| # taz.de -- Wahlkampfkampagne für Linken-Kandidaten: Es klingelt in Neukölln | |
| > Vor der Bundestagswahl ziehen Aktivisten in Berlin-Neukölln von Haus zu | |
| > Haus. Ziel ist das Direktmandat für Ferat Koçak. | |
| Bild: An der Tür: Ferat Koçak macht für sich Werbung und lässt sich dabei g… | |
| Die erste Person läuft Melina Carls direkt vors Klemmbrett: eine etwa | |
| 50-jährige Frau, die gerade ihr Wohnhaus in der Neuköllner Weserstraße | |
| verlässt. „Hi, ich bin Melina, von der Linken-Neukölln. Wir wollen Politik | |
| anders machen und fragen gerade alle hier in der Nachbarschaft, was euch | |
| wichtig ist“, sagt Carls. Die Frau winkt ab, ist in Eile. „Ich interessiere | |
| mich nicht für Politik“, sagt sie. Carls hakt nach: „Was würdest du ände… | |
| wenn du in Neukölln das Sagen hättest? Hier vor deiner Tür?“, fragt sie. | |
| Die Frau zögert kurz und legt dann los. Sie redet vom Müll auf der Straße, | |
| nachlässig entsorgter Hausmüll, der Ratten und Mäuse anlockt. Kurz winkt | |
| sie zu einer Jugendlichen, die am Auto auf sie wartet, es dauere noch. Sie | |
| schimpft über die Mieten und generell die Wohnungsnot, sie beschwert sich | |
| über die neuen Poller, die den Verkehr begrenzen sollen, aber zu mehr | |
| Konflikten mit Radfahrer*innen geführt hätten. „Es gibt so viel, was | |
| sich ändern müsste, ich weiß gar nicht, wo man anfangen soll“, sagt sie. | |
| Und auch, dass sie zwar seit Jahrzehnten im Kiez lebe und hier geboren sei, | |
| aber nicht als „richtige Deutsche“ angesehen werde. | |
| Carls nickt, hört zu, fragt ein-, zweimal nach. „Mit deinem Eindruck bist | |
| du nicht allein – wir haben schon vorher mit Tausenden Leuten im Kiez | |
| gesprochen. Und Mieten, steigende Preise, Dreck und der Nahverkehr, das | |
| waren tatsächlich die Themen, die die meisten angesprochen haben“, sagt | |
| Carls schließlich. „Wir glauben: Das muss nicht so bleiben. Und Ferat Koçak | |
| von den Linken will genau an diesen Themen etwas ändern. Er kommt selbst | |
| aus Neukölln und will mit euch zusammen eure Anliegen umsetzen.“ Sie kramt | |
| in ihrer Tasche nach den Flyern und setzt dann zur entscheidenden Frage an: | |
| „Könntest du dir vorstellen, Ferat am 23. Februar deine Stimme zu geben?“ | |
| Die Frau guckt auf den Flyer. Das Gespräch hat vielleicht zehn Minuten | |
| gedauert. Carls weist sie auch auf ein Kiezfest hin, zu dem die Linke-Mitte | |
| im Februar einladen wird. „Ja, ich kann mir vorstellen, ihn zu wählen“, | |
| sagt die Frau. „Wäre ja gut, wenn jemand mal etwas ändert.“ Und sie erkl�… | |
| sich auch dazu bereit, Freundinnen davon zu erzählen und Flyer | |
| weiterzugeben. Dann geht sie zum Auto. | |
| Carls dreht sich um zur Haustür eines fünfstöckigen Mietshauses. Die Tür | |
| ist noch offen, sie geht in den Flur und klingelt an der nächsten Haustür. | |
| „Wenn jemand so wie eben sagt, sie interessiert sich nicht für Politik, da | |
| freue ich mich eigentlich immer. Denn das sind oft Leute, die ihren Alltag | |
| nicht mit Politik verbinden. Sie sind gefrustet, und am Ende erzählen sie | |
| richtig viel“, sagt Carls. Bei der nächsten Bewohnerin hat sie weniger | |
