globalen Süden müssen Frauen wegen der Erderhitzung | |
Wasser über wachsende Distanzen schleppen und [1][übernehmen einen großen | |
Teil der Aufräumarbeiten nach Klimakatastrophen]. Aber auch hier in | |
Deutschland trifft die Erderhitzung Frauen und Männer auf unterschiedliche | |
Weisen. Zum Beispiel sterben bei Hitzewellen mehr Frauen als Männer. Nun | |
werden Frauen älter als Männer, deswegen gibt es einen Frauenüberschuss in | |
der Altersgruppe, die von Hitze besonders gefährdet sind. Aber ist das der | |
einzige Grund? | |
Scherber: Nein, das hat vor allem körperliche Gründe. Denn Frauen können | |
sich schlechter an Hitze anpassen. Sie schwitzen weniger und können daher | |
die Wärme weniger gut abgeben. Und sie können sich auch schlechter | |
akklimatisieren. Frauen haben damit ein deutlich größeres gesundheitliches | |
Risiko bei Hitze als Männer. | |
taz: Und Frauen leben gerade im hohen Alter oft allein. | |
Scherber: In diesen Fällen vergessen Frauen häufig, ausreichend zu trinken. | |
Das ist problematisch. In Paris sind im Jahr 2003 während einer | |
verheerenden Hitzewelle viele hochbetagte Frauen gestorben. Besonders groß | |
wird das Risiko damals für Frauen gewesen sein, die in | |
Dachgeschosswohnungen lebten. Diese können sich so stark aufheizen, dass | |
sie im schlimmsten Fall zur Todesfalle werden. | |
taz: Sind es denn nur ältere Frauen, die von der Hitze besonders gefährdet | |
sind? | |
Scherber: Nein, betroffen sind insbesondere auch Schwangere. Hitze kann dem | |
ungeborenen Kind schaden und auch zu Frühgeburten führen. Frauen sind zudem | |
doppelt betroffen. Sie haben einerseits aufgrund ihrer körperlichen | |
Voraussetzungen ein größeres Risiko, unter der Hitze zu leiden, und | |
andererseits können sie sich aufgrund von bestimmten strukturellen und | |
familiären Rahmenbedingungen weniger auf die klimatischen Veränderungen | |
einstellen. Denn sie [2][leisten zumeist mehr Care-Arbeit] und sind | |
häufiger in Teilzeit tätig. | |
taz: Was hat Teilzeit damit zu tun, wie sie sich an den Klimawandel | |
anpassen können? | |
Scherber: In Teilzeit sind aufgrund der kürzeren Arbeitszeiten verlängerte | |
Pausen meist schwierig einzulegen. Diese sind jedoch bei Hitze notwendig. | |
Frauen sind in der Regel auch stärker an die Betreuungszeiten der Kinder | |
gebunden als Männer. Daher lassen sich Arbeitszeiten oft nicht auf kühlere | |
Tageszeiten schieben. Gerade das wäre aber wichtig, um die Arbeitszeit | |
entsprechend anzupassen. Selbstverständlich betrifft das Männer unter | |
vergleichbaren Bedingungen genauso. | |
taz: Besonders gefährdet sind Menschen, die bei Hitze tagsüber draußen | |
arbeiten müssen. Da fallen mir eher Berufe ein, die derzeit eher von | |
Männern ausgeübt werden, auf dem Bau zum Beispiel. | |
Scherber: Das ist [3][zu kurz gedacht]. In der ambulanten Pflege sind sehr | |
viele Frauen beschäftigt, die aufgrund der notwendigen Hausbesuche stark | |
der Hitze im Freien, im Auto und natürlich auch in den Wohnungen ausgesetzt | |
sind. Und die allerwenigsten Wohnungen verfügen über eine Klimatisierung. | |
Die nützt auch im Auto sehr wenig, weil sie wegen der zahlreichen | |
Kurzfahrten nicht die notwendige Kühlung in stark überhitzten Autos | |
aufbauen kann. Gerade bei Hitze muss das Pflegepersonal die | |
