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# taz.de -- AfD bei den Landtagswahlen: Wer zur Wahl steht
> Die taz hat die Hintergründe von mehr als 150 AfD-Kandidat*innen
> recherchiert. Einige stellen wir hier vor.
Bei den Landtagswahlen im Herbst gelten Zugewinne für die AfD als sicher.
Doch wer sind die Rechten, die in die Parlamente von Thüringen, Sachsen und
Brandenburg einziehen wollen? Wir haben die Hintergründe von mehr als 150
AfD-Kandidat:innen recherchiert und zeigen eine Auswahl.
## Thüringen
Das kleine Bundesland ist für die völkisch-nationalistische Strömung der
AfD ein Rückzugsraum, in dem sie extrem rechte Forderungen und Konzepte
erprobt und die Radikalisierung der Gesamtpartei maßgeblich vorangetrieben
hat. 2015 gründete [1][Björn Höcke], der bei der Wahl am 1. September als
Spitzenkandidat antritt, hier mit der Erfurter Resolution den völkischen
Flügel.
Laut Verfassungsschutz ist die AfD in Thüringen klar rechtsextrem. Björn
Höcke wurde wiederholt wegen SA-Parolen („Alles für Deutschland“)
verurteilt. Zuletzt forderte er Säuberungen in der Justiz und sprach bei
einer Rede davon, dass man in Deutschland auch gut mit 20 bis 30 Prozent
weniger Menschen leben könne. Das Thüringer Wahlprogramm trägt den Titel
„Alles für Thüringen“ – eine revisionistische Anlehnung an die Losung d…
SA.
Die meisten Politiker auf der Wahlliste sitzen entweder schon im Landtag
oder sind Mitarbeiter der Partei. Die Nominierung der Kandidat:innen
hatte im Vorfeld in einigen Wahlkreisen zu Streit geführt. [2][In
Westthüringen etwa lehnte der Landesvorstand um Björn Höcke zwei
Direktkandidaten ab, die von der dortigen Parteibasis korrekt gewählt
wurden.] Der Landesvorstand wollte Neuwahlen durchsetzen, die beiden
Kandidaten zogen dagegen erfolgreich vor Gericht. Das half ihnen allerdings
nicht: Der Vorstand verweigerte eine notwendige Unterschrift, die AfD tritt
in den Wahlkreisen nun ohne Direktkandidaten an. Aus der Partei kommt dazu
heftige Kritik. Der Wartburger Bundestagsabgeordnete Klaus Stöber wirft
Höcke öffentlich vor, „unliebsame Mitglieder mit Stasimethoden zu
verunglimpfen“. Dafür droht Stöber jetzt der Parteiausschluss.
Für Felix Steiner, Sprecher der Mobilen Beratung in Thüringen, sind
Geschichten wie diese ein Hinweis darauf, wie hierarchisch der
Landesverband geführt wird. „Offensichtlich wird versucht, alles unter
Kontrolle zu halten, damit es keine Skandale nach außen gibt. Auch bei der
Auswahl der Kandidaten“, sagt Steiner. Die AfD Thüringen sei der „Vorreiter
der Professionalisierung von Radikalität“.
## Der Ermittler in eigener Sache
Bereits seit 2019 sitzt Torsten Czuppon im Erfurter Landtag. Vor seiner
Abgeordnetenkarriere war er Polizist, unter anderem als Gruppenführer der
Thüringer Wasserwerferstaffel. Nachdem er rechtsextreme und
geschichtsrevisionistische Beiträge in sozialen Medien geteilt und mehrfach
T-Shirts der rechtsextremen Kleidungsmarke Thor Steinar getragen haben
soll, wurde er in den Streifendienst versetzt.
