# taz.de -- Verwaltungsreform in Berlin: Wenn's klappt, liegt's an Wegner | |
> Jahrzehnte wurde diskutiert, aber die Reform blieb aus. Bis der | |
> CDU-Regierungschef vertrauensvolle Gespräche mit Opposition und Bezirken | |
> hinbekam. | |
Bild: Auf Augenhöhe reden half bei der Reform weiter: Wegner mit den Bezirksb�… | |
Auch dafür wurde die taz gegründet – um unangenehme Wahrheiten zu | |
verkünden. Und auch wenn es einige ärgern mag, falsch wird es dadurch | |
nicht: Dass aus der lang erwarteten, viel diskutierten, aber eben so lange | |
ausgebliebenen Verwaltungsreform nach dem Senatsbeschluss vom Dienstag nun | |
doch etwas werden könnte, nach gut einem Vierteljahrhundert, liegt | |
hauptsächlich an an einem CDUler, an Kai Wegner. | |
Der Regierungschef und Berliner CDU-Vorsitzende ist es, der anders als vier | |
Amtsvorgänger nicht bloß seine eigene Koalition, sondern auch die | |
Oppositionsfraktionen von Grünen und Linkspartei zu einer Zusammenarbeit | |
bringen konnte. Eberhard Diepgen (CDU) sowie die SPDler Klaus Wowereit, | |
Michael Müller und Franziska Giffey. sie alle waren an dieser Aufgabe | |
gescheitert. Wobei einzuräumen ist, dass Giffey weniger als eineinhalb | |
Jahre im Amt war und in dieser Zeit ein Eckpunktepapier entstand, auf dem | |
die schwarz-rote Koalition aufbauen konnte. | |
Weil der Begriff manche immer noch gähnen lässt: Eine Verwaltungsreform mit | |
klaren Zuständigkeiten bei Senat und Bezirken und weit schnelleren Abläufen | |
wäre keine Randnotiz. Sie kann alle im Land betreffen und etwa für | |
schnelleren Bau dringend nötiger Wohnungen sorgen. Und auch für mehr neue | |
Arbeitsplätze, wenn Investoren nicht durch das abgeschreckt werden, was | |
seit vielen Jahren viel zu verniedlichend unter „Behörden-Pingpong“ läuft, | |
dem Hin und Herschieben von Verantwortung. | |
Ausgerechnet Wegner also, lange als CDU-Hardliner verschrien, und kein | |
SPDler soll das also erreichen. Warum er? Weil er es offenbar verstanden | |
hat, sowohl den Oppositionsfraktionen als auch den Bezirksbürgermeistern | |
das Gefühl zu geben, auf Augenhöhe mitzureden. Als Anfang 2024 erstmals | |
eine [1][politische Spitzenrunde mit Fraktionschefs und Vertretern der | |
Bezirke] tagte, mühten sich in der anschließenden Pressekonferenz | |
Journalisten, die taz inklusive, Risse und Widersprüche zwischen denen | |
herauszufragen, die da in der Rotunde des Roten Rathauses vor ihnen | |
standen. | |
## Alle an einem Strang – und am selben Ende | |
Doch das Nachbohren war vergebens: Die Fraktionsspitzen und | |
Bezirksbürgermeister wirkten tatsächlich motiviert, an einem Strang zu | |
ziehen – und zwar am selben Ende. Dabei schien es einfach zu schön, um wahr | |
zu sein: Alle, von CDU bis Linkspartei, zeigten sich bereit, Ideologisches | |
beiseite zu schieben und allein am Inhalt zu arbeiten, an einer besser | |
funktionierenden Verwaltung. | |
Das war und ist umso erstaunlicher, weil sich Grüne und Linkspartei bewusst | |
sein mussten, dass Wegner sie letztendlich nicht allein aus Begeisterung | |
für breite Beteiligung dabei haben wollte. Ohne Oppositionsstimmen würde er | |
die Reform nicht in der Landesverfassung verankern können – für deren | |
Änderung braucht es im Parlament eine Zwei-Drittel-Mehrheit, die CDU und | |
SPD allein nicht haben. | |
Dieser Eindruck vom Februar 2024 war der gleiche wie knapp vier Monate | |
vorher, als Wegner nicht bloß für einen Fototermin, sondern sieben Stunden | |
lang in einer Klausurtagung mit allen Bezirkschefs zusammensaß. [2][Die | |
grüne Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann, | |
bedankte sich fast schon überschwänglich und „ausdrücklich“ bei Wegner] … | |
lobte die Gespräche als „offen, vertraulich und sehr konstruktiv“. | |
Nun könnte man sagen: Ist ja einfach, wenn alle das Gleiche wollen – | |
[3][die Grünen hatten schon Ende 2022 ein 42-seitiges Papier zur Reform | |
vorgelegt]. Aber warum passierte dennoch lange nichts? Die Grüne Bettina | |
Jarasch etwa kritisierte damals, dass ein Eckpunktepapier des Senats – dem | |
sie selbst angehörte – ohne Beteiligung der Bezirke entstanden sei. Was | |
jetzt eben anders ist. | |
## Nicht nur Begeisterung in der CDU | |
Wegner hat in seiner eigenen Partei nicht nur Rückenwind für seine | |
Zusammenarbeit mit der Opposition erhalten. Wie er sich bloß mit der | |
Linkspartei an einen Tisch setzen könne, sollen ihm vermeintliche | |
Parteifreunde vorgehalten haben. Und zumindest nach dem, was vor allem von | |
den Grünen wiederholt zu hören war, kam in den Verhandlungen der größte | |
Widerstand nicht von der Opposition, sondern vom Koalitionspartner SPD. | |
Die Kooperation verlangt dabei sowohl Sozialdemokraten wie Grünen und | |
Linkspartei auch einiges ab. Selbst wenn Wegner bislang stets vor allem die | |
Opposition für ihre Mitarbeit lobt: Klappt die Reform und beschleunigt sie | |
wirklich so viele Abläufe in Berlin, dann wird dieser Erfolg vor allem mit | |
ihm als Regierungschef verbunden sein. | |
Parteistrategen außerhalb der CDU kann das nicht gefallen. Glücklicherweise | |
ist bislang passiert, was nicht oft vorkommt: Fürs größere Ganze haben von | |
CDU bis Linkspartei alle Beteiligten allein darauf geschaut, dass etwas | |
unbestritten Sinniges tatsächlich klappen kann. | |
Am Donnerstag soll der dazugehörige Entwurf eines | |
„Landesorganisationsgesetzes“ erstmals Thema im Plenarsaal des | |
Abgeordnetenhauses sein. Wenn das Projekt dort noch scheitern sollte, wäre | |
das ein immenser Misserfolg für Kai Wegner – aber ein noch viel größerer | |
Verlust für fast vier Millionen Berliner, die auf irgendeine Weise alle von | |
der Reform profitieren würden. | |
5 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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