Pflegebedürftigen sogar vermehrt aufsuchen, da der Versorgungsbedarf in | |
diesen Situationen steigt. All das wirkt extrem belastend. Genau deshalb | |
braucht es Hitzeschutzmaßnahmen für Pflegebedürftige und Pflegepersonal. Da | |
müssen zusammen mit dem Arbeitgeber Lösungen gefunden werden, um den | |
Personalschlüssel sowie Arbeits- und Pausenzeiten so anzupassen, dass auch | |
diese Arbeitstage zu schaffen sind. Hitze ist aber genauso ein Thema zum | |
Beispiel für Büros, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Großküchen, Schulen | |
und Kitas. Denn dort können die Innenräume ebenso stark überwärmt sein. | |
taz: In Deutschland sind vor allem die Kommunen für Klimaanpassung | |
zuständig. Was können die tun? | |
Scherber: Es braucht vor allem Aufklärung darüber, dass Frauen | |
überproportional von der Klimakrise betroffen sind. Das größte | |
gesundheitliche Risiko ist die Hitze. Im öffentlichen Raum zum Beispiel | |
haben wir nach wie vor das Problem, dass es häufig nicht genug Grünflächen, | |
Schatten und Trinkbrunnen gibt. Das betrifft selbstverständlich alle. Aber | |
für Frauen ist es aufgrund ihrer Anatomie, der Menstruation und dem | |
Bedürfnis nach Sicherheit in der Regel noch wichtiger als für Männer, dass | |
sie einen schnellen Zugang zu kostenlosen öffentlichen Toiletten haben. | |
taz: Was haben öffentliche Toiletten mit Klimaanpassung zu tun? | |
Scherber: Bei Hitze ist vermehrtes Trinken erforderlich. Und Frauen leiden | |
mit zunehmendem Alter häufiger zum Beispiel an Blasenschwäche. Tatsächlich | |
trinken betroffene Frauen dann in der Regel weniger, wenn sie im | |
öffentlichen Raum unterwegs sind, weil sie befürchten, dass sie dort in der | |
Nähe keine Toiletten finden. Zudem erhöht sich der Bedarf an | |
Menstruationshygiene bei Hitze und vermehrtem Schwitzen. Dem können Frauen | |
nicht nachkommen, wenn es zu wenig öffentliche Toiletten gibt. Das sind | |
Themen, die noch viel zu wenig angesprochen werden, aber das wirkt sich | |
negativ auf das Wohlbefinden und den Gesundheitszustand der Frau aus. | |
taz: Wird genug daran geforscht, wie Klimaanpassung und Gender | |
zusammenhängen? | |
Scherber: Ich habe bei meinen Recherchen dazu in Deutschland noch wenig | |
gefunden. Positiv ist, dass das Bundesforschungsministerium nun Forschende | |
unterstützt, die Gender-Dimension in der Klimaforschung zu berücksichtigen. | |
taz: Die Ampelregierung scheint das Thema auf dem Schirm gehabt zu haben: | |
Im Dezember schrieb sie in ihrer Klimaanpassungsstrategie 2024 fest, dass | |
Anpassungspolitik geschlechtergerecht zu gestalten sei – wenn auch ohne | |
konkrete Maßnahmen zu nennen. | |
Scherber: Das ist eine wichtige Basis für Kommunen und Länder. Aber es muss | |
im Bewusstsein aller Handelnden noch stärker ankommen, dass Frauen | |
besonders adressiert werden müssen. Darauf sollte man ein besonderes | |
Augenmerk legen, sowohl in der Forschung als auch im alltäglichen Leben. | |
Deswegen ist das der wichtige erste Schritt in diese Richtung. | |
Wissenschaftler erwarten Ende des Jahrhunderts Temperaturen von 46 bis 48 | |
Grad in Deutschland. Darauf sind wir bislang absolut nicht vorbereitet. | |
23 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Jonas Waack | |
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