Einer dieser Vorfälle sorgte für einen langen Rechtsstreit, der gerade erst
zu Ende gegangen ist: An einem Seminar der KZ-Gedenkstätte Buchenwald zum
Thema „Geschichtsrevisionismus und Holocaustleugnung“ soll Czuppon 2017 im
Thor-Steinar-Shirt teilgenommen haben. Als die Polizei ein
Disziplinarverfahren einleitete, erstattete er Anzeige gegen zwei Zeugen
und bearbeitete die Anzeigen auch noch selbst. Das Amtsgericht Erfurt
verurteilte ihn im Juli 2022 zu einer hohen Geldstrafe: 150 Tagessätze,
insgesamt 30.000 Euro wegen der Verfolgung Unschuldiger.
Im Juni 2024 lehnte das Thüringer Oberlandesgericht die Revision ab, das
Urteil ist damit rechtskräftig. Das Disziplinarverfahren wird nun wieder
aufgenommen und kann für Czuppon mit der Entfernung aus dem Dienst enden.
## Die Social-Media-Aktivistin
Wiebke Muhsal kandidiert auf Platz 3 der Landesliste, zudem ist sie
Direktkandidatin für den Wahlkreis Saale-Holzland-Kreis II. Dort kandidiert
auch der CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt. Von 2014 bis 2019 saß Muhsal
schon einmal für die AfD im Thüringer Landtag. Ihre Abgeordnetenkarriere
startete sie mit einem Betrug: Sie hatte den Arbeitsvertrag einer
ehemaligen Mitarbeiterin in ihrem Wahlkreisbüro in Jena um zwei Monate
vordatiert und bekam so zu Unrecht Geld aus dem Landtag. Ein Erfurter
Gericht verurteilte sie zu 80 Tagessätzen à 100 Euro.
In den sozialen Medien ist sie so erfolgreich wie niemand sonst bei der
Thüringer AfD. Bei Tiktok und Instagram kommentiert sie regelmäßig
politische Debatten und erzählt aus ihrem Alltag. Besonders engagiert ist
sie in der Familien- und Bildungspolitik. Sie selbst hat Jura studiert und
ist Mutter von fünf Kindern. Das nutzt sie auch für ihre politischen
Botschaften: „Für mich ist die AfD die Partei für Frauen!“, schreibt sie
auf Instagram, und „Echte Frauen braucht das Land.“
## Der Burschenschaftler
Als Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion ist Torben
Braga Björn Höckes rechte Hand im Parlament. Zudem ist er Mitglied der
Marburger Burschenschaft Germania, die Verbindungen zur rechtsextremen
Szene hat. Vertreter der sogenannten Neuen Rechten haben bei der
Burschenschaft Vorträge gehalten, darunter Mitglieder des mittlerweile
aufgelösten Instituts für Staatspolitik (IfS). Braga war außerdem Sprecher
des Verbands Deutsche Burschenschaft, der auch rechtsextreme
Burschenschaften umfasst.
Den Kontakt zur Thüringer Neonaziszene scheut Braga nicht: 2015 traf er
sich mit der rechtsextremen Bürgerinitiative Wir lieben Meiningen zur
„Vernetzung“, wie die Gruppe später auf Facebook schrieb. Im vergangenen
Sommer zählte Braga zu den 15 Gästen des Berliner Ex-Finanzsenators Peter
Kurth (ehemals CDU), der für ein Sommerfest prominente Köpfe der rechten
und rechtsextremen Szene auf seiner Dachterrasse versammelt hatte.
## Der Büroleiter
Robert Teske ist Björn Höckes Büroleiter und bei fast allen Terminen fest
an der Seite des Landesvorsitzenden. Der Speditionskaufmann ist nach
eigenen Angaben Fördermitglied des rechtsextremen Vereins Ein Prozent,
lobt die Aktionen der Identitären Bewegung und trat zusammen mit dem
Identitären-Kader Jonas Schick in einem Podcast auf. Bevor er in den
völkisch dominierten AfD-Landesverband Thüringen wechselte, hatte Teske
auch Kontakt zu Bremer Neonazis.
