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# taz.de -- Klimaschutz: Unter den Wolken
> Hoch oben mit dem Flugzeug wird die Welt ganz klein. Fürs Klima ist das
> aber gefährlich. Vier Ideen für sozial gerechtes und klimaschützendes
> Fliegen.
Bild: Fliegen ist nach wie vor ein Luxus
Das Flugzeug vernetzt Menschen auf der ganzen Welt, aber gleichzeitig trägt
es messbar zur globalen Erderhitzung bei. Auch wenn die Debatte um die
Flugscham nach dem Höhepunkt der Klimabewegung in Deutschland nachgelassen
hat, nimmt die Kontroverse um das Reisen im Flugzeug nicht ab.
Dabei ist Fliegen nach wie vor ein Luxus: Einer Studie in der
Fachzeitschrift [1][Journal Global Environmental Change] zufolge reisten im
Jahr 2018 nur 11 Prozent der Weltbevölkerung mit dem Flugzeug, knapp zwei
Drittel aller Flüge waren Inlandsflüge. Aktuell verursacht der Flugverkehr
etwa 2,5 Prozent der globalen CO2-Emissionen. Das klingt zunächst nach
einem relativ geringen Anteil. Allerdings zeigen Daten der Weltbank, dass
vor allem Menschen aus Ländern mit mittlerem bis hohem Einkommen mit
Flugzeugen unterwegs sind und einen Großteil der Emissionen verursachen.
Mit zunehmendem weltweiten Wohlstand könnte daher auch die Zahl der
Flugpassagiere steigen.
## 1. Inlandsflüge verbieten
Für eine Reise innerhalb Deutschlands nehmen immer weniger Menschen das
Flugzeug. Insbesondere seit Beginn der Coronapandemie 2020 sinken die
Passagierzahlen: Hatten 2019 noch mehr als ein Viertel (26,7 Prozent) aller
hierzulande gestarteten Flüge ein innerdeutsches Ziel, waren es 2023 nur
noch gut ein Fünftel (20,6 Prozent).
Die Lufthansa-Tochter Eurowings hat wegen der gesunkenen Nachfrage bereits
knapp ein Drittel ihrer [2][Flüge auf innerdeutschen Strecken] gestrichen.
„Zugunsten der Bahn“ und weil es „ökologisch und ökonomisch sinnvoll“…
erklärte der Eurowings-Chef Jens Bischof im Januar dem ZDF.
Wenn es nach Verkehrsforscher Andreas Knie ginge, sollten Inlandsflüge
direkt vollständig abgeschafft werden. Die Strecken könnten genauso gut mit
der Bahn gefahren werden. Dafür müsste zum aktuellen Zeitpunkt nicht mal
der Zugverkehr ausgebaut werden: „Was die Lufthansa innerhalb Deutschlands
in einem Jahr fliegt, macht die Bahn an einem Tag“, so Knie. Die
Kapazitäten für die zusätzlichen Gäste von Inlandsflügen seien also bereits
gegeben.
Mit Blick auf die Gesamtemissionen des deutschen Flugverkehrs wäre der
Effekt von einem Verbot von Inlandsflügen allerdings verschwindend
gering. Der Europäischen Organisation zur Sicherung der Luftfahrt zufolge
waren zwar 2020 etwa ein Drittel aller europäischen Flüge Kurzstreckenflüge
bis 500 km Entfernung. Diese hatten allerdings nur einen Anteil von 4,3
Prozent am gesamten CO2-Ausstoß aller Flüge. Den Großteil der Emissionen
verursachen Langstreckenflüge. Für Knie ist das jedoch kein Argument: „Jede
eingesparte Tonne CO2 ist eine gute Tonne“, sagt er.
Ein Pionierland, was die Einschränkung von Inlandsflügen angeht, ist
Frankreich: Seit vergangenem Jahr sind dort Flüge über Strecken, die in
zweieinhalb Stunden auch mit dem Zug erreichbar sind, verboten. Dies
betrifft etwa Verbindungen zwischen Paris-Orly und Nantes oder Bordeaux und
Lyon.
## 2. Flugkontingente
Um wirklich Emissionen im Flugverkehr einzusparen, müssen die langen Flüge
angegangen werden. Laut Eurocontrol sind gerade einmal 6,2 Prozent aller in
Europa gestarteten Flüge für 51,9 Prozent der Emissionen des gesamten
europäischen Flugverkehrs verantwortlich, und zwar diejenigen mit einer
Distanz über 4.000 Kilometer.
Um auch hier den Flugverkehr zu reduzieren, schlägt Verkehrsforscher Knie
vor, Flugkontingente einzuführen und schrittweise zu reduzieren. Der Idee
nach stünde jedem Menschen in Deutschland [3][eine bestimmte Anzahl an
Flügen] zu, die er im Jahr antreten darf. Im ersten Jahr wären das etwa
drei Flugpaare (also Hin- und Rückflug), im zweiten Jahr zwei und ab dem
dritten Jahr dann nur noch eines. Dabei sei es Knie egal, ob nach Amsterdam
oder nach Neuseeland geflogen wird. Insgesamt würden sich trotzdem auch
Langstreckenflüge reduzieren.
