Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- AfD gegen freie Berichterstattung: Ihr Kampf
> Bei einem Parteitag in Bayern hat die AfD Journalist*innen von
> Security bewachen lassen. Die Rechtsradikalen rüsten gegen die
> Pressefreiheit auf.
Bild: Gegen die Pressefreiheit: Landesparteitag der AfD Bayern
Berlin taz | Selbst für AfD-Verhältnisse war es ein neuer Tiefpunkt: Zwei
stämmige Securitys begleiteten den Reporter Johannes Reichart vom
Bayerischen Rundfunk beim Parteitag der AfD Bayern in Greding Ende November
auf Schritt und Tritt. Sogar beim Toilettengang und beim Kauf von Getränken
bewachte das Sicherheitspersonal den Journalisten.
Als „neue Dimension der Einschränkung von Pressefreiheit“, als „Schikane…
bezeichnet Reichart gegenüber der taz das Vorgehen. „Jeder Journalist vor
Ort wurde von Securitys begleitet, die sogar Gespräche mit Mitgliedern
unterbunden haben. Ein Fotograf, der den Pressebereich verlassen wollte,
wurde für mehrere Minuten von den Securitys aufgehalten. Unser Kamerateam
durfte nur aus dem Pressebereich im hintersten Teil der Halle filmen, alle
anderen Aufnahmen waren verboten.“ Die Berichterstattung einzustellen, sei
allerdings nicht in Frage gekommen: „Uns war wichtig, gerade dann zu
berichten: Die Öffentlichkeit soll gerne erfahren, wie in dieser Partei mit
der Presse umgegangen wird.“
Die Einschränkungen galten für alle Journalist*innen auf dem Parteitag,
aber den BR-Reporter hat der stramm völkische Landesverband offenbar
besonders auf dem Kieker: [1][Bereits Anfang 2024 hat die AfD Bayern den
Journalisten mit einem Hausverbot belegt] und versucht, ihn von allen
Veranstaltungen auszuschließen. Reichart recherchiert über das Innere des
Landesverbands, [2][etwa über Rassismus und Bürgerkriegsfantasien in
internen Telegram-Chats].
Der Vorwurf beim Hausverbot gegen Reichart: Er habe die
Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner beleidigt. Belegt ist diese
Behauptung nicht. Reichart bestreitet sie auch gegenüber der taz. „Es gab
keine Beleidigung, die Partei arbeitet mit Drohungen und
Einschüchterungsversuchen.“ Rechtlich haltbar war der Ausschluss beim
Parteitag nicht: Laut Parteienrechtlerin Sophie Schönberger gibt es zwar
keine gesetzliche Pflicht, Parteitage öffentlich abzuhalten. „Aber die
jüngere Rechtsprechung verbietet es Parteien, bestimmte Medien willkürlich
auszuschließen, wenn sie grundsätzlich Presse zulässt.“ Entweder alle
ausschließen, oder keine*n. [3][Vor dem Parteitag klagte der BR deswegen
gegen den Ausschluss – erfolgreich.]
## Für Bayern neu
Jetzt also standen die Journalist*innen in abgetrennten Bereichen. Auf
Bundesparteitagen der AfD ist das bereits die Regel. So überwachten letzten
Juni in Essen Securitys, dass über Absperrbänder hinweg keine Gespräche mit
Parteitagsdelegierten stattfanden.
Für Bayern sind die Einschränkungen neu. Der bayerische Journalistenverband
kritisierte sie als eindeutigen Eingriff in die Pressefreiheit.
Journalisten müssten sich frei bewegen und mit Leuten sprechen können, um
Stimmungsbilder einzufangen und Einschätzungen zu bekommen, sagt der
BJV-Vorsitzende Harald Stocker „Eine politische Partei kann sich nicht
aussuchen, wer über sie berichtet. Die AfD hat der Freiheit der
Berichterstattung enormen Schaden zugefügt.“
Erst ausladen, dann einpferchen – es ist nicht das erste Mal, dass die
Partei gegen unliebsame Journalist*innen vorgeht. [4][Ende 2023
versuchte die AfD Thüringen, ein Team des ARD-Magazins „Monitor“ von ihrem
Landesparteitag auszuschließen]. Der selbe Landesverband versuchte, die für
die AfD zuständigen Reporter*innen von Welt, Spiegel, RND, SZ, Bild und
auch der taz von der Wahlparty im September 2024 auszuschließen. Beide Male
klagten die Medien erfolgreich gegen den Ausschluss.