Teske vertritt die neurechte Verschwörungsideologie vom „Großen Austausch�…
forderte schon 2017 „Remigration“ und hält die BRD für ein
„Unrechtsregime“. Als er noch in der Jungen Alternative Bremen war,
posierte er bei einer USA-Reise mit Schusswaffen und „Grüßen“ an den Brem…
Innensenator Ulrich Mäurer, der das Waffenrecht verschärfen wollte. Teske
ist Direktkandidat im Kyffhäuserkreis, wo der völkische Flügel jahrelang
seine Jahrestreffen abhielt. Die Prozesse gegen Höcke nennt er
„Schauprozesse“.
## Der Reichsbürger
Der pensionierte Arzt Wolfgang Lauerwald sitzt für die AfD seit 2019 im
Landtag, aber ist auch fest in der Mischszene aus Neonazis, Reichsbürgern,
und Rechtsrockern verankert. Im April 2024 nahm er in Gera an der
Reichsbürger-Demo „25+1 Bundesstaaten“ teil, einem der größten Treffen d…
Szene überhaupt.
25 Bundesstaaten hatte das deutsche Reich inklusive der Ostgebiete. Ebenso
beanspruchen die Reichsbürger mit „+1“ das französische Elsaß-Lothringen.
Auf der Demo wurde die derzeit für Terror angeklagte Reuß-Gruppe als
„politische Gefangene“ bezeichnet und stolz eine Fahne des Fürstentums Reu…
präsentiert. Und dann stimmten Teilnehmer auch noch das Horst-Wessel-Lied
an, die verbotene Parteihymne der NSDAP.
## Die Zahnärztin, die Putin mag
Corinna Herold sitzt seit 2014 im Thüringer Landtag und ist Unterzeichnerin
der Erfurter Resolution. Die Zahnärztin trägt gerne Pelzmäntel und
verbindet eine bürgerliche Fassade mit rechtsextremem Gedankengut. Bis
heute ist sie Mitglied in der geschlossenen Facebook-Gruppe Bürgerwehr
Untersuhl, Gerstungen und Umgebung, die unter anderem vom ehemaligen
NPD-Kader Andreas Niebling organisiert wird. Aber auch zahlreiche weitere
Neonazis aus der gesamten Bundesrepublik sind in der Gruppe vernetzt und
hetzten darin mit Gewaltfantasien gegen Migrant:innen.
Als Landtagsabgeordnete forderte Herold von der Landesregierung Statistiken
darüber, wie viele Homo- und Bisexuelle sowie trans Personen im Freistaat
Thüringen leben. Auf Facebook teilt sie Reden von Wladimir Putin und
bekennt sich „stolz“ zu den Reichsbürgern der Gruppierung Freies Thüringe…
## Sachsen
Mühe, sich vom ganz rechten Rand abzugrenzen, [3][gibt sich bei der
sächsischen AfD niemand]. Ihre Politiker:innen sprechen seit Jahren
immer wieder auf Pegida-Demonstrationen, obwohl die Organisation auf der
Unvereinbarkeitsliste der AfD steht, sie verbreiten
völkisch-nationalistische Hetze und nutzen extrem rechte Kampfbegriffe wie
den der „Remigration“ oder einer drohenden „Umvolkung“.
Seit Dezember 2023 gilt die sächsische AfD dem Landesverfassungsschutz als
„gesichert rechtsextrem“. Dagegen klagt die Partei zwar, geschadet hat ihr
die Einstufung allerdings nicht. Landeschef Jörg Urban selbst verweist
seitdem auf steigende Mitgliederzahlen und mehr Spenden. Der AfD ist der
Stempel wohl ganz recht, muss sie sich in Sachsen doch von einer CDU
abgrenzen, die mit ihrem Law-and-Order-Kurs, der Forderung nach weniger
Geflüchteten und der Nähe zu Russland inhaltlich nicht gerade Abstand nach
rechtsaußen wahrt.
