| # taz.de -- Debattenkultur im Bundestag: Härtere Strafen fürs Pöbeln | |
| > Die Ampel-Fraktionen wollen den Pöbelparagrafen im Bundestag verschärfen | |
| > und die Höhe der Ordnungsgelder verdoppeln. Das träfe vor allem die AfD. | |
| Bild: Das wird in Zukunft teuer: Beatrix von Storch (M.) im Plenum des Deutsche… | |
| Berlin afp/dpa/taz | Seit [1][die AfD] 2017 in den Bundestag eingezogen | |
| ist, ist das Debattenklima im Parlament deutlich rauer geworden. Dagegen | |
| wollen die Fraktionen der Bundesregierung nun mit der Verschärfung des | |
| [2][sogenannten Pöbelparagrafen] vorgehen. | |
| Die Ampel-Parteien wollen die Strafen für die Beleidigung und Störungen | |
| während Plenar- oder Ausschusssitzungen verdoppeln. Über eine entsprechende | |
| Änderung der Geschäftsordnung wollte der Bundestag am Mittwochabend in | |
| erster Lesung beraten. Künftig würde nach drei Ordnungsrufen innerhalb von | |
| drei Sitzungswochen automatisch ein Bußgeld fällig. | |
| Den Ampel-Plänen zufolge soll die Höhe der Strafzahlungen durch die | |
| Verschärfung auf 2.000 Euro verdoppelt werden. Im Wiederholungsfall wären | |
| es entsprechend künftig 4.000 Euro. Bei Störungen sollen darüber hinaus | |
| künftig auch Ausschussvorsitzende Mitglieder von Sitzungen ihrer Gremien | |
| ausschließen können. | |
| Ordnungsrufe können dem Entwurf zufolge wie bisher erteilt werden, wenn | |
| Abgeordnete „die Ordnung oder die Würde des Bundestages“ verletzen. | |
| Klargestellt wird in dem Änderungsentwurf ausdrücklich, dass alle | |
| Redebeiträge und Äußerungen „vom gegenseitigen Respekt und von der Achtung | |
| der anderen Mitglieder sowie der Fraktionen geprägt“ sein sollten. | |
| „Jegliche beleidigende oder diskriminierende, insbesondere rassistische | |
| oder sexistische Äußerungen oder Verhaltensweisen gegenüber einem anderen | |
| Mitglied oder Dritten sollen unterlassen werden.“ | |
| ## AfD bekommt am meisten Ordnungsrufe | |
| Vor allem die AfD hat dafür gesorgt, dass die Umgangsformen im Bundestag | |
| deutlich schärfer geworden sind. Die 2017 in den Bundestag eingezogene | |
| extrem rechte Partei bekommt [3][mit Abstand die häufigsten Ordnungsrufe]. | |
| Dafür sorgen nicht nur rassistische Beleidigungen, [4][Sexismus] oder | |
| provokante Aktionen wie das Verlassen des Saals bei Staatsgästen wie dem | |
| ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij. | |
| Auch queerfeindliches Deadnaming von Trans-Abgeordneten ist mittlerweile | |
| Volkssport in der AfD-Fraktion – also das absichtliche Bezeichnen mit dem | |
| abgelegten Vornamen, eine Spezialität etwa von Beatrix von Storch, die | |
| kürzlich dafür ein Ordnungsgeld von 1.000 Euro zahlen musste. | |
| Und wie so oft gilt bei der AfD: Austeilen kann sie, einstecken aber nicht. | |
| Natürlich inszeniert sie sich angesichts von Ordnungsgeldern und nun mit | |
| der bevorstehenden Verschärfung des „Pöbelparagrafen“ als Opfer. Stephan | |
| Brandner, Justitiar der AfD-Fraktion und Parlamentarischer Geschäftsführer, | |
| sprach in einer Presserunde am Dienstag von „Schikane und Drangsalierung“ | |
| und beklagte: „Das wird uns treffen.“ Die Änderungen würden die | |
| parlamentarische Debatte negativ beeinflussen, sagte Brandner. | |
| Brandner selbst hat bisher die zweitmeisten Ordnungsrufe in der laufenden | |
| Legislatur bekommen. Erstplatzierte ist von Storch. Auf Platz 3 liegt der | |
| fraktionslose Abgeordnete Matthias Helferich, der ebenfalls für die AfD in | |
| den Bundestag eingezogen ist. Die ersten drei Plätze für die meisten | |
| Ordnungsrufe gingen damit zumindest [5][einer Auswertung aus dem letzten | |
| Herbst zufolge] allesamt an die AfD. | |
| ## Bündestagspräsidentin Bas sieht Anstieg seit 2017 | |
| Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sieht das so: Er sagte, das | |
| verschlechterte Klima im Bundestag lasse sich „an der Zahl der Ordnungsrufe | |
| ablesen, die insbesondere in das rechte Lager gehen“. Weiter sagte er: | |
| „Mich betrübt das, weil es hat ja etwas damit zu tun, was in dieses Haus | |
| eingezogen ist – im wahrsten Sinne des Wortes.“ Mützenich schilderte auch | |
| Vorfälle, bei denen Mitarbeiter, deren Familien aus dem Ausland stammten, | |
| angepöbelt worden seien. Dies sei nicht nur belastend, sondern | |
| „hochdramatisch“. | |
| Im vergangenen Monat hatte sich Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) in | |
| einer Rede besorgt über den härter werdenden Umgangston im Plenum gezeigt. | |
| Seit 2017, dem Jahr des Einzugs der AfD in den Bundestag, sei „die Anzahl | |
| der Ordnungsrufe sprunghaft angestiegen“, sagte Bas. Zur Halbzeit der | |
| aktuellen Wahlperiode habe es bereits mehr Ordnungsrufe gegeben als in der | |
| gesamten Wahlperiode zuvor. Bas forderte deshalb eine „Nachschärfung“ der | |
| Geschäftsordnung. | |
| Der Änderungsantrag von SPD, Grünen und FDP für die | |
| Bundestagsgeschäftsordnung umfasst insgesamt 71 Seiten und sieht eine Reihe | |
| von Änderungen und Präzisierungen vor. In der Begründung wird darauf | |
| verwiesen, dass die Geschäftsordnung wesentlich auf noch vor mehr als 40 | |
| Jahren beschlossenen Regelungen beruhe, die „nicht mehr der | |
| parlamentarischen Praxis“ entsprächen und dieser teilweise sogar | |
| zuwiderliefen. | |
| ## CDU findet Diskriminierung halb so wild | |
| Zugleich sollen Rechte der Opposition gestärkt werden, indem | |
| festgeschrieben wird, dass von Fraktionen verlangte öffentliche Anhörungen | |
| künftig innerhalb von zehn Sitzungswochen behandelt werden müssen. Diese | |
| Frist gibt es bisher nicht. | |
| Die Abgeordneten von Parteien nationaler Minderheiten sollen zudem die | |
| Möglichkeit erhalten, sich bei Themen, welche die von ihnen vertretenden | |
| Minderheiten betreffen, stärker einzubringen. Mit Blick auf die Rechte des | |
| Petitionsausschusses wird festgehalten, dass dieser dem Bundestag empfehlen | |
| kann, eine Petition auf die Tagesordnung zu setzen, wenn diese mindestens | |
| 100.000 Unterstützerinnen und Unterstützer hat. | |
| Die CDU/CSU-Fraktion findet die Vorschläge der Ampelkoalition zu | |
| weitgehend, weil darin allgemein auf diskriminierende Äußerungen abgestellt | |
| werde. „Solch unbestimmte Begriffe schädigen die Debattenkultur im | |
| Bundestag“, sagte Parlamentarischer Geschäftsführer Thorsten Frei (CDU). | |
| Ansonsten sei die Union aber für eine Stärkung des parlamentarischen | |
| Ordnungsrechts. | |
| Die Union hat einen eigenen Antrag „Demokratie stärken – Für eine echte | |
| Parlamentsreform im Deutschen Bundestag“ formuliert. Darin bemängelt sie, | |
| dass Antworten auf Fragen von Parlamentariern von der Bundesregierung nicht | |
| selten unter anderem mit der Begründung verweigert würden, dass die | |
| erbetenen Angaben nicht statistisch aufbereitet vorlägen. Dies untergrabe | |
| die parlamentarische Kontrolle und schade letztlich dem öffentlichen | |
| Ansehen von Regierung und Parlament. | |
| 3 Jul 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Schwerpunkt-AfD/!t5495296 | |
| [2] https://www.buzer.de/37_GO-BT.htm | |
| [3] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/ordnungsrufe-afd-100.html | |
| [4] https://www.tagesspiegel.de/politik/hass-sexismus-drohungen--alltag-fur-fra… | |
| [5] https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/die-grosse-liste-der-parl… | |
| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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