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# taz.de -- Anfeindungen gegen Kommunalpolitiker: „Die Mitte muss widersprech…
> Sachsens Vize-Ministerpräsident Günther fordert eine Reaktion der CDU
> nach dem Rücktritt von Landrat Neubauer: „Das muss ein Weckruf sein.“
Bild: Landrat Dirk Neubauer sagte zu seinem Rücktritt: „Ich gebe auf, weil d…
Leipzig taz | Die CDU müsse sich stärker für die Demokratie einsetzen,
fordert Sachsens Vize-Ministerpräsident Wolfram Günther (Grüne). Wenn sich
„engagierte Menschen“ aus ihren Ämtern zurückziehen, sei das ein Schaden
für die Demokratie. Kurz zuvor hatte der Mittelsachsens Landrat Dirk
Neubauer seinen Rücktritt angekündigt. Der parteilose 53-Jährige hatte sich
stets deutlich gegen extrem rechte Parteien und Organisationen gestellt und
für progressive Politik sowie die Energiewende geworben.
In einem [1][zwanzigminütigen Video] hatte der parteilose Neubauer erklärt:
„Ich gebe auf, weil da draußen zu viele den Mund halten.“ Zwei Jahre war er
im Amt und hätte es noch bis 2029 bleiben können. Aber weil in seiner
[2][Region der Gestaltungswillen fehle] und er seit Monaten von Rechten
bedroht werde, wolle er seinen Posten so schnell wie möglich räumen.
Laut Vize-Ministerpräsident Günther ist Neubauer mit dieser Entscheidung
nicht allein. „Mir haben Bürgermeister*innen gesagt, dass sie nicht
mehr antreten, weil sich die Lage so geändert hat“, sagt Günther der taz.
Genauso sei es bei Landtags- und Bundestagsabgeordneten.
In der vergangenen Woche kündigte beispielsweise Bundestagsvizepräsidentin
Yvonne Magwas (CDU) aus dem Vogtland an, nicht mehr für den Bundestag zu
kandidieren. „Ich habe viel an Beleidigungen, Bedrohungen, aber leider auch
viel Gleichgültigkeit erlebt. Das raubt Kraft“, begründete sie. Ähnlich
klang es Anfang des Monats auch beim Bundestagsabgeordneten [3][Karamba
Diaby (SPD) aus Sachsen-Anhalt].
## Kretschmer äußert sich nicht
Vize-Ministerpräsident Günther glaubt: „Das muss ein Weckruf sein. Wenn
engagierte Menschen keine Verantwortung mehr übernehmen wollen, dann ist
der Schaden für die Demokratie eingetreten.“ Das Problem seien dabei nicht
nur die Extremist:innen. „Dass manche Menschen nicht mit Fakten klarkommen,
wird man wahrscheinlich nie ändern können“, sagt Günther. Verändern könne
sich aber die „Mitte der Gesellschaft, die für ihre Werte eintreten und
Extremisten widersprechen muss.“
Mit der „Mitte der Gesellschaft“ meine [4][Günther auch seinen
Koalitionspartner]: „Die CDU, die ja von Neubauer ausdrücklich adressiert
wurde, sollte sich Gedanken machen, wie sie die Demokratie stärker
verteidigen kann.“
David Begrich, Theologe, Sozialwissenschaftler und Experte für
Rechtsextremismus, sieht als einen der Gründe für die Rücktritte, dass
extrem Rechte Parteien stärker werden. Zum Beispiel hat die AfD laut
Begrich ein intrinsisches Interesse an Polarisierung. Allerdings zeigt er
wenig Hoffnung, dass der Rücktritt von Neubauer zu einer Änderung führt.
„Ich fürchte, diese Anfeindungen bekommen zwei Tage lang Aufmerksamkeit,
dann sinkt das wieder ab.“ Eigentlich wünsche er sich, „die Normalisierung
würde von höherer Ebene konfrontiert.“ Damit meine er beispielsweise
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU).
Bisher äußerte sich Kretschmer nicht zum angekündigten Rücktritt Neubauers.
Auch Stefan Hartmann, Landesvorsitzender der Linken in Sachsen, kritisiert
das: „Während der Ministerpräsident fleißig die Weltlage kommentiert, zeigt
er sich bei wichtigen Themen im eigenen Bundesland erstaunlich wortkarg.“
Dabei sei es Aufgabe der „demokratischen Kräfte“, kommunale
Amtsinhaber:innen zu unterstützen.
Statt des Ministerpräsidenten Kretschmer äußerte sich Susan Leithoff,
Kreisvorsitzende der CDU Mittelsachsen und Landtagsabgeordnete. Sie sagte:
„Wir stellen uns komplett dagegen, wenn es zu Übergriffen auf Politiker
kommt.“ Das sei selbstverständlich.
Auch sie bestätigt: „Die Verrohung hat zugenommen.“ Allerdings seien
Äußerungen eben von der Meinungsfreiheit gedeckt, „bis es strafrechtlich
relevant wird.“ Demokratische Politiker:innen hätten die Aufgabe, zu
zeigen, dass Populist:innen nur einseitige oder falsche Lösungen
anbieten.
## Rechte Bedrohung als Standortfrage
Bei Neubauer sei zudem zu beachten, dass er mehrere Gründe für seinen
Rücktritt angegeben habe. Neben der Bedrohungslage ging es auch um
bürokratische Hürden und finanzielle Engpässe im Landkreis. „Diese
Herausforderungen kennen auch andere Landräte. Der Unterschied ist, dass
die sich dem mit Weitsicht stellen. Das ist, was ich unter Verantwortung
verstehe“, sagt Leithoff.
Vize-Ministerpräsident Günther sieht das deutlich anders: Der Rücktritt
Neubauers werfe auch den Landkreis als „wichtigen Industriestandort in
Sachsen“ zurück. „Wenn er nicht seine Energiepolitik vorantreibt, fragen
sich Unternehmen, ob sie da weiter investieren wollen“, sagt Günther.
Die verrohende Debatte habe nicht nur Folgen für Kommunalpolitiker:innen,
ist Günther überzeugt. Der Vize-Ministerpräsident spreche derzeit viel mit
Unternehmen. Er sagt: „Die beobachten sehr genau, wie sich die Situation
entwickelt. Welchen Ruf der Freistaat Sachsen hat, ist ja eine bedeutende
Standortfrage: Bekommt man Arbeitskräfte hier gehalten? Wird die
Energiewende in Sachsen nach der Wahl zurückgedreht?“
25 Jul 2024
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=k97gDJGtGKI
[2] /Landrat-aus-Sachsen-ueber-Brandmauer-zur-AfD/!5946710
[3] /SPD-Bundestagsabgeordneter-aus-Halle/!6018090
[4] /Koalitionskrach-in-Sachsen/!6000959
## AUTOREN
David Muschenich
## TAGS
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