# taz.de -- Migration aus Senegal: Es dreht sich nicht alles um Deutschland | |
> In Senegal steigt die Arbeitslosigkeit, die Leute sprechen übers | |
> Auswandern. Hoch im Kurs steht aber nicht Deutschland, sondern zwei | |
> andere EU-Länder. | |
Bild: Senegales*innen würden eigentlich gern bleiben, wenn es der Wirtschaft b… | |
Europa blickt nach Europa. Gern auch in die USA. Aber weniger nach Afrika. | |
Und wenn, dann oft nur mit Tunnelblick: Migration, Krisen, Hilfe. Der | |
große, vielfältige Kontinent mit seinem Potenzial? Eher eine Randnotiz. | |
Doch umgekehrt wird Europa durchaus beobachtet, manchmal wird es gar | |
belächelt. | |
Ruhig, ernsthaft, streng – zu sich selbst und zu anderen. So beschreibt mir | |
ein Freund aus Senegal die Deutschen. Das klingt nach den gewohnten Bildern | |
von Pünktlichkeit, preußischer Disziplin und einem Hauch von | |
Humorlosigkeit. Doch es bedeutet auch Verlässlichkeit. Wer hart mit sich | |
selbst ist, wird ernst genommen. Wer Regeln befolgt, sorgt für Ordnung. | |
Manchmal zu viel davon. | |
Der senegalesische Blick sieht Stärken, aber auch Widersprüche: Man | |
bewundert die Effizienz, wundert sich aber über die Unnahbarkeit. Man | |
respektiert die Prinzipientreue, fragt sich aber, warum sie so oft in | |
Ungeduld umschlägt. Und während in Europa gern über das vermeintliche Chaos | |
Afrikas geredet wird, beobachtet Senegal, wie sich Deutschland in | |
Bürokratie verliert. Stereotype gibt es auf beiden Seiten. | |
In den Straßen Dakars jedenfalls rangiert der FC Bayern München in der | |
Beliebtheitsskala weit hinter Clubs wie FC Barcelona und Real Madrid. | |
Sowieso hat sich der senegalesische Blick in letzter Zeit verstärkt nach | |
Spanien gerichtet. | |
## Die Senegales*innen würden gern bleiben | |
Um die illegale Migration per Seeweg zu reduzieren, hat das Königreich | |
kürzlich ein zirkuläres Migrationsabkommen mit Senegal geschlossen. Das | |
ermöglicht es senegalesischen Arbeitskräften, temporär in Spanien zu | |
arbeiten und danach in ihre Heimat zurückzukehren. Durch die Schaffung | |
legaler Arbeitsmöglichkeiten sollen sowohl der Bedarf des spanischen | |
Arbeitsmarktes gedeckt als auch die wirtschaftliche Entwicklung im Senegal | |
gefördert werden. Geordnet und sicher. | |
Senegals Wirtschaft schwächelt, die Arbeitslosigkeit ist hoch, jede Chance | |
zählt. Doch wer glaubt, dass alle nur wegwollen, irrt. Die Mehrheit sagt: | |
Wäre die Perspektive da, sie würden bleiben. Senegales*innen sind | |
heimatverbunden. So wie es die Deutschen ja auch sind. | |
Die Bundesrepublik aber [1][spielt keine große Rolle] in dem | |
westafrikanischen Land, das bekannt für seine reiche Kunst, Kultur und | |
Musik ist. Frankreich dagegen, [2][als ehemalige Kolonialmacht], ist heute | |
noch sehr präsent – selbst im Kleinen. Französisches Weißbrot schlägt | |
deutsche Bratwurst mit Leichtigkeit. Afrikaweit gilt Senegal als das Land | |
mit dem höchsten Baguettekonsum pro Kopf. | |
Als Deutsche in Senegal erkennt man schnell, [3][dass sich nicht alles um | |
uns dreht]. Wahlen in Deutschland? Es folgen ein Schulterzucken auf der | |
Straße, gute Wünsche für die Zukunft und noch ein letzter Gedanke für den | |
Heimweg: Vielleicht braucht es manchmal weniger Regulierung und mehr Herz. | |
20 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Helena Kreiensiek | |
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