Sächsische Wähler:innen entscheiden sich dennoch lieber für das
Original. Alle Umfragen der vergangenen zwölf Monate sehen die AfD als
stärkste Kraft bei der Landtagswahl am 1. September. Auch bei den jüngsten
Zahlen vom Juni liegt sie mit 30 Prozent einen Punkt vor der CDU. „Dass die
AfD in Sachsen offen rechtsextrem ist, hält offenbar niemand davon ab, sie
zu wählen“, sagte Michael Nattke, Geschäftsführer des Kulturbüro Sachsen,
der taz.
## Der systemfeindliche Anführer
Jörg Urban ist seit 2018 Landesvorsitzender der AfD Sachsen. Er kandidiert
auf Listenplatz 1 und als Direktkandidat im Wahlkreis Bautzen 5. Urban
sitzt seit 2014 im Landtag und gilt als Sympathisant des völkischen
Flügels. Mehrfach trat er bei Pediga-Demonstrationen auf und besuchte
einmal das ehemalige Institut für Staatspolitik des neurechten Vordenkers
Götz Kubitschek.
Urban sprach von einem drohenden „Bevölkerungsaustausch“ und von
„tonangebenden Globalisten in Politik, Medien und Konzernen“, womit er
antisemitisch konnotierte Verschwörungsideologien bediente.
Auf Facebook schrieb Urban 2018: „Auch das derzeitige Regime werden wir mit
Hilfe der vernünftig denkenden Menschen zum Einsturz bringen!“ Er äußerte
sich rassistisch darüber, dass das Volk „weitgehend homogen“ bleiben solle.
In einer Rede auf einer prorussischen „Friedensdemo“ Anfang 2023 in Dresden
geißelte Urban die „ukrainische Kriegsmaschinerie“.
## Der Bodyguard
Arthur Österle ist Direktkandidat für den Wahlkreis Erzgebirge 5. Im August
2020 war er beim Sturm auf den Reichstag in Berlin dabei. Österle sprach in
Bezug darauf von einem „Missverständnis“. 2018 war er Chefordner und
Einheizer bei Aufmärschen des Bündnisses Pro Chemnitz. Von ihnen gingen
rassistische Gewalttaten aus.
Ein Foto zeigt ihn im gleichen Jahr bei einer Demonstration der
neonazistischen Kleinstpartei III. Weg. Ebenfalls seit 2018 ist er
AfD-Mitglied. Bereits 2019 kümmerte sich Österle beim Bundesparteitag der
AfD um die „Security“ und ist aktuell der stellvertretende
Sicherheitsbeauftragte des sächsischen Landesverbands.
## Der Rechtsaußenanwalt
Der Leipziger Strafverteidiger Roland Ulbrich ist selbst der AfD zu rechts.
Dennoch wurde er im Wahlkreis Nordsachsen 1 als Direktkandidat auserkoren.
2019 zweifelte er an, dass der antisemitische Anschlag in Halle auf die
Ermordung der Betenden abzielte und fragte: „Was ist schlimmer: eine
beschädigte Synagogentür oder zwei getötete Deutsche?“ Die Bonner
Studentenverbindung Corps Rhenania warf das langjährige Mitglied daraufhin
raus.
In der AfD bremste das seine Karriere nicht. 2019 zog er in den sächsischen
Landtag ein, wurde Stadtrat in Leipzig und später Vize des
Bundesschiedsgerichts der AfD. Im Januar 2024 trat er von dem Posten
zurück, nachdem herauskam, dass er sich in einem Eilbeschluss auf das
nationalsozialistische Reichsbürgergesetz von 1935 bezogen hatte – eines
der antisemitischen Nürnberger Rassengesetze. Die Partei strebte danach
einen Ausschluss an. Ulbrich kam einem Rauswurf aus der Fraktion mit seinem
Austritt zuvor. Parteimitglied ist er geblieben.
