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# taz.de -- Grünen-Abgeordnete wechselt zu CDU: Unbequeme Bürogemeinschaft
> Mit ihrem Wechsel zur CDU hat die Mannheimer Grüne Melis Sekmen
> plötzliche Berühmtheit erlangt – und ihre Partei vor mietrechtliche
> Probleme gestellt.
Bild: Bis jetzt unauffällig: Melis Sekmen im Bundestag
Es ist ein kleiner Paukenschlag für die Grünen, bei denen gute Nachrichten
im Moment ohnehin gerade selten sind. In einem gut gelaunten
Instagrambeitrag erklärt die Bundestagsabgeordnete der Grünen Melis Sekmen
vor dem Wasserturm in ihrem Wahlkreis Mannheim ihren Übertritt zur CDU: Sie
habe mit Parteichef [1][Friedrich Merz] gesprochen, erzählt sie sichtlich
stolz.
Der Parteiwechsel bedeute für sie eine Weiterentwicklung, aber auch
irgendwie nicht: „Ich bleibe die Melis, die ihr kennt, nahbar und für alle
ansprechbar.“ Melis Sekmen, bis dahin Obfrau der Grünen im
Wirtschaftsausschuss des Bundestags, dürfte außerhalb von Mannheim bis
jetzt nur Bundestagskennern ein Begriff gewesen sein. Aber ein
Parteiwechsel in der laufenden Legislatur hat ziemlichen Seltenheitswert.
Sekmen, 30 Jahre, abgebrochenes BWL-Studium, Kind türkischer Eltern, hat in
der Partei bisher eine Blitzkarriere hingelegt. 2011 war sie zu den Grünen
gekommen, wurde im gleichen Jahr Sprecherin der Grünen Jugend Mannheim.
2014 wurde sie in den Mannheimer Gemeinderat gewählt, bei ihrer Wiederwahl
sogar als Stimmenkönigin unter allen Kandidat:innen in der Stadt. Bei
der Bundestagswahl 2021 kandidierte sie in Mannheim, dem Wahlkreis des
[2][durch die Maskenaffäre zum Rücktritt gezwungenen CDU-Direktkandidaten
Nikolas Löbel]. Eine erste Enttäuschung. Die Mannheimer Grünen hatten
erwartet, dass sie den Wahlkreis 275 direkt gewinnt, das aber gelang Isabel
Cademartori von der SPD. Sekmen kam nur über die Liste in den Bundestag.
Nach ihrem Übertritt hofft die CDU, den Wahlkreis wieder für sich
zurückzugewinnen.
In Mannheim ist die Wut über Sekmens Parteiwechsel groß. Der langjährige
Gemeinderat der Grünen, Gerhard Fontagnier, hielt es aber laut eigener
Aussage für absehbar. „Wir hatten hier im Kreisverband Wetten laufen, ob
und wann sie zur CDU geht.“ Dabei nimmt der Stadtrat für sich in Anspruch,
Melis Sekmen zu den Grünen gebracht zu haben.
## Rasanter Aufstieg
Aber er zeichnet auch das Bild einer Aufsteigerin, die sich mehr für ihre
Karriere als für politische Inhalte interessiert habe und mit dem Übertritt
nun ihren Verbleib im Parlament absichern wolle. Sekmen sei durch
Netzwerke, ihren Migrationshintergrund, aber auch durch das Frauenstatut
sehr schnell hochgekommen. „Aber wenn man ihr zugehört hat, waren das aber
immer die gleichen Sprechblasen.“
Wenig Positives ist auch aus der Bundestagsfraktion zu hören. Mit Sekmen
verlasse eher ein Ersatzspieler die Mannschaft, sagt einer vom linken
Flügel. In der Fraktion sei sie häufig durch Untätigkeit aufgefallen, bei
ihren Mitarbeitern habe es viele Wechsel und Unzufriedenheit gegeben. Es
habe einiges darauf hingedeutet, dass sie mit dem Mandat überfordert sei,
sagt ein Fraktionsmitglied.
In ihrer Erklärung an ihre Ex-Parteifreunde ist von Überforderung freilich
nichts zu lesen. Dafür klingt an, dass ihr die Meinungskorridore der Grünen
zu eng erschienen. Sie schreibt mit Bezug auf die Migrationspolitik, es
brauche „eine Debattenkultur, die auch unbequeme Realitäten benennen kann
und in der Menschen für ihre Meinung oder ihre Sorgen nicht in Schubladen
gesteckt werden“.
Die Mannheimer Grünen haben Sekmen nun aufgefordert, ihr durch die
Parteiliste erworbenes Mandat zurückzugeben. Wohl erfolglos. Deshalb haben
sie nun zunächst ein ganz praktisches Problem. Sekmen, die bald
CDU-Abgeordnete ist, hat ihr Wahlkreisbüro erst mal weiterhin in
Bürogemeinschaft mit dem Kreisverband der Grünen. „Da müssen wir jetzt mal
in den Mietvertrag schauen“, sagt Fontagnier.
2 Jul 2024
## LINKS
[1] /Bundeskanzler-Friedrich-Merz/!6017638
[2] /Nikolas-Loebel-freigesprochen/!5781504
## AUTOREN
Benno Stieber
Tobias Schulze
## TAGS
Bündnis 90/Die Grünen
CDU
Wirtschaftspolitik
Ampel-Koalition
Bundestag
Social-Auswahl
CDU
Das Milliardenloch
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