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# taz.de -- Berliner Landespolitik: Jetzt soll's schneller gehen
> Der Senat stimmt für die Verwaltungsreform, mit dem Behörden-Pingpong
> soll bald Schluss sein. Nun muss das Abgeordnetenhaus darüber
> entscheiden.
Bild: Nicht geklärte Zuständigkeiten in der Berliner Verwaltung sorgen bislan…
Berlin taz | 13:03 Uhr ist es im Roten Rathaus, auch wenn die Uhr im
Presseraum kaputt ist, als Regierungschef Kai Wegner (CDU) die
Verfassungsreform für beschlossen erklärt. So sehr ist diese Reform in den
vergangenen Monaten zu einem Meilenstein stilisiert worden, dass es
angebracht erscheint, sich diesen Moment genau zu merken. Dabei hat Wegner
das kurz zuvor Geschehene nicht ganz korrekt beschrieben: Was der
schwarz-rote Senat beschlossen hat, ist bloß der Entwurf eines Gesetzes –
die Reform selbst kann nur das Abgeordnetenhaus festschreiben, was ab
nächste Woche passieren soll.
Dieser laut Wegner so gute, so besondere Tag für Berlin, er soll die
Grundlage dafür sein, dass die Dinge in Berlins Verwaltung künftig
wesentlich zügiger und reibungsfreier verlaufen. Schnelle Termine im
Bürgeramt sind dabei nur ein Randprodukt. Es geht um ein Ende dessen, was
Wegner und viele andere oft als „Behörden-Pingpong“ beschrieben haben: dass
unklar war und noch ist, wer wofür zuständig ist. Die Bezirke? Oder die
Landesebene mit den Senatsverwaltungen? Viele Wohnungsbauprojekte und auch
Wirtschaftsansiedlungen zogen sich so über Jahre hin oder scheiterten
sogar.
In Wegners Senatskanzlei hat sich Staatssekretärin Martina Klement (CSU)
seit ihrem Dienstantritt vor fast zwei Jahren viel damit beschäftigt, erst
mal zusammen zu tragen, was es an Verwaltungsaufgaben überhaupt gibt. Auf
über 4.000 kam sie dabei mit ihren Mitarbeitern. Bei jeder fünften davon,
also rund 800, fühlte sich entweder keine Behördenstelle zuständig, oder es
stritten gleich mehrere darum, das Sagen zu haben.
Dass Berlin von solchen Zuständen nicht gerade profitiert, haben allerdings
nicht erst Wegner und Klement klar gemacht. Seit gut einem
Vierteljahrhundert gibt es den Wunsch nach einer Neuordnung. Wegner
erinnerte schon vor Monaten daran, wie er dem Thema bereits begegnete,
nachdem er 1999 erstmals ins Abgeordnetenhaus gewählt wurde, unter dem vor
ihm letzten CDU-Regierungschef Eberhard Diepgen.
## Im Kern auch eine Machtfrage
„Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem.“ Dieser Satz
war seither von Politikern aller Parteien zu hören. Vor Wegner [1][hatte
sich zuletzt sein Vor-Vorgänger Michael Müller (SPD) an einer Reform
versucht und 2018 wie andere vor ihm eine Expertenkommission eingesetzt].
Die legte auch einen Bericht mit breit gelobten Empfehlungen vor – und
dennoch tat sich nichts. Denn im Kern geht es um Macht, die im Zweifelsfall
abzugeben ist. Nicht nur die Grünen verteidigten die Rechte der Bezirke,
auch CDU- oder SPD-Kreisverbände mochten sich in den Rathäusern nicht
reinreden lassen.
Neben klaren Zuständigkeiten sollten stärkere gesamtstädtische Steuerung
und gleichzeitig starke Bezirke die drei großen Reformziele sein. „Das ist
kein Widerspruch, das muss Hand in Hand gehen“, sagt Wegner am Dienstag. Er
hatte die Reform schon bei Amtsantritt 2023 zu einem Kernprojekt erklärt
und seit knapp eineinhalb Jahren eng nicht nur mit seinem Koalitionspartner
SPD, sondern auch mit den oppositionellen Grünen und Linken daran
gearbeitet. Er wolle einen breiten Konsens jenseits von Ideologie, war von
ihm oft zu hören.
