| # taz.de -- AfD-Verbotsverfahren: Es ist höchste Zeit | |
| > Die AfD hat längst eine kritische Größe erreicht und sitzt in | |
| > Machtpositionen. Der Antrag auf ein Parteiverbot kommt eher zu spät als | |
| > zu früh. | |
| Bild: Berlin, 24. 01. 2024: Demonstration für den Schutz der Demokratie und ei… | |
| Während der Bundeskanzler Olaf Scholz sich noch ziert, sich klar zu einem | |
| möglichen Verbotsverfahren gegen die autoritär-nationalradikale AfD zu | |
| positionieren, haben die Rechtsextremen klare Vorstellungen, was demnächst | |
| so mit der SPD zu tun sei. AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla sagte kürzlich | |
| bei einem Wahlkampfauftritt in Thüringen: „Diese SPD ist endgültig für den | |
| Schafott geeignet.“ Ein Schafott ist eine Bühne für Enthauptungen. Das | |
| illustriert ganz gut die Debatte um das an Fahrt aufnehmende AfD-Verbot: | |
| Teile der SPD sind unsicher; die AfD will die SPD zerteilen. | |
| Bereits im Juni hatten sich genug Bundestagsabgeordnete zusammengefunden, | |
| [1][um einen entsprechenden Antrag einzubringen]. Mittlerweile sind es mehr | |
| geworden und bald soll über den fraktionsübergreifenden Antrag [2][im | |
| Bundestag diskutiert werden]. Er soll auch die ersatzweise Möglichkeit nach | |
| dem Entzug der staatlichen Parteienfinanzierung ebenso wie ein Verbot | |
| einzelner Landes- und Jugendverbände als milderes Mittel beinhalten, wenn | |
| es vor Gericht nicht für ein Verbot der Gesamt-AfD reichen sollte. | |
| Der Antrag auf ein Parteiverbot kommt eher zu spät als zu früh, denn | |
| spätestens mit dem Erreichen von Sperrminoritäten bei den Landtagswahlen | |
| von Thüringen und Brandenburg hat die AfD eine kritische und für unsere | |
| Demokratie problematische Größe erreicht. Das Urteil zum NPD-Verbot von | |
| 2017 unterstrich, dass die Entstehung konkreter Gefahren für die | |
| freiheitlich-demokratische Grundordnung „bereits weit im Vorfeld“ | |
| verhindert werden sollten – nach der Maxime „Wehret den Anfängen“. | |
| Dafür ist es mittlerweile schon eher zu spät. Die ersten Schritte auf dem | |
| Weg zum Autoritarismus sind längst getan, Konservative üben sich im rechten | |
| Kulturkampf und die Bundesregierung betreibt Abschottungspolitik. Derzeit | |
| müsste es eher heißen: „Wehret dem Weiter-so“. | |
| ## Gerichtliche Auseinandersetzungen | |
| Es ist klar, dass das Verfahren auch verloren gehen kann. Aber es ist | |
| besser, wenn ein Verbotsverfahren scheitert, als wenn die Demokratie | |
| scheitert. Und die Partei hat immer wieder gerichtliche | |
| Auseinandersetzungen zu ihren Einstufungen durch den Verfassungsschutz | |
| verloren – zuletzt die Bundespartei vor dem Oberverwaltungsgericht in | |
| Münster, wo die Richter die Einstufung als rechtsextremen Verdachtsfall | |
| bestätigten. | |
| Die rechtsextreme Materialsammlung über die AfD wächst unterdessen weiter: | |
| Sie versucht zwar, sich systematisch zu verharmlosen, aber wer sich im | |
| Sommer auf ihren Wahlkampfveranstaltungen umgeschaut hat, dürfte wenig | |
| Zweifel am extrem rechten Charakter dieser Partei haben. Die Partei hetzt | |
| gegen Minderheiten, will den Parteienstaat zerschlagen, die Pressefreiheit | |
| bekämpfen und mit Diktatoren wie Putin paktieren. | |
| Björn Höcke forderte schon 2018 in seinem Buch ein „großangelegtes | |
| Remigrationsprojekt“ mit „wohltemperierter Grausamkeit“ und ist der | |
| Meinung, Deutschland könne mit 20 bis 30 Prozent weniger Menschen leben. Im | |
| Wahlkampf rief er in Cottbus von der Bühne: „Glaubt nicht, was in den | |
| Geschichtsbüchern steht“ – und machte dann Selfies mit jungen AfD-Fans, | |
| teils im „Blitzkrieg“-Shirt. In Brandenburg verteilte die AfD zwischen | |
| einer Hüpfburg, einem Zuckerwattestand und Kinderschminken sogenannte | |
| Kubotans, also kleine Waffen, als Wahlkampf-Giveaways. | |
| Trotz ihrer Radikalität hat sich die Partei normalisiert und das macht sich | |
| gesellschaftlich nicht zuletzt durch steigende rechte Gewalt bemerkbar. Die | |
| AfD wie bisher „politisch zu stellen“, hat offensichtlich nicht geklappt. | |
| ## Verfassungsfeindlich, aber irrelevant | |
| Das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2017 besagte: Die NPD ist zwar klar | |
| verfassungsfeindlich, aber zu irrelevant, um sie zu verbieten. Sie habe | |
| keine Chance, ihren Willen durchzusetzen. Nun, bei der AfD ist das anders. | |
| Die AfD hat den Diskurs vergiftet und kann bereits mit ihrer Sperrminorität | |
| in Thüringen und Brandenburg wichtige demokratische Prozesse blockieren. | |
| Dass ihr dazu jegliche Mittel recht sind, daran kann es nach dem Eklat | |
| schon bei der Konstituierung des Thüringer Landtags wenig Zweifel geben. | |
| Sie will das Land unregierbar machen und nutzt dafür jeden Spielraum, den | |
| die Demokratie ihr bietet, um sie von innen heraus zu bekämpfen: Erst | |
| instrumentalisiert sie das formale Amt des Alterspräsidenten, um das | |
| Thüringer Parlament zu beschädigen, hinterher greift sie das Urteil des | |
| Verfassungsgerichts und den Rechtsstaat an – alles nach autoritärem | |
| Playbook. Die Besetzung desselben Verfassungsgerichtshofs in Thüringen | |
| können die Autoritären mittlerweile blockieren und langfristig lahmlegen. | |
| Ein Parteiverbot kommt in Thüringen eigentlich zu spät. | |
| Zugleich darf ein Verbotsverfahren nicht bedeuten, dass es keine | |
| gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Aufschwung des Autoritarismus | |
| braucht. Es braucht parallel dazu natürlich auch eine konfliktfähige | |
| Zivilgesellschaft, die für die Demokratie eintritt. Erinnert sei hier noch | |
| einmal an die Millionen Menschen, die Anfang des Jahres gegen | |
| Rechtsextremismus und für die Demokratie auf der Straße waren. Eine dort | |
| vielfach formulierte Forderung war übrigens ein AfD-Verbot. Das war ein | |
| Moment, in dem die AfD wirklich politisch gestellt wurde – und nicht, indem | |
| man schrittweise ihre Abschottungsagenda oder ihre rassistischen | |
| Erzählungen übernimmt und sich als Abschiebekanzler inszeniert. | |
| 30 Sep 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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