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# taz.de -- Zusammenarbeit mit der AfD im Osten: Weniger als vermutet
> Welche Partei arbeitet wie oft mit der AfD zusammen? Eine aktuelle Studie
> liefert überraschende Ergebnisse zur Brandmauer in ostdeutschen Kommunen.
Bild: Mehr AfD geht an keinen sächsischen Laternenmast. Und was passiert in de…
Berlin taz | In den Landtagen, wo Gesetze gemacht werden, funktioniert die
Ausgrenzung der AfD, die [1][sogenannte Brandmauer] – von einigen
unrühmlichen Ausnahmen abgesehen. Aber gilt das auch für die ostdeutschen
Kommunen? „Die berühmte Brandmauer gibt es im Osten einfach nicht so wie im
Westen“, vermutet der Soziologe Steffen Mau. Wo die Rechten in die
Alltagskultur diffundieren, sei keine scharfe Abgrenzung mehr möglich. Doch
eine aktuelle Studie zeigt: In den Kreistagen ist die Brandmauer stabiler
als vermutet.
In der [2][Studie des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB)] werden 2.452
Sitzungen in kommunalen Parlamenten von Mitte 2019 bis Mitte 2024
analysiert. In 484 Fällen, das sind rund 20 Prozent der von der AfD
gestellten Anträge, gab es Kooperationen anderer Parteien oder
Wählergruppen. Bemerkenswert ist auch die Art der Zusammenarbeit. Die gibt
es „nicht bei kontroversen, bundespolitischen Themen wie Asyl oder
Sicherheit, sondern vielmehr bei infrastrukturbezogenen Aufgaben“, so die
Autoren Wolfgang Schroeder, Daniel Ziblatt und Florian Bochert.
„Insgesamt zeigt unsere Studie, dass die umstrittene Brandmauer, der
vielfach nachgesagt wird, dass sie auf kommunaler Ebene längst nicht mehr
bestehe, in den letzten fünf Jahren zwar durchaus Risse bekommen hat, aber
insgesamt weitaus stabiler ist, als vielfach vermutet wird.“
Untersucht wurde die kommunalen Parlamente aller 75 Landkreise und
kreisfreien Städte in Ostdeutschland, ausgenommen ein paar, bei denen keine
Dokumentationen der Sitzungen verfügbar waren. Die Zusammenarbeit mit der
AfD bestand überwiegend in Zustimmung zu Anträgen der Rechtsextremen – in
den bereits erwähnten 484 Fällen.
Elfmal stellten AfD und eine andere Partei einen gemeinsamen Antrag. 36-mal
gab es eine personelle Kooperation: Die AfD und eine andere Fraktion
versuchten einen gemeinsamen Kandidaten durchzusetzen, was in keinem Fall
gelang. Am stärksten ausgeprägt ist die Zusammenarbeit mit der AfD in
Sachsen-Anhalt: Dort stimmten etablierte Parteien 27 Prozent der
AfD-Anträge zu. Gar keine Kooperation mit der AfD gab es nur in 8 von den
69 untersuchten Kreisen.
Die Frage, welche Parteien mit der AfD stimmen, ist nur eingeschränkt zu
beantworten. Das Datenmaterial ist lückenhaft, weil auf kommunaler Ebene
meist per Handzeichen abgestimmt wird. Wo das Abstimmungsverhalten
dokumentiert ist, zeigt sich ein interessantes Bild: Wenig überraschend
[3][stimmten CDU-Abgeordnete am häufigsten mit den Rechten]. SPD, Grüne und
Linke arbeiten seltener mit der AfD zusammen.
Aber: „Keine der etablierten Parteien schafft es, die Brandmauer in allen
ostdeutschen Kreisen ‚ohne Wenn und Aber‘ aufrechtzuerhalten.“
Kooperationen mit der AfD gebe es vor allem bei drei Themen: der
Geschäftsordnung des Kreistags oder Stadtrats sowie Sport und Verkehr –
etwa der Installierung von Ampeln und Zebrastreifen.
Die AfD ist in Ostdeutschland eine Art Volkspartei geworden. Die
Wahlergebnisse von 30 Prozent in Sachsen und Thüringen zeigen dies. Wird
die noch bestehende Mauer mit dem Aufstieg der AfD zur Volkspartei
automatisch weggespült? Die Autoren der Studie sehen vor allem zwei
mögliche Szenarien.
Nummer eins: Man macht so weiter wir bisher, kooperiert fallweise mit den
Rechtsextremen, trotz parteilichem Verbots der Zusammenarbeit. Das berge
„das Risiko, dass der Prozess der alltagsweltlichen Normalisierung der AfD
durch die praktischen Themen im Bereich der kommunalen Infrastruktur weiter
vorangetrieben wird.“ Möglichkeit zwei: eine Flexibilisierung der
Brandmauer. Bei basalen Themen wie „der Errichtung von Ampeln oder
Zebrastreifen“ sei dann die Kooperation mit der AfD erlaubt, dafür müsse
die Brandmauer bei „kontroverseren Themen wie Asyl und Migration vermehrt
eingehalten“ werden.
Allerdings berge diese Flexibilisierung auch Gefahren: Die „Kooperation in
einem Bereich könnte zu Kooperation in politisch sensibleren Bereichen wie
Asyl und Migration führen.“ Einen Königsweg gibt es nicht.
15 Sep 2024
## LINKS
[1] /Landtagswahlen-in-Ostdeutschland/!6030769
[2] https://www.wzb.eu/de/pressemitteilung/die-brandmauer-steht-zeigt-aber-risse
[3] /Brandmauer-in-Ostdeutschland/!6027118
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
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