# taz.de -- Ökonom über Schuldenkrise in Sambia: „Ein gutes Geschäft für … | |
> Laut Grieve Chelwa diktieren Banken Sparprogramme. Besser wäre es, sie | |
> würden Schuldenstaaten helfen, ihren Rohstoffreichtum auszukosten, sagt | |
> der Ökonom. | |
Bild: Kupfer ist eine der wichtigsten Ressourcen Sambias. Jedoch wird damit sch… | |
taz: Herr Chelwa, Sambia wurde 2020 durch die Coronapandemie praktisch | |
zahlungsunfähig und war dann der Testfall für das neue Schuldenforum der | |
G20. Wie [1][mit überschuldeten Staaten umzugehen ist], gehört zu den | |
Punkten, die die Vereinten Nationen Ende Juni im spanischen Sevilla auf | |
der Vierten Internationalen Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung | |
verhandeln. War das Schuldenforum ein Erfolg? | |
Grieve Chelwa: Wir dürfen nicht vergessen, dass wir von einer | |
Gesamtverschuldung Sambias von nur 15 Milliarden US-Dollar sprechen. Im | |
globalen Vergleich ist das nicht viel Geld, aber Sambia konnte zu lange | |
keinen Aufschub bei der Tilgung bekommen. Es waren drei Jahre voller | |
Unsicherheit, bis endlich ein Schuldenschnitt verhandelt werden konnte. | |
Dabei verloren die Investoren Vertrauen in das Land. Unsere Landeswährung, | |
der Kwacha, verlor an Wert. Wenn ich mir die Vereinbarung jetzt ansehe, | |
glaube ich nicht, dass Sambia damit über den Berg ist. Es ist ein gutes | |
Geschäft für die Gläubiger. Aber nicht für die Sambier*innen. Es hat die | |
Krise lediglich auf einen anderen Zeitpunkt in naher Zukunft verschoben. | |
taz: Wie sieht denn die Vereinbarung aus? | |
Chelwa: China, der Westen und private Gläubiger, die zumeist aus dem Westen | |
stammen, haben sich bereit erklärt, Schuldenerlasse hinzunehmen. Sie machen | |
also Verluste. Als Vorbedingung für diese Vereinbarung musste Sambia einem | |
Programm des Internationalen Währungsfonds (IWF) zustimmen. Das führte zu | |
einer historischen Lebenskostenkrise, deren Last die Armen zu tragen haben. | |
taz: Als das IWF-Sparprogramm im September 2022 angekündigt wurde, warnten | |
Sie vor den Folgen für die sambische Bevölkerung und veröffentlichten eine | |
Liste mit Punkten, auf die der IWF Ihrer Meinung nach drängen würde. Hatten | |
Sie recht? | |
Chelwa: So ziemlich alles, was auf dieser Liste stand, ist eingetreten. Der | |
Preis für Erdölprodukte ist um mehr als 100 Prozent gestiegen, weil die | |
Subventionen gestrichen wurden. Die Allgemeinheit ist aber auf öffentliche | |
Verkehrsmittel angewiesen. Der Strompreis ist um etwa 150 Prozent | |
gestiegen. Das wirkt sich auch auf die Kosten von Brot aus. Und die | |
Subventionen für die Landwirtschaft wurden gekürzt. Die Landwirte haben | |
jetzt eine Getreidekrise. Wir müssen Getreide importieren, was die Kosten | |
in die Höhe treibt. Gleichzeitig wurden den großen Unternehmen | |
Steuererleichterungen gewährt. Diese Politik hat zu massiver Not in Sambia | |
geführt. | |
taz: Haben Sambias Regierende keine Autonomie? | |
Chelwa: Sambia ist ein armes Land, das auf ausländische Hilfe angewiesen | |
ist. Wir haben nur wenige Steuereinnahmen. Und wir haben einen neoliberalen | |
Präsidenten. | |
taz: Es gab eine Zeit, in der der IWF den Zusammenhang zwischen seinen | |
Sparprogrammen und Armut anerkannte. Hat sich der Ansatz des IWF Ihrer | |
Meinung nach geändert? | |
Chelwa: Wir sehen eine Wiederbelebung der Politik, die Sambias Fortschritt | |
in den 1990er Jahren behindert hat. Wie viele andere Entwicklungsländer | |
