# taz.de -- Parteienforscherin über Mitgliedszuwachs: „Mitglieder sind ungla… | |
> Mehr Mitglieder bei Linken und Grünen sind keine Garantie für bessere | |
> Umfrageergebnisse, sagt Parteienforscherin Kölln. Und doch gibt es | |
> Vorteile. | |
Bild: „Wir wollen verändern“, verspricht Linken-Bundesvorsitzende Ines Sch… | |
taz: Während mehr und mehr Menschen Parteimitglieder bei Grünen und Linken | |
werden, gewinnen CDU und AfD Prozentpunkte in den Umfragen dazu. Frau | |
Kölln, wie geht das zusammen? | |
Ann-Kristin Kölln: Diejenigen, die Parteimitglieder werden, haben eine viel | |
stärkere ideologische Bindung an die Partei als Wähler*innen. Mitglieder | |
wählen zu 92% eh schon die Partei, in der sie Mitglied sind und | |
Neumitglieder noch häufiger. | |
taz: Also können die Parteien am Wahlabend gar nicht davon profitieren, | |
dass sie so viele neue Mitglieder haben? | |
Kölln: Wahrscheinlich werden sie verzögert profitieren. Mitglieder sind | |
unglaubliche Multiplikatoren. Wenn die alle für die Partei Wahlkampf | |
machen, an Haustüren klingeln, hat das jetzt vielleicht noch keinen Effekt | |
auf die Sonntagsfrage, aber da könnte noch was passieren. | |
taz: Laut Sonntagsfrage haben AfD und Union um einen Prozentpunkt zugelegt, | |
die Grünen sogar einen Prozentpunkt verloren. Helfen die Neuen wenigstens | |
monetär? | |
Kölln: Klar, die Mitgliedsbeiträge sind eine finanzielle Hilfe im | |
Wahlkampf, aber so hoch wie die Summen, die etwa AfD und FDP durch | |
[1][Spenden von Unternehmen] einnehmen, sind sie nicht. Zugute kommt Linken | |
und Grünen durch die Neueintritte immerhin, dass sich die staatliche | |
Parteienfinanzierung auch nach der jeweiligen Zahl der Parteimitglieder | |
richtet. Abgesehen davon sollte man Umfrageergebnisse mit Vorsicht | |
interpretieren. | |
taz: Warum? | |
Kölln: Die Prozentzahlen, die veröffentlicht werden, sind nicht einfach das | |
Ergebnis der Befragung. Die Umfrageinstitute versuchen, verschiedene | |
Faktoren zu gewichten, zum Beispiel, dass Menschen mit höherem | |
Bildungsniveau mit höherer Wahrscheinlichkeit an der Umfrage teilnehmen. Es | |
besteht auch immer die Möglichkeit, dass Ergebnisse früherer Umfragen mit | |
einbezogen werden und Meinungsforschungsinstitute ein neues Ergebnis | |
vielleicht nicht veröffentlichen, wenn es gänzlich gegen den Trend geht. | |
taz: Die Institute beeinflussen sich gegenseitig? | |
Kölln: Ja, das ist zumindest eine theoretische Möglichkeit. 2015 wurde das | |
Ergebnis der Parlamentswahl in Großbritannien extrem schlecht vorhergesagt | |
– alle Umfrageinstitute lagen falsch. Im Nachhinein hat man versucht, die | |
Gründe dafür herauszufinden. Eine Frage war damals, ob Ergebnisse | |
zurückgehalten wurden. Tatsächlich hatte am Ende den größten Einfluss, dass | |
viele Stichproben nicht repräsentativ waren. Hinzu kam aber, dass die | |
Institute ihre Ergebnisse aneinander angepasst haben. | |
taz: Fest steht jedenfalls, dass die Linke in Deutschland seit 2010 nicht | |
mehr so viele Mitglieder hatte wie jetzt. Passiert gerade etwas Besonderes? | |
Kölln: Mitgliederzahlen bei Parteien verlaufen in Zyklen: Im Wahlkampf | |
treten Leute ein, danach kommt eine Austrittswelle, das ist ganz normal. | |
Aber gerade kommen [2][noch die extrem hohen Zustimmungswerte für die AfD | |
dazu.] Ich gehe davon aus, dass sie zu den vielen Eintritten bei Linken und | |
Grünen führen. Dazu passt auch, dass die Gründe für den Eintritt bei Grünen | |
und Linken eher kollektiver Natur sind. Das heißt, es geht für die | |
Neumitglieder meist darum, die Partei oder bestimmte Themen zu stärken. Bei | |
anderen Parteien wie FDP, SPD und Union erwarten die Neumitglieder eher | |
persönliche oder politische Vorteile, das wissen wir aus der Forschung. | |
taz: Für den [3][Haustürwahlkampf] muss man das Parteiprogramm nicht | |
auswendig kennen, da können die Neuen von Anfang an mitmachen. Und danach? | |
Wie gut wissen Grüne und Linke ihr neues Mitgliederpotenzial zu nutzen? | |
Kölln: Das ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer abzusehen. In jedem Fall | |
müssen die Parteien sich gut organisieren und strukturieren, damit die | |
Neumitglieder keine Karteileiche werden. | |
taz: Was müssen Parteien tun, damit die neuen Mitglieder bleiben? | |
Kölln: Es braucht einen Innovationswillen, dass man Neues zulässt, | |
vielleicht wollen die Neuen was anders machen als den klassischen Infostand | |
oder das Flugblatt. Durch Innovationsfreude tun sich Parteien in der Regel | |
nicht hervor. Sie sind pfadabhängig und eher träge in der Organisation und | |
den Programmen. Das andere ist die interne Mitbestimmung. Da stehen Linke | |
und Grüne sehr gut da. Schauen Sie sich mal an, wie dick die Antragsbücher | |
der Parteitage sind! Im Gegensatz zu anderen Parteien kann hier jedes | |
einzelne Mitglied einen Antrag stellen, um die Parteilinie zu beeinflussen. | |
Das motiviert, dabei zu bleiben. | |
9 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Franziska Schindler | |
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