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# taz.de -- Nach Erfahrung mit Verwaltungsreform: Bitte auch ein Neustart für …
> Der Koalitionsvertrag im Bund steht. Jetzt wird also angeblich alles gut.
> Einen Ruck nach vorn aber hätte auch die Hauptstadt nötig. Eine
> Einordnung.
Bild: Je konstruktiver es im Parlament zugeht, bei der Koalition wie bei der Op…
Berlin taz | „Ein starker Plan“, meint der designierte Kanzler Friedrich
Merz, „ein Aufbruchsignal“ will SPD-Chef Lars Klingbeil erkannt haben. Mit
Deutschland soll es also wieder aufwärts gehen, [1][nachdem der
Koalitionsvertrag auf Bundesebene vorgestellt ist] und die Zustimmung der
SPD-Basis als Formalie gilt. Mal dahingestellt, ob das klappt oder nicht:
Auch das Land Berlin kann einen Neustart in gleicher Weise brauchen – und
hätte derzeit, eineinhalb Jahre vor der Abgeordnetenhauswahl, sogar eine
Chance dafür.
Chancen? Neustart? Hoffnung auf Besserung? Das mag so gar nicht passen zur
Finanzlage Berlins, die allen Sparens zum Trotz immer gruseliger zu werden
scheint. Schon vor einiger Zeit war von Finanzsenator Stefan Evers (CDU)
zwar nebulös vom „Licht am Ende des Tunnels“ zu hören. Aber wie lang dies…
Tunnel ist, ließ er offen und berichtete stattdessen von weiter fehlendem
Geld und fortgesetztem Kürzungsdruck trotz des bereits beschlossenen
3-Milliarden-Sparprogramms. Dabei wären nach einer jüngst vorstellten
Studie allein 108 Milliarden Euro nötig, um Berlins öffentliche
Infrastruktur wieder in Schuss zu bringen.
Zwei Dinge sind es, die derzeit dennoch Hoffnung auf Besserung machen. Da
ist zum einen der eigentlich missliche Fall der maroden A100-Brücke, der
zeigt: Es kann auch schnell gehen in Berlin – wie beim jetzt begonnenen
Abriss. Von einem Autobahnsprecher hieß es: „Das, was normalerweise sechs
Monate im Schnitt braucht, machen wir jetzt gerade hier in sechs Wochen.“
Ob die Rechnung genauso aufgeht, wird man sehen. Das Tempo überrascht
dennoch.
Und dann ist da vor allem die Verwaltungsreform. Von der war zuletzt so
viel die Rede, dass der dazugehörige Umstand – nämlich [2][die
Zusammenarbeit von CDU-Regierungschef Kai Wegner mit den Fraktionsspitzen
der oppositionellen Grünen und Linken] – gar nicht mehr gewöhnungsbedürftig
schien. Und trotzdem bleibt es außergewöhnlich. Ein CDU-Chef mit Politikern
an einem Tisch, die für einige in seiner Partei bloß Kommunisten sind? Eine
Linksfraktion wiederum, die bei der Reform eng mit einer Partei
zusammenarbeitet, die gerade nach der Vornamensdebatte Anfang 2023 viele
als rassistisch betrachteten?
## Konstruktiv heißt nicht Einheitsbrei
Die Reform, die Berlin so viel weiterbringen und in vielen
Verwaltungsbereichen schneller und effizienter machen könnte, ist auf dem
Weg, [3][trotz aller noch zu erwartender Diskussionen im Parlament.] Die
Frage ist: Warum sollte mit dieser Zusammenarbeit Schluss sein, wenn die
Reform spätestens am 10. Juli beschlossen ist, der letzten Plenarsitzung
des Abgeordnetenhauses vor der Sommerpause? Warum können schwarz-rote
Koalition und oppositionelle Grünen und Linke nicht weiter konstruktiv
zusammenarbeiten?