## Der Soldat
André Wendt sitzt seit 2014 im Landtag, seit 2019 ist er dessen zweiter
Vizepräsident. Jetzt steht der Berufssoldat auf Listenplatz 4 und als
Direktkandidat im Wahlkreis Dresden 4 erneut zur Wahl. Für Empörung sorgte
2017 eine seiner Anfragen, in der er sich nach den Kosten für die
Sterilisation für „unbegleitete minderjährige Ausländer“ erkundigte. 2018
befürchtete er: „Homosexuelle aus aller Welt dürfen an unsere Sozialtöpfe.…
Im gleichen Jahr sprach er von einer „rechtswidrigen Flutung Europas,
Deutschlands und Sachsens mit Millionen Menschen, darunter viele
Analphabeten, Kriminelle, Antisemiten, Islamisten, Vergewaltiger,
Messerstecher und Armutsmigranten“. Wendt nahm an mehreren
Auslandseinsätzen der Bundeswehr teil und wurde mit deren Ehrenkreuz
ausgezeichnet.
## Der Journalist mit dem SS-Symbol
Andreas Harlaß ist Direktkandidat im Wahlkreis Dresden 2. Der Journalist
ist Sprecher der AfD Sachsen und Mitglied im Landesvorstand. Harlaß schrieb
jahrelang für die Bild-Zeitung und die Junge Freiheit (JF). In einer
JF-Kolumne zählte er 2014 Argumente dafür auf, dass der deutsche Überfall
auf Polen 1939 nicht als „heimtückisch“ zu bezeichnen sei, weil er einem
polnischen Angriff zuvorgekommen sei.
In einem Facebook-Post schrieb er mutmaßlich in Bezug auf Muslime von
„primitiven Menschen“. Harlaß wurde daraufhin von einem Kritiker als
Neonazi und Anhänger der NS-Rassentheorie bezeichnet. Er klagte auf
Unterlassung, das Amtsgericht Dresden wies den Antrag ab.
Nach dem antisemitischen Attentat auf eine Synagoge in Halle schrieb
Harlaß: „Der Psycho von Halle hat Deutsche erschossen, keine Semiten.“
AfD-Chef Tino Chrupalla bezeichnete das später als „inakzeptablen
Einzelfall“. Immer wieder tauchten bei Harlaß Symbole mit Bezug zum
Nationalsozialismus auf: Auf einem Bild, das er selbst postete, ließ sich
beispielsweise die Schwarze Sonne erkennen, ein SS-Symbol. Auch zeigte
Harlaß sich in einem Poloshirt aus dem Versandhandel der neonazistischen
Organisation Artgemeinschaft.
## Brandenburg
Der Landesverband der Brandenburger AfD gehört von jeher zu den
radikalsten. Das hat auch mit ihrem früheren Vorsitzenden [4][Andreas
Kalbitz] zu tun, einst enger Verbündeter von Björn Höcke. Als im Jahr 2020
Fotos von ihm in einem Zeltlager des verbotenen Vereins Heimattreue
Deutsche Jugend auftauchten, wurde er aus der Partei geworfen.
In der AfD-Landtagsfraktion saß er dennoch bis zuletzt als Parteiloser –
die Fraktion änderte dafür eigens die Geschäftsordnung. Nach der Wahl am
22. September ist damit Schluss: Kalbitz wurde nicht mehr auf die
Landesliste gewählt oder für ein Direktmandat nominiert, er hat es sich mit
persönlichen Verfehlungen und seinem aggressiven Stil inzwischen mit zu
vielen in der Partei verscherzt.
Weniger radikal geworden ist der Landesverband dadurch nicht. Inzwischen
führt Hans-Christoph Berndt die Landtagsfraktion, den Kalbitz einst in die
Partei holte. Offensiv knüpfte er Netzwerke in die rechtsextreme Szene.
Landeschef ist René Springer, früher Referent von Parteigründer Alexander
Gauland. Auch er hat keine Probleme mit Radikalen, beschäftigt einen
früheren Identitären als Mitarbeiter. Er erklärte, seine Partei werde
„Ausländer in ihre Heimat zurückführen, millionenfach“ – das sei „ke…
Geheimplan, das ist ein Versprechen“.