Personen, die öfter fliegen wollen oder müssen, könnten dann Personen, die
weniger fliegen, den Flug „abkaufen“. Es entstünde ein „Optionshandel“…
ähnlich wie es auch an Aktienbörsen funktioniert. Auf diese Weise könnte
gewährleistet werden, dass die Flugreduzierung sozial gerecht stattfindet.
Hierbei handelt es sich jedoch bislang noch um Gedankenspiele.
Im Gesamtvergleich sind es sowieso nur sehr wenige Menschen in Deutschland,
die mit dem Flugzeug reisen. 2019 gaben im ARD-Deutschlandtrend 69 Prozent
der Befragten an, nie oder nur sehr selten zu fliegen. Nur 8 Prozent
sagten aus, dreimal oder häufiger pro Jahr mit dem Flugzeug unterwegs zu
sein.
## 3. Kerosinsteuer
Für Benzin oder Diesel, zum Beispiel im Straßen- und im Bahnverkehr, gilt
eine Energiesteuer. Kerosin hingegen, der herkömmliche fossile Treibstoff
in der Luftfahrt, ist davon ausgenommen. Fluggesellschaften können deshalb
relativ billig Kerosin tanken. Umweltverbände wie der ökologische
Verkehrsclub VCD sagen: Gäbe es eine Kerosinsteuer, würde der
Flugkraftstoff teurer und die Airlines hätten einen Anreiz, Kerosin
einzusparen. Und: Die Luftfahrtindustrie würde sich stärker anstrengen,
spritsparende Flugzeuge und Triebwerke zu entwickeln.
Nach Schätzungen des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft würde allein
eine nationale Kerosinsteuer [4][26 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr]
einsparen – mehr als ein Viertel des Kohlendioxids, das alle Autos in
Deutschland jährlich zusammen ausstoßen. Im Subventionsbericht der
Bundesregierung steht, dass der Staat im Jahr 2023 mehr als 500 Millionen
Euro an Kerosinsteuer hätte einnehmen können.
Ein Problem: Kerosin ist im Luftverkehr [5][über Staatsgrenzen hinweg
steuerbefreit]. Laut EU-Recht haben Staaten schon seit 2003 die
Möglichkeit, Kerosin national zu besteuern. Die Niederlande und Norwegen
haben diesen Weg gewählt – die meisten schrecken jedoch davor zurück, weil
sie Nachteile im globalen Wettbewerb fürchten. Ihr Argument:
Fluggesellschaften tanken dann einfach woanders. Eine europaweite Steuer
für innereuropäische Flüge hat die EU in ihrem „Fit for 55“-Klimaplan f�…
den Luftverkehr zumindest geplant.
## 4. Vielfliegerabgabe
Fliegen mit der Lufthansa soll ab Januar 2025 deutlich teurer werden. Die
Airline sagt, sie müsse immer mehr Geld in den Klimaschutz stecken. Dieses
Geld will sie nun bei den Passagieren eintreiben und einen
„Umweltkostenzuschlag“ für europäische Flüge erheben. Bringt das was, ein
Aufpreis auf Tickets, nur fürs Klima? Und kann der auch in die Taschen des
Staates fließen statt nur in die der Fluggesellschaften? Frankreich hat
2019 einen Ökobeitrag eingeführt, den jede Person zahlen musste, wenn sie
ein Flugticket gekauft hat. Die Höhe des Preises richtet sich – wie bei der
Lufthansa – nach dem Ticketpreis und der Flugstrecke.
Das Besondere in Frankreich: Der Staat steckt die Einnahmen in den Ausbau
des Bahnsystems, also gleich in eine klimafreundlichere Alternative.
Allerdings fallen je nach Strecke nur wenige Euro an, Reisende lassen sich
deshalb kaum vom Fliegen abhalten. Auch in Frankreich sind nach dem
coronabedingten Einbruch in der Branche 2020 wieder mehr Flugzeuge
abgehoben.
Eine Idee: Der Aufpreis pro Person könnte steigen, je mehr diese Person den
Flieger nutzt. Klimaschädliches Vielfliegen würde eingedämmt, so die
Hoffnung. Ende 2023 schlug der Umweltprüfungsausschuss des britischen
Parlaments eine „Vielfliegerabgabe“ vor, der International Council on Clean
Transportation (ICCT) erarbeitete schon 2022 einen Vorschlag. Laut ICCT
würden Aufpreise fürs Vielfliegen fast vollständig die reichsten 20 Prozent
der Menschen weltweit treffen. Eine Hürde wäre der Datenschutz: Infos über
das Flugverhalten einer Person müssten zentral gespeichert und bei jedem
Ticketkauf abgerufen werden können. Außerdem müsste festgelegt werden, wie
sehr der Preis steigt und woran er sich orientiert: Gilt die Zahl der
Ticketkäufe? Oder der geflogenen Meilen?
17 Aug 2024
## LINKS
[1] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0959378020307779
[2] /Inlandsfluege-im-deutschen-Fussball/!5913775
[3] /Airline-Lobbyismus-beim-Emissionshandel/!5947604
[4] /Synthetisches-Kerosin/!6017763
[5] /Baerbocks-Kurzstreckenflug/!6019210
## AUTOREN
Nanja Boenisch
Tabea Kirchner
## TAGS
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