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# taz.de -- Jens Spahn und die Corona-Masken: Zu teuer, zu viele
> Die Masken-Deals des Ex-Gesundheitsministers zu Beginn der Pandemie
> könnten den Bund 2,3 Milliarden Euro kosten. Darüber diskutierte der
> Bundestag.
Bild: Mit Maske: Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn
Berlin taz | Jens Spahn ist eigentlich keiner, der sich mit Redebeiträgen
lange zurück hält. Egal, ob es um Migration oder Islam, um Energie oder
Wirtschaft geht, der CDU-Mann ist schnell mit zugespitzten Beiträgen dabei
– im Bundestag, und auch sonst. Beim Tagesordnungspunkt ZP 10 am
Donnerstagnachmittag aber saß Spahn im Bundestagsplenum in der zweiten
Reihe seiner Fraktion und hörte lange zu. Erst ganz am Ende gab er eine
persönliche Erklärung ab.
Es ging es um ein Thema, das untrennbar mit ihm verknüpft ist:
„Aufarbeitung der Corona-Masken-Beschaffung“ lautete der Titel der
Aktuellen Stunde, die die Ampel-Fraktionen beantragt hatten. 2,3 Milliarden
Euro könnten Maskendeals des ehemaligen Gesundheitsministers aus dem Jahr
2020 den Bund – und damit die Steuerzahler*innen – noch kosten, plus
Zinsen, Gerichts- und Anwaltskosten. Das wäre noch einmal deutlich teurer
als das Maut-Desaster des ehemaligen CSU-Verkehrsministers Andreas Scheuer.
[1][Zwar betonten die Redner*innen der Ampel], dass gerade der Beginn
der Pandemie „eine Zeit der Ungewissheit“ und Spahns Aufgabe als
Gesundheitsminister keine leichte gewesen sei. Doch dann gingen sie unisono
zum Angriff über und forderten Aufklärung. „Niemand darf sich aus der
Verantwortung stehlen“, sagte etwa die SPD-Gesundheitspolitikerin Martina
Stamm-Fibich. Der grüne Haushaltspolitiker Andreas Audretsch sprach von
einem „der größten Steuerverschwendungsskandale in der Geschichte der
Bundesrepublik“. Die Frage sei, ob es schlechtes Mangament gewesen sei –
oder auch Gefälligkeit.
## Spahns „Gelddruckmaschine“
Die FDP-Abgeordnete Kristine Lütke kritisierte, der ganze Vorgang grenze an
„Fahrlässigkeit“. CDU-Gesundheitspotiker Tino Sorge hingegen kreidete der
Ampel an, das Thema politisch zu instrumentalisieren und sprach von einem
Maß von „Niederträchtigkeit und Doppelmoral“, dass sogar die AfD blass
werde. [2][Im Übrigen sei auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als
damaliger Finanzminister 2020 an der Entscheidung beteiligt] gewesen.
Heidi Reichinnek von der Linken wiederum warf Spahn vor, eine
„Gelddruckmaschine“ geschaffen zu haben, rief die Namen „Nüßlein,
Hauptmann, Löbel, Sauter“ in den Saal und sagte dann, was sie alle
gemeinsam hätten: „alle Union, alle an Maskenaffären beteiligt.“
Hintergrund der Debatte sind schwelende Streitfälle um die Lieferung von
Schutzmasken zu Sonderkonditionen in der Frühphase der Corona-Pandemie
2020, als Masken knapp waren und dringend benötigt wurden. Um schneller zu
sein, wandte das Gesundheitsministerium unter der Leitung von Spahn ein
besonderes Beschaffungsverfahren an und garantierte Lieferant*innen
eine unbegrenzte Abnahme von Masken zu einem festen Kaufpreis von 4,50 Euro
pro FFP2-Maske.
## Lieferanten zogen vor Gericht
Vielfach verweigerte das Ministerium später die Bezahlung unter Verweis auf
Qualitätsmängel und verspätete Lieferung. Lieferanten zogen vor Gericht.
Laut Bundesgesundheitsministerium, das inzwischen von SPD-Politiker Karl
Lauterbach geführt wird, geht es um insgesamt etwa hundert Fälle mit einem
Streitwert in Höhe von insgesamt 2,3 Milliarden Euro. Ein großer Teil der
Masken wurde später gar nicht benötigt.
Am Freitag hatte der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln in einem der
Fälle geurteilt. Das Gericht war dabei nicht der Position des
Gesundheitsministeriums gefolgt, dass die Masken bis zu einem fixen Termin
hätten geliefert werden müssen und danach das ganze Geschäft ungültig sei.
Das Ministerium prüft in diesem Fall, in dem es um einen Streitwert von
einer Million Euro geht, nun Rechtsmittel.
Die Zeit der aktuellen Stunde ist eigentlich schon um, als Petra Pau,
Vizepräsidentin des Bundestags, Spahn das Wort für eine persönliche
Erklärung erteilt. „Sie können mich hier so angehen. Sie können auch so
tun, als wüssten Sie nicht, wie die Lage im Frühjahr 2020 gewesen ist“,
beginnt der ehemalige Gesundheitsminister und betont, dass Menschenleben
auf dem Spiel gestanden hätten und Masken dringend benötigt wurden.
Klinikdirektoren und Pflegekräfte hätten vehement danach verlangt.
„Wir haben Masken beschafft“, so Spahn weiter. „War es teuer? Ja. War es
teilweise chaotisch? Ja. So ging es allen Ländern auf der Welt. Und ich
kenne niemanden, der damals gesagt hat: Passt aber bloß auf, dass die
Preise nicht zu hoch sind!“ Er räumte aber auch ein, dass er mit dem Wissen
von heute manche Entscheidung anders treffen würde und das damalige
Verfahren nicht empfehlenswert sei.
Am Donnerstag kommender Woche soll Spahn im Gesundheitsausschuss Rede und
Antwort stehen. Da ist auf Antrag der Ampel-Fraktionen eine Sondersitzung
geplant.
Transparenzhinweis: In der ersten Version des Artikels hieß es, Jens Spahn
habe in der aktuellen Stunde nicht gesprochen. Das ist falsch. Wir haben
den Fehler korrigiert und bitten um Entschuldigung.
27 Jun 2024
## LINKS
[1] /Zustand-der-Ampel/!6015065
[2] /Milliardenkosten-fuer-Gratis-FFP2-Masken/!5760616
## AUTOREN
Sabine am Orde
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