Berndt und Springer wollen die AfD professioneller aufstellen – und haben
sich damit zunächst gegen das vormalige Kalbitz-Lager durchgesetzt, das
Konflikte auch offen austrug. „Der Landesverband war lange gespalten,
allerdings in zwei gleichermaßen rechtsextreme Fraktionen“, erklärt
Christoph Schulze, Mitarbeiter am Moses Mendelssohn Zentrum für
europäisch-jüdische Studien.
Die Brandenburger AfD bleibe damit „als Gesamtorganisation weiter klar auf
rechtsextremem Kurs“. Der Verfassungsschutz hat den Landesverband als
rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft, einzelne Funktionäre als gesichert
rechtsextrem.
## Der Netzwerker
Schon 2015 stand Hans-Christoph Berndt, einst Labormediziner und
Personalratsvorsitzender an der Charité Berlin, auf der Straße. Mit dem von
ihm mitgegründeten Verein Zukunft Heimat demonstrierte er in seiner
Heimatstadt Golßen in der Lausitz gegen Unterkünfte für Geflüchtete – und
vernetzte sich früh in der rechtsextremen Szene. Berndt sprach als Redner
bei Pegida in Dresden, saß auf Podien beim rechtsextremen Compact-Magazin
und dem Institut für Staatspolitik von Götz Kubitschek. 2019 zog Berndt für
die AfD in den Landtag ein und wurde kurz darauf direkt Fraktionschef.
Heute ist Berndt Spitzenkandidat zur Landtagswahl – und Einpeitscher. Auf
Reden ätzte Berndt über eine „Invasion“ von Migranten und einen
„multikriminellen Sumpf“ oder dass man diejenigen „verjagen“ müsse, die
„Heimat und Identität zerstören“. Der Verfassungsschutz hat Berndt schon
länger als gesichert rechtsextrem eingestuft.
## Der Nachwuchs-Neurechte
Seine Nähe zu den Identitären oder Pegida versteckte Jean-Pascal Hohm nie.
„Wir sind Teil einer Bewegung“, erklärte er schon 2017 – und zählte neb…
der AfD die beiden rechtsextremen Initiativen dazu. Hohm organisierte
Anti-Merkel-Demos in Brandenburg, machte für das rechtsextreme Netzwerk Ein
Prozent Videos und Infostände. Bei Pegida in Dresden trat er als Redner
auf, reiste bis nach Italien zum neofaschistischen „Casa Pound“-Projekt in
Rom.
2014 war Hohm, damals als 17-jähriger Gymnasiast, Mitgründer und
Vorsitzender der Jungen Alternative in Brandenburg. Später beschäftigte ihn
die Brandenburger AfD-Fraktion als Mitarbeiter – bis Hohm 2017 bei einem
Fußballspiel mit rechtsextremen Hooligans gesehen wurde und ihn die
Fraktion auf öffentlichen Druck hin rauswarf. Der Kontakt aber blieb: Wenig
später dockte Hohm wieder als Mitarbeiter eines Abgeordneten an.
Zudem ist er AfD-Vorsitzender in seiner Heimat Cottbus – und in der Region
regelmäßiger Redner auf Demonstrationen, wo er eine „konsequente
Remigration“ fordert. Gleichgesinnte forderte er auf: „Werdet wehrhaft und
bildet Gemeinschaft, um euch im Ernstfall verteidigen zu können.“ Mit
Listenplatz 9 dürfte Hohm der Einzug in den Landtag sicher sein. In der AfD
ist er bestens vernetzt und könnte dort noch Karriere machen.
