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# taz.de -- Schwarze US-Literatur unter Trump: Black Lives Matter wird abgewick…
> US-Präsident Donald Trump würgt Maßnahmen zu mehr Diversität auf
> kulturellem Terrain rigide ab. Kommt das den großen Verlagen in den
> Staaten gelegen?
Bild: Seit der Black-Lives-Matter-Bewegung boomte schwarze Literatur, doch der …
Die Amtseinführung von Donald Trump liegt nicht einmal einen Monat zurück
und doch erscheint es manchmal so, als seien die USA schon seit einer
Ewigkeit unter seinem Regime. Unter der täglichen Flut an neuen
Ungeheuerlichkeiten aus dem Weißen Haus gerät beinahe schon in
Vergessenheit, was er der US-Bevölkerung in den ersten Tagen zugemutet hat.
So verblasst etwa das kaum überraschende Trump-Moratorium auf Initiativen
zu größerer Inklusion mittlerweile hinter Nachrichten wie solcher, dass
Elon Musk eine schwarze Liste von Rechtsanwälten angelegt hat, die Kläger
gegen seine radikalen Sparprogramme vertreten. Das Ende der staatlichen
Förderung von Inklusionsmaßnahmen wirkt da beinahe wie ein anfängliches
Ablenkungsmanöver von den schlimmeren Dingen, die Trump anzurichten
versucht und die direkt gegen die Strukturen der Demokratie gerichtet sind.
Dennoch haben Firmen und Institutionen noch immer alle Hände voll damit zu
tun, die Flut an Trump-Verordnungen abzuarbeiten. Die öffentlichen Fernseh-
und Rundfunkanstalten gaben bekannt, dass sie schweren Herzens ihre
Abteilung zur Förderung von Inklusion und Diversität (DEI) schließen. Ob
sie damit die befürchteten Mittelkürzungen vom Bund verhindern können, ist
freilich ungewiss.
Das staatliche Kennedy Center für darstellende Kunst musste eine Welle an
Rücktritten und Veranstaltungsausfällen verkraften, nachdem Trump sich
selbst an die Spitze der Organisation gesetzt hatte. Der US-Präsident hat
seinen engen Gefolgsmann Richard Grenell zum Interimsleiter des Centers
ernannt, in Deutschland kann man ihn noch als [1][bulligen US-Botschafter]
aus Trumps erster Amtszeit in Erinnerung haben. Diese Personalie spricht
für einen Kulturkampf im Kennedy Center, das eine der wichtigsten
kulturellen Einrichtungen in den USA ist.
Eigenartig still blieb es derweil im Verlagswesen, obwohl die
US-amerikanischen Buchverlage im Sog der Ermordung von George Floyd und dem
Wiederaufblühen der Black-Lives-Matter-Bewegung sehr aggressiv ihre
Diversitätsanstrengungen vorangetrieben hatten. Es gab keine Bekanntmachung
der „Big Five“-Verlage zu einer neuen Linie oder eine Stellungnahme zu
Trumps Verordnung. In der Branchenpresse war nichts zu dem Thema zu lesen.
Von etwaigen internen Memos wurde auch nichts bekannt. [2][Dan Sinykin,]
der an der Emory University von Atlanta über das Verlagswesen forscht,
sprach von einer gespenstischen Stille.
## Zeichen des Wandels
Die einzige Erklärung, die Sinykin für diese Stille hat, ist, dass die
Verlage gar nicht so sehr dagegen sind, ihre DEI-Anstrengungen im
Windschatten von Trump zurückzufahren. Wie bei vielen Kultureinrichtungen
ist im Verlagswesen der Inklusionsenthusiasmus, der nach 2020 um sich
griff, in eine Art Verdruss umgeschlagen. Insbesondere die Verlage haben
längst ihre Praktiken reduziert, ohne von Trump dazu gezwungen zu werden.
Prominentestes Beispiel für diese Entwicklung ist Lisa Lucas, die im Juli
2020 von Penguin Random House angeheuert wurde, um als Herausgeberin die
renommierten Imprints Schocken und Pantheon zu führen. Ihre Beförderung
wurde innerhalb und außerhalb der Branche als Zeichen bedeutsamen Wandels
gefeiert. Doch im Mai 2024 wurde Lucas wieder auf die Straße gesetzt.
Begründung des Verlages: Die Trennung sei „für das weitere Wachstum des
Verlages notwendig“.
Lucas war nicht die einzige Woman of Color, die erst begeistert von den
Verlagen eingestellt und dann wieder gefeuert wurde. Dana Candy wurde 2020
als Herausgeberin bei Simon and Schuster beschäftigt, sie verlor 2023 ihren
Job. LaSharah Bunting wurde beim selben Verlag 2021 Lektorin und musste
ebenfalls 2023 wieder gehen. Tracy Sherrod, die bei Little, Brown
Belletristik von nicht-weißen Autorinnen verlegen sollte, wurde 2024 wieder
vor die Tür gesetzt.