Im Rechtsstreit um Zugang zur Wahlparty begründete die AfD den Ausschluss
auch mit angeblich „großer Diffamierungsabsicht“ der ausgeschlossenen
Reporter*innen. Als die Partei mit ihrer Argumentation vor Gericht
scheiterte, untersagte sie kurzum aus Platzgründen allen
Journalist*innen den Zutritt – auch das sei ja Gleichbehandlung. Von
der Wahlparty berichteten dann aber extrem rechte
Medienaktivist*innen aus dem politischen Umfeld der Partei – etwa
[5][Compact], aber auch der Ideologe und Verleger Götz Kubitschek.
Parallel zur verschärften Gangart gegen die Presse stärken manche
Mitglieder seit Jahren die Beziehung zu sogenannten alternativen Medien,
wie etwa die [6][AfD-Politikerin Marie-Thérèse Kaiser, die 2021 beim
Bundesparteitag von Riesa gleich selbst für den verschwörungsideologischen
TV-Sender Auf 1-TV berichtete]. Und im Thüringer Wahlkampf 2024 verspricht
Björn Höcke unter Jubel des Parteitags, die Rundfunkstaatsverträge kündigen
zu wollen. Ende November 2024 gibt die rechtspopulistische Wochenzeitung
Weltwoche aus der Schweiz bekannt: Alice Weidel wird dort Kolumnistin.
## Beleidigungen und Schubser
Katharina Weiß von Reporter ohne Grenzen sagt, dass ihr Geschehnisse wie in
Bayern mit Blick auf Pressefreiheit Sorgen bereiten. Journalist*innen
beschrieben im Zusammenhang mit AfD-Veranstaltungen immer wieder
Behinderungen, Angriffe und Beleidigungen. Allein für 2024 kann Weiß eine
Reihe von Attacken auf Pressevertreter*innennennen: Schubser, Griffe
in die Kamera, Fotos von Journalist*innen, um sie danach online öffentlich
anprangern zu können.
Die Dunkelziffer sei hoch, zumal die Kolleg*innen häufig hartgesotten
seien und kleine Körperverletzungen oder Schläge auf Kameras nicht
meldeten, so Weiß. Und sie erzählt auch von einer weiteren bekannten
Praktik bei Veranstaltungen: „Häufig markieren AfD-Politiker anwesende
Journalisten gezielt von der Bühne herab und geben sie damit vor der
anwesenden Menge zum Abschuss frei.“
Über die AfD zu berichten, kann gefährlich werden: 2023 etwa wurde ein
Reporter der Ostthüringer Zeitung am Rande einer AfD-Veranstaltung erst
beschimpft und geschlagen, später steckten Schrauben in seinen Autoreifen.
Viele Lokalredaktionen, aber auch der MDR schicken Reporter teils nur noch
mit Security auf bestimmte Demos.
Mit persönlichen Anfeindungen hat die Spiegel-Reporterin Ann-Katrin Müller
besonders leidige Erfahrungen. Sie wurde nicht nur von einem Presseempfang
vor dem AfD-Parteitag in Essen ausgeschlossen. Zudem beleidigte der
stellvertretende AfD-Bundessprecher Stephan Brandner die
Spiegel-Journalistin in den sozialen Medien nahezu obsessiv als
„Faschistin“.