| Glück: „Nicht meine Partei“, sagt diese nur und schlägt die Tür zu. Carls | |
| zuckt die Schultern und geht die Treppe hoch. | |
| Melina Carls ist eine von mehr als tausend Menschen, die sich in Neukölln | |
| in einer vom Bezirksverband der Linken ausgerufenen Aktionswoche am | |
| Haustürwahlkampf beteiligen. Sie ist dafür extra aus Hannover angereist, wo | |
| sie sich seit Kurzem in der Linken engagiert. Und sie kam nicht allein: Für | |
| die rund 40 Personen aus ihrer Gruppe hatten sie einen eigenen Reisebus | |
| gemietet. Dabei sind auch parteiferne Freund*innen, die sich in der | |
| Klimabewegung oder bei Studis gegen rechts engagieren. | |
| Die Methode, mit möglichst vielen Menschen massenhaft an die Haustüren zu | |
| gehen, ist noch neu in deutschen Wahlkämpfen. Und Neukölln setzt hierbei | |
| neue Maßstäbe. Noch nie sollten mehr Gespräche geführt werden, niemals | |
| zuvor beteiligten sich mehr Menschen. Ferat Koçak, der seit 2021 im | |
| Berliner Abgeordnetenhaus sitzt und sich als [1][„Aktivist im Parlament“] | |
| begreift, sagt voller Stolz: „Das ist kein Wahlkampf mehr, das ist eine | |
| Bewegung.“ | |
| Die erste vergleichbare Massenaktion fand im Vorfeld der sächsischen | |
| Landtagswahl im vergangenen Herbst statt – ebenfalls für einen Kandidaten | |
| der Linken. Damals warben bis zu 200 Menschen gleichzeitig an den Haustüren | |
| im Leipziger Osten für Nam Duy Nguyen. Sie klingelten an 50.000 Türen und | |
| steigerten das Erststimmenergebnis der Linken von 22 auf 40 Prozent. | |
| [2][Nguyen holte das Direktmandat]. | |
| Was damals half, war aber auch ein Aufruf der Kampagnenplattform Campact an | |
| alle Haushalte, taktisch für die Linke zu stimmen. Vergleichbare | |
| Unterstützung fehlt in Neukölln. Auch ist die Linke hier nur im Norden | |
| vergleichsweise verankert, im stark migrantisch geprägten, aber auch | |
| gentrifzierten Hipster-Stadtteil. Der Süden des Bezirks mit insgesamt | |
| 330.000 Einwohner:innen ist dagegen mit seinen | |
| Einfamilienhaussiedlungen kein natürliches Linken-Reservat. Für 13 Prozent | |
| der Erststimmen reichte es für die Partei bezirksweit bei der letzten | |
| Bundestagswahl, halb so viel, wie der siegreiche SPD-Kandidat Hakan Demir | |
| einfuhr, und deutlich weniger als Grüne und CDU. Die Vorstellung, als Linke | |
| diesen Wahlkreis gewinnen zu können, ist eine Anmaßung. | |
| ## Die Rechnung: 80.000 Türen, 8.000 Zusagen | |
| Doch das Wahlkampfteam von Koçak hat durchgerechnet, wie über | |
| Massenmobilisierung der Erfolg möglich werden soll. Die Formel: An 80.000 | |
| Türen müsse geklopft, 8.000 Wahlzusagen eingeholt werden. Die Hoffnung: | |
| 12.000 zusätzliche Stimmen bringen Koçak auf 20 Prozent, was angesichts der | |
| ähnlichen Stärke der anderen Parteien für das Direktmandat reichen könnte. | |
| So erzählen es Annika Hombücher und Antonia Heinrich, die den | |
| Haustürwahlkampf im „Team Ferat“ koordinieren. | |
| Grundlage ihres Wahlkampfs ist ein „Mapping“ aus der Parteizentrale, sagt | |
| Hombücher, das in Neukölln 86 Stimmbezirke mit je etwa 1.000 | |
| Einwohner:innen ermittelt hat, in denen sich die Linke aufgrund der | |