Die Schicksale dieser Frauen im Verlagswesen bestätigen Sinykins Theorie,
dass die Diversifizierungsanstrengungen der großen Verlage nur ein
vorübergehendes Zugeständnis an den Zeitgeist waren. Die Zahlen untermauern
die Theorie. Die Anzahl schwarzer Angestellter in den Verlagshäusern bleib
zwischen 2019 und 2023 konstant um die 5 Prozent. Auf der Führungsebene
blieb der Anteil weißer Beschäftigter bei 77 Prozent.
## Keine Erweiterung des Publikums
Dabei gab es zwischen den Jahren 2019 und 2023 tatsächlich einen merklich
ansteigenden Appetit für die Werke nicht-weißer Autoren. Der Anteil an
Belletristik von nicht-weißen Autoren auf dem Markt stieg von 9 auf 16
Prozent, der von schwarzen von 4 auf 9 Prozent.
Dan Sinykin liest jedoch die zahlreichen Entlassungen von nicht-weißen
Frauen in hochkarätigen Positionen als Zeichen für eine Trendwende. Eine
Trendwende, die sich seit den 60er Jahren mehrfach wiederholt hat. „Es gab
nach der Bürgerrechtsbewegung einen Boom schwarzer Literatur und Mitte der
90er Jahre noch einmal.“ Der Boom sei jedoch jeweils nach etwa vier Jahren
wieder abgeebbt, genau dem Zeitpunkt, in dem wir uns nun befänden.
Strukturell habe sich jedoch im Verlagswesen nichts verändert.
„Das Problem“, so Sinykin, „liegt darin, dass die großen Verlage nicht i…
Vorstellung davon erweitern, wer ihr Publikum ist.“ Der Kern der
amerikanischen Leserschaft seien nach wie vor hauptsächlich Frauen zwischen
30 und 60. Die brächten vielleicht Interesse an schwarzer oder an
LatinX-Literatur auf, wenn dies zeitgeschichtlich im Trend liege. Ein
dauerhaft stabiles Publikum für nicht-weiße Literatur seien sie jedoch
nicht.
Aus eben jenem Grund hatte sich Lisa Lucas schon 2022, als sie noch fest in
ihrem Verlegersessel saß, darüber beschwert, dass sie nicht ausreichend
Stellen in Marketing und Vertrieb besetzen könne. Es nütze nur wenig,
schwarze Lektoren zu beschäftigen, es aber gleichzeitig zu versäumen, ein
breites nicht-weißes Publikum zu schaffen.
Der Mangel eines solchen Publikums hat auch massiven Einfluss auf die Art
der literarischen Produktion. In einem langen Essay in der New York Times
schrieb der Journalist Ismail Muhammed darüber, dass nicht zuletzt die
erfolgreichen Autoren der Black-Lives-Matter-Ära, von [3][Colson Whitehead]
und Ta-Nehisi Coates bis hin zu Brit Bennett, Yaa Gyasi oder Bryan
Washington, dem uralten Dilemma nicht entkommen, weiße Erwartungen dessen
zu erfüllen, was „Blackness“ und was schwarze Themen sind. Muhammed nennt
dies „Representation Trap“ – die Repräsentationsfalle, eine Falle, die
wunderbar in der Filmsatire „American Fiction“ aus dem Jahr 2023 aufs Korn
genommen wurde.
## Suche nach echtem Pluralismus
So scheint die Verlagsbranche Kritikern der DEI-Bewegung nach George Floyd
in die Hände zu spielen, die glauben, dass DEI-Programme in ihrer jetzigen
Form nicht dazu angetan sind, echten gesellschaftlichen Pluralismus zu
fördern. So schrieb der afroamerikanische New Yorker [4][Linguist John
McWhorter] zu seinem eigenen Erstaunen, dass Trump das Richtige tue, indem
er die gegenwärtigen Formen von DEI beende.
Was natürlich laut McWhorter nicht bedeuten soll, dass weitere
Anstrengungen, eine wahrhaft pluralistische Gesellschaft zu schaffen,
eingestellt werden sollen. Es darf nur keine sein, die der gegenwärtigen
Polarisierung der Gesellschaft in die Hände spielt und vermeintliche
Identitäten als fix und rigide betrachtet.
So ist die spannende Frage im US-Verlagswesen vielleicht weniger, wie man
akut auf die politischen Vorgaben aus Washington reagiert. Interessanter
ist, ob das politische Klima dazu genutzt wird, weiterhin wirklichen
strukturellen Wandel aufzuschieben. Leider sieht es genau danach aus.
18 Feb 2025
## LINKS
[1] /Umstrittener-US-Diplomat-Richard-Grenell/!5687687
[2] /Buch-Big-Fiction-von-Dan-Sinykin/!6034541
[3] /Neuer-Roman-von-Colson-Whitehead/!5792847
[4] /Boeser-boeser-Hiphop/!5172194
## AUTOREN
Sebastian Moll
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