## Onlinehetze der AfD hat spürbare Auswirkungen
Eine erfolgreiche einstweilige Verfügung dagegen ignorierte Brandner und
forderte stattdessen seine Anhänger*innen auf, es ihm nachzumachen –
die Folge waren wiederum massenhafte Beleidigungen gegen Müller. [7][Die
Journalistin setzt sich dagegen zur Wehr, das Verfahren läuft noch]. Bis
jetzt hagelte es für Brandner Ordnungsgelder – insgesamt drohen ihm
mittlerweile 50.000 Euro Strafe und auch strafrechtliche Konsequenzen.
[8][Denn seit der Bundestag Brandners Immunität aufgehoben hat], ermittelt
die Staatsanwaltschaft Gera gegen den Rechtsanwalt wegen Beleidigung und
Anstiftung zur Beleidigung.
Müllers Anwalt Marc-Oliver Srocke vermutet, Brandner würde seine
Gegner*innen verunglimpfen wollen. Die Onlinehetze der AfD habe für
Müller spürbare Auswirkungen auf die reale Welt und im beruflichen Kontext.
Auf AfD-Veranstaltungen und Demos werde sie angefeindet und abfotografiert,
ihre Berichterstattung würde behindert. „Postings wie die von Brandner
heizen das feindselige Klima noch weiter an“, sagt Srocke. Als
Bundesvorstand der AfD habe Brandner zudem eine Vorbildfunktion,
legitimiere durch seine Posts letztlich Beleidigungen und
Einschüchterungen.
Auch Matthias von Fintel, der bei Verdi für Presse zuständig ist,
beobachtet die Entwicklungen mit Sorge. Von Fintel sagt: „Die AfD ist
federführend in der Verächtlichmachung von Medienvertretern und des
Mediensystems insgesamt.“ Der Trend werde aus seiner Sicht aber
mittlerweile teils auch von etablierteren Parteien aufgegriffen – etwa wenn
Friedrich Merz beim CDU-Parteitag „die stolze Zahl von 58 Redakteuren des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ ironisch begrüße und dann mit hölzernem
Humor sage: „Mit ihnen werden wir uns im Laufe des Parteitags besonders
liebevoll beschäftigen.“ Von Fintel sieht das kritisch: „Da schwang mit:
Das sind zu viele, die sind überflüssig – das ist ein Bild, das alles
andere als freundlich ist.“
29 Nov 2024
## LINKS
[1] https://www.spiegel.de/kultur/tv/br-protestiert-afd-bayern-erteilt-einem-jo…
[2] https://www.youtube.com/watch?v=caHC0ZvsJNo
[3] https://www.br.de/nachrichten/bayern/in-eigener-sache-br-journalist-kann-vo…
[4] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/lg-erfurt-3o123523-afd-thringen-thue…
[5] /Verbotsverfuegung-gegen-Compact-Magazin/!6024670
[6] /Radikal-rechter-Sender-Auf1/!5987759
[7] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100523458/a…
[8] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bundestag-hebt-immunitaet-von-afd-ab…
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Parteitag
Feinde der Pressefreiheit
Schwerpunkt Pressefreiheit
GNS
Kolumne Flimmern und Rauschen
Desinformation
Schwerpunkt AfD
Thüringen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Linke Wochenzeitung verliert gegen AfD: Wer schützt hier eigentlich wen?
Ein fragwürdiges Urteil gegen die Zeitung „Kontext“ gefährdet
investigativen Journalismus – und schüttelt an den Grundpfeilern der
Pressefreiheit.
Strategien gegen Fake-News: Das Dilemma der freien Rede
Fake News und Hetze machen unser Zusammenleben kaputt. Wie können
demokratische Gesellschaften dagegen vorgehen – ohne sich selbst in Verruf
zu bringen?
AfD-Verbotsverfahren: Es ist höchste Zeit
Die AfD hat längst eine kritische Größe erreicht und sitzt in
Machtpositionen. Der Antrag auf ein Parteiverbot kommt eher zu spät als zu
früh.
Wahlparty der AfD in Thüringen: Jetzt alle Medien ausgeladen
Mehrere Medien hatten eingeklagt, an der Wahlparty der Thüringer AfD
teilnehmen zu können. Nun schließt die Partei alle Journalist*innen
aus.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.