| # taz.de -- CDU-Spitze in Klausur: Mit einer Holzbank gegen die AfD | |
| > Das CDU-Präsidium berät in einer Klausur über die Landtagswahlen in | |
| > Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Eine neue Strategie hat sie nicht zu | |
| > bieten. | |
| Bild: Will im Wahlkampf mit einer Holzbank „von Kirchturm zu Kirchturm“ zie… | |
| Berlin taz | Am Sonntag, als der extrem rechte [1][Rassemblement National] | |
| (RN) in Frankreich es schaffte, als stärkste Kraft aus der ersten Runde der | |
| Parlamentswahlen hervorzugehen, saß das Präsidium der CDU zu einer | |
| zweitägigen Klausur in einem Hotel in Berlin zusammen. Am Montag stellte | |
| Generalsekretär Carsten Linnemann die Ergebnisse vor. Die Entwicklung der | |
| konservativen Partei in Frankreich mache ihm Sorgen, sagte Linnemann auf | |
| die Frage einer Journalistin. Er sei froh über die Entwicklung der CDU, die | |
| ganz anders als in Frankreich nach oben zeige. | |
| Worüber Linnemann nicht sprach: Dass sich die Reste der französischen | |
| Republikaner über die Frage nach einer Zusammenarbeit mit dem RN gerade | |
| zerlegen. Die Volkspartei CDU ist zwar weit vom Zustand der französischen | |
| Republikaner entfernt. Aber die Ergebnisse bei den Landtagswahlen in | |
| Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September und die anschließenden | |
| Regierungsbildungen könnten auch für sie zu einer Zerreißprobe werden. | |
| Bei der Klausurtagung hatte die CDU-Spitze einen Forscher von dimap zu Gast | |
| und den Soziologen [2][Steffen Mau] von der Berliner Humboldt-Universität, | |
| derzeit einer der profiliertesten Erklärer Ostdeutschlands. Man habe in | |
| einer Tiefe über Ostdeutschland diskutiert, wie es sie im Präsidium noch | |
| nie gegeben habe, sagte der Brandenburger Landeschef Jan Redmann, der mit | |
| Linnemann zur Pressekonferenz gekommen war. Im Herbst würde er gern als | |
| Ministerpräsident in die Potsdamer Staatskanzlei einziehen. | |
| Redmann beklagte den Vertrauensverlust in die Politik insgesamt – und | |
| führte diesen auf die Politik der Bundesregierung zurück, an der die CDU | |
| bekanntlich nicht beteiligt ist. Auch die Ausdünnung der ICE-Haltestellen | |
| und die Schließung von Krankenhäusern in Ostdeutschland führten genau in | |
| die falsche Richtung. Die CDU dagegen habe mit dem neuen Grundsatzprogramm | |
| alte Positionen korrigiert, das sei ein Schritt, verlorenes Vertrauen | |
| zurückzugewinnen. | |
| Dann forderte er wegen der zunehmenden Kinder- und Jugendkriminalität noch, | |
| die Strafmündigkeit von Kindern von 14 auf 12 Jahre abzusenken und über | |
| Heranwachsende in der Regel nicht mehr nach Jugend- sondern nach | |
| Erwachsenstrafrecht zu urteilen. Linnemann hatte zuvor schon die | |
| „ungebremste und ungesteuerte Migration“ scharf kritisiert. Innere | |
| Sicherheit und Migration, das sind die Themen, die die CDU setzen will. | |
| Sollte die Analyse im CDU-Präsidium mit Blick auf die drei Landtagswahlen | |
| weitere Früchte getragen haben, dann behielten Linnemann und Redmann diese | |
| für sich. | |
| ## Von Kirchturm zu Kirchturm | |
| Eine konkrete Idee aber hat der Landeschef noch mitgebracht: Er will im | |
| Wahlkampf in Brandenburg mit einer Holzbank „von Kirchturm zu Kirchturm“ | |
| ziehen, um mit den Leuten direkt ins Gespräch zu kommen. So hofft er, neues | |