Es geht nicht darum, Kritik einzustellen, nicht länger Fehler und
Regierungsversagen herauszustellen. Es geht darum, ob all das konstruktiv
oder destruktiv passiert. Muss eine Opposition bei einem kleinen Manko
eines grundsätzlich sinnigen Regierungsprojekts die Sache komplett
runterreden? Kann umgekehrt nicht die schwarz-rote Koalition endlich mit
dem Modus auch voriger Koalitionen brechen, selbst weiterbringende Anträge
und Änderungsideen der Opposition fast grundsätzlich abzulehnen?
Ungezählte Umfragen der vergangenen Monate haben eines deckungsgleich
ergeben: Vertrauen in Demokratie und den Staat wird sich nicht durch
Demokratiekurse und reine Diskussionen zurückgewinnen lassen, sondern durch
schlichtes Funktionieren des Staates, also in dem Fall des Landes Berlin.
Einfach gesagt: Die Mehrheit der Wählerschaft setzt nicht auf große Ideale
und die Rettung der Welt, sondern hat dann Vertrauen in den Staat, wenn der
dafür sorgt, dass es sauber, sicher, bezahlbar und pünktlich zugeht. In
einem Kommentar im Wahlkampf war zu lesen, die Unpünktlichkeit des
Staatsunternehmens Deutsche Bahn sei das größte Werbeprogramm für die AfD.
## Auch das schier Banale ernst nehmen
Was aber würde nach gängigem Muster passieren, wenn der schwarz-rote Senat
morgen Sauberkeit, Pünktlichkeit und Verlässlichkeit zu vorrangigen
Regierungszielen erklärte? „Provinziell“, würde es mindestens von der
Opposition heißen. Es würde gehöhnt, Berlin könne ja mitmachen beim
Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“.
Warum muss das so sein? Nur um sich beim Parteiabend im heimischen
Kreisverband über einen vermeintlich provinziellen Regierungschef lustig
machen zu können, der doch besser mal bei sich daheim Spandauer Dorfschulze
geworden wäre. Es gab Zeiten, da konnte Berlin sagen: So sind wir halt, wer
hier wohnt, will das Unaufgeräumte und Schangelige und Chaotische, das
mache diese Stadt doch aus, alles andere ist Blockwartmentalität.
Das dürfte schon immer eine abgehobene Sichtweise gewesen sein. Heute aber
gibt es die AfD, die jede überquellende Mülltonne als Beleg für ihr Mantra
nimmt, dass der Staat in seiner jetzigen Form abgewirtschaftet habe. Und
dass die auch in Berlin keine Kleinpartei im einstelligen Prozentbereich
mehr ist, hat vor sieben Wochen die Bundestagswahl gezeigt.
Warum nicht von CDU bis Linke, mit allen Vorfeldorganisationen und
anverwandten Communitys einen breiten Konsens darüber herstellen, dass
Berlin beispielsweise nicht deswegen die viel zitierte „Stadt der Freiheit“
ist, weil hier jeder seinen Müll auf die Straße werfen kann? Wenn es beim
als zuvor unendlich dröge geltenden, aber in gleicher Weise ungemein
wichtigen Thema Verwaltungsreform geklappt hat, sich auf Gemeinsamkeiten zu
verständigen, warum dann nicht auch hier?
## Unterschiede für die Wahl bleiben genug
Parteigrundsätze bräuchte dafür niemand zu kippen – ein Lob auf Dreck und
Unzuverlässigkeit gibt es weder bei der CDU noch der Linken im Programm.
Und Berlin hätte damit genauso einen „starken Plan“, wie ihn Friedrich Merz
im Koalitionsvertrag sieht. Einen parteipolitischen Einheitsbrei braucht
deshalb niemand zu befürchten: Unterscheidungsmerkmale für die
Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2026 gibt es jenseits davon noch genug.
13 Apr 2025
## LINKS
[1] /Koalitionsverhandlung-vor-Einigung/!6081238
[2] /Verwaltungsreform-in-Berlin/!6080450
[3] /Plenarsitzung-im-Abgeordnetenhaus/!6077836
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
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