| Sozialstruktur die höchsten Stimmenzuwächse erhofft. Hier wollen sie an | |
| jede Tür. Gesteuert wird alles über die Linke-Aktivisti-App. Mit dieser | |
| markieren die Haustürwerber:innen, an wie vielen Türen sie geklopft, | |
| wie viele Gespräche sie geführt und wie viele Wahlzusagen sie gesammelt | |
| haben. | |
| Beim Landtagswahlkampf in Leipzig hatte Melina Carls ihre ersten | |
| Erfahrungen mit Haustürwahlkampf gemacht. Schon ihre zweite Tür damals habe | |
| sie beeindruckt. Dort war sie auf einen Mann aus Afghanistan getroffen, der | |
| auf ihre Frage, was er ändern würde, gesagt hatte: Die Bürgergeldempfänger | |
| seien ein Problem und die Flüchtlinge aus der Ukraine, die alle dorthin | |
| zurück in den Urlaub fahren würden. Sie habe geschluckt – und „dann habe | |
| ich mir das zum ersten Mal unkommentiert angehört“, sagt sie. „Es geht in | |
| diesen Gesprächen darum, herauszufinden, was das Anliegen der Leute ist“, | |
| sagt sie. „Oft erleben die Menschen etwas als Ungerechtigkeit – und wir | |
| wollen erst mal zuhören.“ | |
| Im Gespräch mit dem Mann wurde klar, dass auch er sich wünschte, sein | |
| Heimatland zu besuchen, das aber nicht könne. „Wir haben uns am Ende darauf | |
| geeinigt, dass es allen Menschen möglich sein soll, Urlaub zu machen. Und | |
| dass es ungerecht ist, dass manche viel weniger arbeiten als er und | |
| trotzdem ein Vielfaches verdienen.“ Der Mann habe sie mit großen Augen | |
| angesehen, als sie am Ende fragte, ob er die Linke wählen würde. „Na klar, | |
| worüber reden wir denn die ganze Zeit?“, habe er gesagt. | |
| „Das ist jemand, den haben wir bisher nicht erreicht – und das ist ein | |
| tolles Gefühl von Selbstwirksamkeit“, sagt Carls. Die 27-Jährige arbeitet | |
| in einem Bürojob, den sie auch aus dem Homeoffice machen kann. Sie bleibt | |
| die ganze Woche in Neukölln, um hier abends und an den Wochenenden die | |
| Türen abzuklappern. Neukölln ist für sie „der Ort, an dem wir die AfD | |
| konkret schwächen können“. Auch Koçak wirbt damit: Der Einzug der Linken | |
| würde die AfD nach derzeitigem Stand sechs Sitze im Bundestag kosten – | |
| Diäten und Gelder für Mitarbeiter:innen zusammengerechnet bedeute dies | |
| elf Millionen Euro weniger für die AfD. | |
| Einige Stunden zuvor steht Carls mit mehreren Hundert anderen Freiwilligen | |
| im Veranstaltungssaal Refugio und spürt „ein Kribbeln“, sagt sie. Hier ist | |
| das Zentrum des Wahlkampfs für die Woche. | |
| Kurz vor Beginn des Auftaktstreffens geht es emsig zu. Eine Handvoll | |
| Freiwilliger packt die letzten Beutel für die Wahlkämpfer:innen, mit | |
| Klemmbrett und Gesprächsleitfaden, Koçak-Flyern und Türhängern, einer | |
| Kontaktliste und einer Gaza-Petition, die den Stopp von Waffenlieferungen | |
| an Israel fordert. In dem mit Plakaten und Fahnen geschmückten Saal ist | |
| schon alles vorbereitet: Kaffee ist gekocht, an den Wänden hängen Hinweise | |
| für das Awarenessteam und der Plan für die Woche, der neben den | |
| Aktionszeiten auch Filmvorführungen und Podiusmsdiskussionen beinhaltet. An | |
| der Anmeldung am Eingang sitzen zwei junge Frauen und sorgen dafür, dass | |