befand sich auch Sambia damals in einer Schuldenkrise. Und der IWF | |
verhängte die berüchtigte Strukturanpassungspolitik als Vorbedingung für | |
weitere Kredite. Diese führten zu extremen Kürzungen der Staatsausgaben und | |
Defiziten bei den Infrastrukturausgaben für Schulen, Straßen, Strom, | |
Eisenbahn und Wasser. Eine weitere Folge war die hohe Kreditaufnahme in den | |
2010er Jahren, um den Rückstand aufzuholen, was zur nächsten Schuldenkrise | |
führte. | |
taz: Aber Sambia ist doch [2][reich an natürlichen Ressourcen, vor allem an | |
Kupfer], das für Batterien und damit für die Energiewende benötigt wird. | |
Chelwa: Der globale Kapitalismus ist so angelegt, dass arme Länder dazu | |
verdammt sind, Rohstoffe zu produzieren, die nur einen geringen Wert haben. | |
Ghana baut den Kakao an und irgendwie stellt die Schweiz die Schokolade | |
her. Niger verfügt über Uran, das Frankreich mit Strom versorgt, aber es | |
gibt kaum Strom für die Menschen in Niger. Das sind globale Strukturen. | |
taz: Was bedeutet das für Sambia? | |
Chelwa: Sambia ist von den internationalen Kupferpreisen abhängig, die sehr | |
unbeständig sind. Das Problem liegt aber auch in den | |
Eigentumsverhältnissen der Kupferminen des Landes und in der mangelnden | |
Bereitschaft der Regierung, die Kupfereinnahmen in Zeiten des Überflusses | |
zurückzulegen, um sie in Krisenzeiten nutzen zu können. Die Kupferexporte | |
machen rund 71 Prozent der Einnahmen ausländischer Währungen und etwa 26 | |
Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Als Reaktion auf die Schuldenkrise | |
Anfang der 2000er Jahre wurden die Kupferminen privatisiert, das heißt die | |
Einnahmen gehen größtenteils an die Zentralen multinationaler Konzerne | |
außerhalb Sambias. | |
taz: Ein anderes Thema, das in Sevilla verhandelt wird, ist eine Reform der | |
internationalen Finanzarchitektur. Welche Lehren ziehen Sie aus Sambia? | |
Chelwa: Multilaterale Entwicklungsbanken sollten arme Länder dabei | |
unterstützen, bedeutende Beteiligungen an ihren Rohstoffsektoren und ihrer | |
verarbeitenden Industrie zu erwerben. Es muss einen Mechanismus geben, um | |
die Volatilität der Rohstoffpreisschwankungen auszugleichen. Und der IWF | |
muss seine Sparpolitik als Lösung für Schuldenkrisen überdenken. Sie | |
verursacht nicht nur enorme soziale Kosten, sondern führt auch zu künftigen | |
Schuldenkrisen. | |
taz: In Ihrem jüngsten Forschungspapier führen Sie auch die Abhängigkeit | |
vom Dollar und in den USA getroffenen Entscheidungen als Problem an. Werden | |
dort etwa die Zinsen erhöht, treibt das auch die Kreditzinsen in die Höhe. | |
Wie könnte eine Lösung aussehen? | |
Chelwa: Sogenannte Devisen-Swap-Vereinbarungen zwischen und unter | |
Entwicklungsländern sind zunehmend zu wichtigen Mechanismen für die | |
Abwicklung des bilateralen Handels geworden, die diese Länder weniger | |
anfällig für die geldpolitischen und geopolitischen Maßnahmen der | |
Industrieländer machen. Dabei tauscht eine Zentralbank die Landeswährung | |
gegen Fremdwährung mit einer anderen Zentralbank. Wir sollten auch über | |
eine Entdollarisierung diskutieren, aber wir müssen aufpassen, dass wir | |
nicht stattdessen von einer anderen einzelnen Währung abhängig werden. | |
18 Jun 2025 | |
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## AUTOREN | |
Leila van Rinsum | |
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