| Vertrauen zu den Brandenburger*innen aufzubauen. Und mit einer | |
| Erststimmenkampagne will seine Landes-CDU zudem versuchen, Wähler*innen | |
| von SPD, Grünen und FDP zu gewinnen. Deren Kandidaten*innen hätten ja | |
| ohnehin keine Chance; es gehe also darum, ob CDU oder AfD die Direktmandate | |
| holen, so die Logik dahinter. | |
| Über mögliche Regierungsbündnisse im September will die CDU dagegen lieber | |
| nicht reden. Koalitionen mit der Linken und der AfD, die bei der Europawahl | |
| in allen drei Ländern stärkste Kraft geworden ist, hat die CDU per | |
| Parteitagsbeschluss ausgeschlossen. Dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), | |
| das laut Umfragen gut abschneiden dürfte, könnte also eine | |
| Schlüsselstellung zukommen. Parteichef Friedrich Merz hatte jüngst für | |
| Aufregung gesorgt, als er in einem Interview eine Zusammenarbeit mit dem | |
| BSW ausschloss, die ostdeutschen Landesverbände intervenierten prompt. | |
| Seitdem gilt die Sprachregelung: Im Bund wird es keine Zusammenarbeit | |
| geben, die Länder aber haben in dieser Frage „Beinfreiheit“. Klar aber ist | |
| auch allen: Eine Zusammenarbeit mit dem BSW könnte sowohl in den | |
| betroffenen Landesverbänden als auch im Bund zu massiven parteiinternen | |
| Auseinandersetzungen führen. Redmann brachte in der Sitzung laut | |
| Teilnehmer*innen eine Mitgliederbefragung vor einer möglichen | |
| Koalitionsbildung ins Spiel. Nur was macht man, wenn die Mitglieder die | |
| einzig mögliche Regierungsbildung zerschießen? | |
| Das CDU-Präsidium beschäftigte sich außerdem mit den Ergebnissen der | |
| Europawahl, die die Union zwar gewonnen hat, bei der sie aber – mit Blick | |
| auf die Anti-Ampel-Stimmung – am unteren Ende dessen geblieben ist, was man | |
| sich erhofft hatte. So hatte es selbst Merz nach der Wahl formuliert. Auch | |
| die Bundestagswahl, die laut Linnemann mit einer Wahrscheinlichkeit von | |
| einem Drittel bereits in diesem Jahr stattfinden könnte („Wir hören auf dem | |
| Flur immer mehr das Wort Vertrauensfrage“), stand auf der Tagesordnung, | |
| unterschiedliche Szenarien wurden durchgespielt. | |
| ## Und die K-Frage? | |
| Man könne innerhalb von zehn Wochen einen Bundestagswahlkampf vorbereiten, | |
| sagte Linnemann. Mit dem neuen Grundsatzprogramm, das die Partei jüngst | |
| verabschiedet hat, gebe es eine gute Grundlage für ein Regierungsprogramm. | |
| Der parlamentarische Geschäftsführer Torsten Frei und er würden dessen | |
| Erstellung koordinieren. Präsidium und die Partei-Vereinigungen sollen | |
| dabei eine wichtige Rolle spielen. Namentlich nannte Linnemann allerdings | |
| nur die Mittelstandsvereinigung und dessen Vorsitzende Gitta Connemann. In | |
| Sachen Wirtschaft sei diese seine erste Ansprechpartnerin. | |
| Über eines soll laut Teilnehmer*innen nicht gesprochen worden sein: die | |
| Frage der Kanzlerkandidatur. Aber natürlich schwingt diese bei allem mit, | |
| was die CDU derzeit diskutiert. Zumal sich sowohl CSU-Chef Markus Söder als | |
| auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst sichtlich im Spiel halten. Aber | |
| auch darüber will die CDU offiziell erst nach den drei Landtagswahlen | |
| entscheiden. | |
| 1 Jul 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sabine am Orde | |
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