| sich alle in Listen eintragen, die notwendigen Apps herunterladen und bei | |
| Bedarf über die extra eingerichtete Bettenbörse verteilt werden. | |
| ## Niemals allein, immer zusammen | |
| Kaum einer, der ankommt, ist älter als 25, maximal 30 Jahre, einige haben | |
| große Wanderrucksäcke geschultert, kommen aus Leipzig, Freiburg oder Köln, | |
| sind aktiv beim Studierendenverband SDS, in Klima- und Antifagruppen. Als | |
| die etwa 150 Sitze im Raum fast alle besetzt sind, beginnt Koçak mit seinem | |
| Ritual: „Niemals“, ruft er ins Mikrofon, „allein“, schallt es zurück. | |
| „Immer“ ruft Koçak, „zusammen“ antwortet das Publikum. Angesichts der … | |
| 1.000 Anmeldungen, die Zahl ist laut den Organisator*innen nach dem | |
| Merz-Eklat im Bundestag noch einmal in die Höhe geschnellt, ruft Koçak: | |
| „Wir werden das Ding hier gewinnen.“ | |
| Der 45-Jährige, aufgewachsen in Kreuzberg an der Grenze zu Neukölln, | |
| erzählt von seinem Großvater, der einst als Gastarbeiter aus Anatolien kam | |
| und in Deutschland als Asphaltbauer arbeitete. „Während er das Land | |
| aufbaute, blieb er für viele ein Fremder“, das ist die Erfahrung, an die | |
| Ferat Koçak anknüpft. Er selbst erlangte überregionale Bekanntheit durch | |
| einen Anschlag 2018, bei dem [3][zwei mittlerweile verurteilte Neonazis] | |
| sein Auto direkt neben dem Haus, das er mit seinen Eltern bewohnt, | |
| angezündet hatten. Das Feuer hätte fast auf die Gasleitung übergegriffen. | |
| Koçak hat das viel Angst gemacht, bis heute. Sein Politaktivismus ist seine | |
| Art, damit umzugehen. Kein Berliner Politiker ist häufiger als Redner auf | |
| Demos, kaum einer ist auf seinen Online-Kanälen so präsent. Fast 70.000 | |
| Menschen folgen seinen täglichen Posts auf Instagram, mehr als 85.000 auf | |
| Tiktok, | |
| „Wir müssen weg von hier“, habe er seiner Mutter nach dem Anschlag gesagt, | |
| erzählt Koçak dem Publikum. Sie antwortete ihm: „Wir sind doch schon einmal | |
| geflohen. Neukölln ist unser Zuhause.“ | |
| Mit dieser Art der persönlichen Ansprache kann Koçak ein Publikum für sich | |
| gewinnen. Später wird er der taz erzählen, dass ihm sein Großvater nach | |
| seinem Einzug ins Abgeordnetenhaus 2021 gesagt habe: „Vergiss nicht, wo du | |
| herkommst.“ Auch daraus zog er die Konsequenz, sein Gehalt zu begrenzen. | |
| Das, so sein Versprechen, soll auch wieder so sein, sollte er in den | |
| Bundestag einziehen. 2.500 Euro im Monat für ihn, der Rest geht in einen | |
| Fonds und wird über die Sozialsprechstunde in seinem Büro umverteilt. | |
| In der Wahlkampfzentrale Refugio wird derweil der Druck auf die | |
| Wahlkämpfer:innen erhöht. Sie mögen sich überlegen, wie oft sie bereit | |
| sind, an die Türen zu gehen, und wie oft sie das „zusätzlich“ zu ihrem | |
| bisherigen Vorhaben machen wollen, sagt Wahlkampfmanagerin Hombücher. „Nur | |
| einmal gehen, kann uns das Genick brechen.“ Wenn alle im Schnitt drei Tage | |
| mehr investieren würden, könnten 40.000 Türen mehr erreicht werden, so die | |
| Argumentation. | |
| Die jungen Wahlkämpfer:innen reagieren gelassen, die Stellwand, an der | |
| man mit Klebepunkten seine zusätzlichen Tage – 1, 4 oder 7 – markieren | |