## Der Dauerdemonstrant
Seit 2019 sitzt Lars Günther für die AfD im Landtag, auf der Straße stand
er schon vorher. Bereits 2014 tauchte der frühere Security-Mann bei den
rechtsoffenen „Friedensmahnwachen“ in Berlin auf. Dort lernte er Jürgen
Elsässer kennen und arbeitete später bei dessen rechtsextremem
Compact-Magazin, als persönlicher Assistent der Geschäftsführung. Vor allem
aber organisierte Günther Demonstrationen: erst „Merkel muss weg“-Proteste,
bei denen teils auch die NPD mitmischte, später dann Demos gegen die
Coronamaßnahmen.
Auch als die Polizei 2020 einen Querdenker-Protest vor dem Bundestag mit
Wasserwerfern auflöste, war Günther dabei. Zuletzt sorgte eine
AfD-Wahlkampfveranstaltung von ihm in einem Schülerklub in Bad Freienwalde
für Wirbel. Der CDU-Bürgermeister hatte die Veranstaltung gegen den Willen
der Schule durchgesetzt. Vor der Tür gab es Anti-AfD-Proteste, drinnen
verteilte Günther „Remigration? Na klar!“-Sticker. Der Verfassungsschutz
stuft auch ihn als erwiesenen Rechtsextremisten ein.
## Der Parteienwechsler
Im Sommer 2023 trat Falk Janke in der Kreisstadt Seelow im Oderbruch als
Bürgermeisterkandidat der AfD an, unterlag aber deutlich gegen den
parteilosen Kandidaten. Es war eine von zahlreichen Etappen in Jankes
langer politischer Karriere. In den 1990er Jahren war er kommunalpolitisch
für die CDU tätig, 2001 ging er zur Schill-Partei.
Bei deren Nachfolgepartei Offensive D wurde Janke Brandenburger
Landesvorsitzender. 2005 gründete er eine eigene Wählervereinigung mit dem
Namen Die Rechte – Mut zur Wahrheit. In der Seelower
Stadtverordnetenversammlung bildete diese Wählervereinigung mit der CDU
eine gemeinsame Fraktion. Im Kreistag schloss sich Janke mit der
rechtsextremen DVU zusammen.
Sein Antrag, in die damals neue AfD-Fraktion aufgenommen zu werden, wurde
2014 aufgrund seiner rechtsextremen Umtriebe noch abgelehnt. 2017 durfte er
dann doch zur AfD wechseln. Bei der Landtagswahl tritt er als
Direktkandidat im Wahlkreis Märkisch-Oderland IV an.
## Der Szenetreffbetreiber
Der Bunker 38 im Spremberger Ortsteil Schwarze Pumpe war in den 2000er
Jahren einer der wichtigsten Szenetreffpunkte für Neonazis in Brandenburg.
Bei einem Polizeieinsatz im Jahr 2008 wurden die Personalien von 84
Personen aufgenommen, von denen laut Polizei mehr als die Hälfte bereits
mit rechtsextremen Delikten aufgefallen war. Eigentümer des Bunker 38 war
Michael Hanko. Der gut vernetzte Spremberger Unternehmer saß damals als
Parteiloser im Ortsbeirat und setzte sich dort für die Neonazis ein.
2018 trat Hanko in die AfD ein, 2019 zog er für die Partei in den
Brandenburger Landtag ein. Nun tritt er im Wahlkreis Spree-Neiße II als
Direktkandidat an. Seine Chancen stehen gut, schon 2019 konnte er diesen
Wahlkreis mit 35,9 Prozent der Stimmen gewinnen. Neben seiner
parteipolitischen Tätigkeit ist Hanko Vorsitzender der Spremberger
Schießleistungsgruppe.
Mitarbeit: Luisa Ederle, Annika Glunz, Friederike Gräff, Heike
Holdinghausen, David Muschenich, Konstantin Nowotny, Linda Nunn, Nathan
Pulver, Johanna Treblin, Lilli Uhrmacher, Laura Verseck. Mit Hinweisen des
Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin (apabiz),
Rechercheportal Jena-Saale-Holzland-Kreis und Ostthüringer Divan.
12 Jul 2024
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## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
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Gareth Joswig
Konrad Litschko
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