Tatsächlich ist Wegner ganz schlicht auf die Stimmen der
Oppositionsfraktionen angewiesen. Basis der Neuerungen soll nämlich eine
Änderung der Berliner Landesverfassung sein, wo das Verhältnis zwischen
Senat und Bezirken [2][in Artikel 67 geregelt ist]. Und wie bei allen
Verfassungsänderungen – wie erst jüngst im Bundestag bei den Sondervermögen
– geht das nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. [3][Die hat
die schwarz-rote Koalition nicht, hätte sie aber sowohl mit den Stimmen der
Grünen als auch der Linkspartei.] Theoretisch käme die CDU-Fraktion auch
allein mit den Stimmen der beiden Oppositionsfraktionen auf die nötige
Mehrheit.
Bei einem Pressegespräch der Stiftung Zukunft Berlin am Dienstagvormittag
gab dazu es den Vergleich mit einem Gebäude: „Die Verfassungsänderung ist
die Grundlage für alles, was darauf aufgebaut wird“, hieß es dort aus einem
Kreis von Wirtschaftsvertretern und Verwaltungsjuristen.
## Weiteres Spitzentreffen mit Grünen und Linken
Die bis jüngst enge und von Wegner wie den Oppositionsfraktionen gelobte
Zusammenarbeit [4][hatte allerdings jüngst, quasi auf der Zielgeraden,
einen Dämpfer erhalten]. „Wir haben Gesprächsbedarf“, meldeten sich am
Montag die Fraktionsspitzen von Grünen und Linkspartei. Denn: „Die
ausführlichen Verabredungen auf Spitzenebene werden in der Senatsvorlage
konterkariert.“
Was war passiert? Nach einer Einigung zwischen allen beteiligten Fraktionen
Ende Februar hatte die SPD verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet. Ihr
schien es nicht haltbar, dass bei Konflikten zwischen Senat und Bezirken
tatsächlich eine neutral geleitete Einigungsstelle entscheiden und ihr Wort
„ein Höchstmaß an Verbindlichkeit“ haben sollte. Nun heißt es im
Senatsbeschluss, die Landesebene könne sich „in gewichtigen Einzelfällen“,
die genau zu begründen seien, über das Votum der Einigungsstelle
hinwegsetzen.
Das aber handelten CDU und SPD allein aus, die Oppositionsfraktionen
blieben außen vor. „Wir hören bislang nur Gerüchte“, sagte
Grünen-Fraktionschef Werner Graf vergangene Woche der taz. Grüne und Linke
sahen durch die Formulierung von nicht weiter definierten „gewichtigen“
Einzelfälle die Möglichkeit zur Willkür – was Wegner am Dienstag bestritt.
Der Regierungschef mühte sich dabei, ein mögliches Scheitern der Reform im
Parlament in weite Ferne zu rücken. Er berichtete, noch wenige Stunden
zuvor Kontakt zur Opposition gehabt zu haben – und kündigte an, noch am
Nachmittag zu einer weiteren Spitzenrunde mit ihr einzuladen.
## Im Parlament gilt das Strucksche Gesetz
Die Reaktion von Grünen-Fraktionschef Werner Graf darauf klang weit
konzilianter als die Kritik von ihm und Linksfraktion vom Vortag: „Es ist
gut für das Ziel einer funktionierenden Stadt, dass Kai Wegner zum Dialog
mit einer Spitzenrunde zurückkehrt. Die Verwaltungsreform wird nur als
gemeinsames Projekt gelingen.“
Wie, das soll sich ab dem 10. April im Abgeordnetenhaus zeigen, wo sich
Wegner einen Beschluss vor der Sommerpause erhofft, damit die Reform ab dem
1. Januar 2026 gilt. Dort gilt dann das nach einer früheren SPD-Größe
benannte Strucksche Gesetz: Kein Gesetz verlässt das Parlament so, wie es
hereingekommen ist.
1 Apr 2025
## LINKS
[1] /Kommentar-zum-Verwaltungsumbau/!5514662
[2] https://www.berlin.de/rbmskzl/politik/senat/verfassung/artikel.41514.php
[3] https://www.parlament-berlin.de/das-parlament/fraktionen
[4] /Verwaltungsreform-auf-der-Zielgerade/!6074838
## AUTOREN
Stefan Alberti
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