| soll, bleibt später fast unberührt. Der Motivation für die Schulung im | |
| Haustürwahlkampf tut das keinen Abbruch. Gebannt folgt der Saal einem | |
| Crashkurs über Neukölln, die Gegenkandidaten, alle mit sicheren | |
| Listenplätzen, und über das richtige Auftreten an der Tür. | |
| Der Antrieb zum Engagement ist der Linken in Neukölln eingeschrieben, der | |
| Bezirksverband ist Hort des trotzkistischen Netzwerks Marx 21, das die | |
| Revolution über andauernden Aktivismus erzwingen will. Von hier operierte | |
| man stets gegen die Regierungsbeteiligungen der Linken im Berliner Senat | |
| und setzte unabhängig von der Partei auf eigene Themen, zuletzt auf den | |
| [4][Schulterschluss mit der propalästinensischen Protestszene]. Dass ihr | |
| Basismitglied Ramsis Kilani wegen Antisemitismus aus der Partei geworfen | |
| wurde, stößt hier auf wenig Verständnis. Auch deshalb gucken viele in der | |
| Partei, die sich Ämter vor ihre Vornamen klemmen können, eher mit Befremden | |
| nach Neukölln. Dort sieht man sich dagegen als einen der erfolgreichsten | |
| Kreisverbände des Landes mit mehr als 1.000 Mitgliedern und einem der | |
| besten Wahlergebnisse im Westen. | |
| 16 Haustüren, 8 Gespräche, 5 Wahlzusagen trägt Melina Carls am | |
| Samstagmittag nach ihrem ersten Haus in die App ein. Eine Frau hatte direkt | |
| gesagt, dass sie Mitglied in der Linken sei. Eine andere, dass sie eh die | |
| Linke wähle. Ein türkeistämmiger Mann nennt Mieten, Preise und Müll als | |
| Anliegen, erkennt dann Ferat Koçak auf dem Flyer und ist fast begeistert, | |
| als er hört, dass er ihn wählen kann. | |
| Eine Anwohnerin hat nicht die deutsche Staatsbürgerschaft und darf nicht | |
| wählen, ein anderer ist in Brandenburg gemeldet. Ein Mann gibt sich als | |
| SPDler zu erkennen, stimmt aber zu, dass die Linke im Bundestag wichtig | |
| sei. Als Carls argumentiert, dass der Neuköllner SPD-Kandidat über die | |
| Liste eh einziehen wird, lacht er nur und sagt: „Guter Versuch.“ Das | |
| Gespräch ist beendet, Carls ärgert sich. „Ich habe nicht nach seinen | |
| Anliegen gefragt. Daher war das schwierig“, bedauert sie. „Ich glaube, den | |
| hätten wir kriegen können.“ | |
| Bundesweit will die Linke ihren Einzug in den Bundestag durch den Gewinn | |
| von drei Direktmandaten sichern. Sie setzt in Berlin auf Gregor Gysi in | |
| Treptow-Köpenick und Ines Schwerdtner in Lichtenberg, auf Sören Pellmann in | |
| Leipzig und Bodo Ramelow in Erfurt. Auf der Partei-Website werden noch drei | |
| weitere „aussichtsreiche Wahlkreise“ genannt. Von Neukölln: keine Rede. Von | |
| Spitzenpersonal der Linken an der Seite von Koçak: keine Spur. | |
| Zieht Koçak Wahlkämpfende ab, die dann in Bezirken mit besseren Aussichten | |
| fehlen, wie etwa Berlin-Lichtenberg, wo ebenso ein ambitionierter | |
| Haustürwahlkampf läuft? Er weist das zurück: „Es gibt hier sehr viele | |
| Menschen, die für mich auf die Straße gehen, das für die Linke aber nicht | |
| tun würden“, sagt er. Migrant:innen, parteiferne Bewegungsaktivist:innen, | |
| sehr junge Leute, die über Social Media zu ihm gestoßen sind. | |
| ## Viel Engagement aus dem Kiez | |
