# taz.de -- CDU-Wahlkampfauftakt im Osten: Müde Stimmung nicht auszumerzen | |
> Die CDU in Sachsen und Thüringen startet in den Wahlkampf. Zu Gast: | |
> Parteichef Merz, der sich als von Trump inspirierter Kanzler in spe gibt. | |
Bild: Michael Kretschmer (li) will Ministerpräsident in Sachsen bleiben, Mario… | |
Meerane taz | Der Ort für den CDU-Auftakt in die Landtagswahlkämpfe in | |
Thüringen und Sachsen war mit Bedacht gewählt. Das sächsische Meerane, nahe | |
der A4 und der sächsisch-thüringischen Demarkationslinie gelegen, ist | |
derzeit von Baustellen umzingelt und von der Außenwelt nahezu | |
abgeschnitten. Nach Schmölln auf die thüringische Seite hätte man aber auch | |
nicht ausweichen können. Dort hatte Mike Mohring, bis 2020 langjährige | |
große CDU-Hoffnung, seinen Wahlkreis, das wäre seinem Nachfolger und | |
Spitzenkandidaten Mario Voigt kaum zuzumuten gewesen. Die alten | |
Mohring-Fans in seiner Landtagsfraktion setzen ihm schon genug zu. | |
Das Romantik-Landhotel am Stadtrand mit seinem kleinen, aber noblen Park | |
wirkte einladender als die Festung Meerane. Zudringliches Volk war aber | |
auch in dieser grünen Idylle nicht zu befürchten. Man blieb unter | |
Unionsfreunden und –freundinnen. Selbstermutigung war angesagt, und die ist | |
auch dringend erforderlich. Es geht bei den Landtagswahlen am 1. September | |
in beiden Bundesländern um mehr als die Thüringer Rostbratwurst, die Gäste | |
für 4,50 Euro erwerben konnten. Die AfD liegt nach Umfragen von Ende Juni | |
in Thüringen sechs Prozentpunkte vor der CDU (22,4 Prozent) und hat in | |
Sachsen ganz knapp ebenfalls die Nase vorn. Die CDU von Ministerpräsident | |
Michael Kretschmer käme derzeit auf 29 Prozent. | |
Nun haben die Konservativen in beiden Ländern zumindest nicht mit dem | |
Handicap einer betrunkenen E-Scooter-Fahrt zu kämpfen, wie sie der | |
Brandenburger CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann seiner Partei gerade zumutet. | |
Die startete am Donnerstag ebenfalls in den Wahlkampf für den 22. | |
September, allerdings ohne Bundesprominenz. Aber auch im Gartenidyll zu | |
Meerane wollte keine kämpferische Hau-Ruck-Stimmung unter den etwa 150 | |
Parteigästen aufkommen. | |
Etwaige Partylaune erstickte schon der sächsische Ministerpräsident | |
Kretschmer als Auftaktredner. Auch Nachrichtenagenturen fanden daran außer | |
der Schärfe der Rede nichts berichtenswert. Kretschmer geht physisch leicht | |
durch einen Infekt angeschlagen in die 45 Tage Wahlkampf bis zum 1. | |
September. | |
Auf Reizthemen verzichtete Kretschmer. Nichts zu fiktiven | |
Verhandlungslösungen im russischen Krieg gegen die Ukraine, keine erneute | |
Verteidigung der „Friedensmission“ des derzeitigen ungarischen | |
EU-Ratspräsidenten Viktor Orbán. Alleingänge, die die EU-Kommission mit | |
einem Boykott Orbáns beantworten will. | |
## Beseelt von „fröhlichem Patriotismus“ | |
Dabei war Orbán lange gut gelitten bei der CDU im Osten. 320 Thüringer | |
CDU-Mitglieder waren 2018 zu Orbán nach Budapest gepilgert. Und seit den | |
1990-er Jahren, der Ära des „Sachsenkönigs“ Kurt Biedenkopf, hält sich a… | |
in der Sächsischen Union mindestens eine Europaskepsis. | |
Ministerpräsident möchte Mario Voigt in Thüringen erst noch werden. Wie, | |
sagte er nicht. Irgendwie ideologiefrei und frei von Kollaboration mit | |
Extremisten. Und beseelt von einem „fröhlichen Patriotismus“. Damit | |
lieferte er dem Bundesvorsitzenden Friedrich Merz die Anmoderation und | |
beschrieb zugleich das eigentliche bundespolitische Ziel dieser | |
Landtagswahlen: „Wenn wir gewinnen, liefern wir der Bundespartei das beste | |
Argument, dass nächstes Jahr die Ampel dran ist!“ | |
Merz hielt denn auch nach dem obligatorischen Lob für seine Thüringer und | |
die sächsischen Parteifreunde eher eine Auftaktrede für den | |
Bundestagswahlkampf 2025. Peinlich berührt würden andere auf das | |
Ampel-regierte Deutschland schauen. „Deutschland braucht Vertrauen und | |
Stärke“, forderte Merz. | |
Nationale Töne überwogen dabei und Appelle an ein starkes Europa, das ein | |
Gegengewicht zur erwarteten Wiederbelebung der „America first“-Strategie | |
bilden müsse. Der CDU-Bundesvorsitzende sprach, als sei Donald Trump | |
bereits wieder US-Präsident, und empfahl, dessen Rede in der | |
Donnerstagnacht auf dem Republikaner-Parteitag zu hören, „die das Land | |
mitreißen wird“. | |
## „National, aber nicht nationalistisch“ | |
Er habe nichts gegen eine wertegeleitete Außenpolitik, so Merz. Aber die | |
Interessen des eigenen Landes gelte es aus einer Position der Stärke heraus | |
mehr wahrzunehmen. Merz gab sich als ein vom Trumpismus inspirierter | |
kommender Kanzler. | |
Er grenzte sich dabei von Rechtsradikalen ab. „Die CDU ist national, aber | |
nicht nationalistisch!“ Der Unterschied sei, dass Patrioten ihr Land | |
liebten und Nationalisten andere Länder hassten. Da gebe es keine | |
Kompromisse. Merz betonte, dass es eine Zusammenarbeit mit der AfD deswegen | |
nicht geben werde. | |
Einen Tipp zum Umgang mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht, das in beiden | |
Bundesländern derzeit auf 15 bis 20 Prozent der Wählerstimmen hoffen kann, | |
vermied Merz. Er erwähnte aber AfD und BSW in einem Atemzug. | |
Sein entschlossener Auftritt schien den Unionsfreunden dennoch keinen | |
Wahlkampfelan zu vermitteln. Fassungslos berichteten manche im Gespräch von | |
Überläufern zur AfD, von Bürgern, die ihnen völlig unbekannte | |
AfD-Kandidaten wählen, die keinerlei Leistung vorzuweisen haben. Gegen den | |
defätistischen Ungeist im Land hat niemand ein Rezept. Teilnehmer aus | |
Sachsen setzen immerhin auf den in sechseinhalb Jahren erworbenen Amtsbonus | |
von Michael Kretschmer. Den kann der Thüringer Spitzenkandidat Voigt nicht | |
vorweisen. | |
19 Jul 2024 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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