| Der mangelnden Unterstützung für Koçak aus der Bundespartei steht viel | |
| Engagement aus dem Kiez gegenüber, etwa von der Filmproduktion Jünglinge, | |
| die zuletzt die Serie „[5][Schwarze Früchte]“ für die ARD produzierte. Ein | |
| ganzes Wochenende lang drehen die jungen Filmschaffenden ein Werbevideo für | |
| Koçaks Erststimmenwahlkampf, das am Dienstag erscheinen soll. Zum | |
| Abschlussdreh sind etwa 80 Menschen an der Kindl-Treppe zusammengekommen, | |
| ein mehrfach gewendeter Aufgang, der sich zwischen mit Graffiti übersäten | |
| Betonwänden zu dem ehemaligen Brauerei-Areal hochwindet. | |
| Während ein feministischer Chor auf der Treppe Aufstellung genommen hat, | |
| zwei Dutzend Statist:innen an ihrem Fuße warten und aus dem Pulk von | |
| Produzent:innen, Kamera- und Tonleuten die Anweisungen gebrüllt werden, | |
| läuft Koçak etwas abseits die Straße rauf und runter. Immer wieder hört man | |
| ihn sagen: „Neukölln hat Hoffnung!“ Fast wirkt es so, als wolle er sich Mut | |
| zusprechen. Kurz zuvor noch hatte er erzählt, dass sein Gegenkandidat der | |
| SPD mit einer aus seiner Sicht wenig repräsentativen Umfrage und der | |
| Erzählung „Entweder ich – oder die CDU“ hausieren geht. Doch in diesem | |
| Moment übt Koçak den Text, den er gleich in die Kamera sprechen wird, | |
| während hinter ihm der Chor die Hoffnung des Bezirks besingen wird. | |
| Kontakt zwischen Koçak und den Produzent:innen gab es vorher keinen. | |
| Das Produktionsteam sei auf ihn zugegangen, die viele Arbeit machen sie | |
| „for free“, sagt Produzentin Paulina Lorenz: „Uns ist es wichtig, | |
| Solidarität zu zeigen.“ Mit der Linken? „Nein, wir machen das für ihn, f�… | |
| seine Arbeit, seinen Antifaschismus.“ Mitproduzentin Raquel Dukpa ergänzt: | |
| „Wenn die Revolution beginnt, dann in Neukölln.“ Es ist ein Satz von Koça… | |
| Dieser Hoffnung auf eine Community, die sich gegen Rassismus und | |
| Abschiebungen wehrt, für bezahlbare Mieten und einen besseren Nahverkehr | |
| einsetzt, wollen sie mit dem Video Ausdruck verleihen. | |
| Am Tag danach macht die Haustür-Gruppe noch mal andere Erfahrungen, da sind | |
| sie im Neuköllner Süden unterwegs. „Vor dem ersten Haus haben uns Leute auf | |
| der Straße einfach angeschrien, und der Mann an der ersten Tür hat uns | |
| AfD-Flyer hingehalten und gesagt, niemand anderes im Haus spricht Deutsch, | |
| ihr könnt gleich wieder gehen“, erzählt Melina Carls. Weiter oben im Haus | |
| dann eine Mieterin, deren Familie seit vier Generationen in Deutschland | |
| sei, und die ihr erzählt habe, dass sie seit Tagen darüber sprechen würden, | |
| ob sie zurück in die Türkei müssten. „Der Tag hat uns nachdenklicher | |
| gemacht, aber auch gezeigt: Wir machen hier das Richtige“, sagt Carls. | |
| „In der Partei ist so eine Aufbruchstimmung, viele Menschen politisieren | |
| sich gerade, vor allem auch migrantische“, sagt Koçak. | |
| Die Erfolgsmeldungen verbreitet er täglich. Bis zum Freitag haben die | |
| Neuköllner bereits an 72.929 Türen geklopft. 7.064 Menschen haben | |
| versprochen, Koçak zu wählen. | |
| 8 Feb 2025 | |
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