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# taz.de -- TV-Duell mit Höcke: Einfach mal das Dilemma zugeben
> Nur „keine Bühne den Faschisten“ zu rufen, hilft nicht viel. Denn sie
> haben eigene Plattformen, auf denen die deutsche Welt pausenlos
> untergeht.
Bild: Die AfD hat längst eigene Bühnen: Auf TikTok ist sie sehr präsent
Sie haben das sogenannte Duell zwischen den beiden Thüringern, Mario Voigt
(der Spitzenkandidat von der CDU für die Landtagswahl am 1. September) und
Björn Höcke (gleiche Rolle für die AfD), natürlich nicht gesehen, und zwar
zu Recht, denn es tat wirklich weh. Und wozu haben Sie uns, die
JournalistInnen, die sich damit den Donnerstagabend um die Ohren hauen und
als einzigen Trost im Social-Media-Kanal die wütenden, [1][verzweifelten,
auch lustigen] Schmerzensschreie der KollegInnen parallel verfolgen?
Ein Teil der Wut handelt übrigens davon, dass wir uns überhaupt damit
befassen. Kann man diese Schaukämpfe, in denen ohnehin entweder alle
durcheinander reden, was kaum zu ertragen ist, oder der AfD-Mann seinen
verlogenen, völkischen Mist verbreitet, was noch weniger zu ertragen ist –
kann man die nicht einfach wegignorieren?
Der Streit darüber, ob die AfD wieder kleiner würde, [2][wenn sie in der
demokratischen Öffentlichkeit weniger Aufmerksamkeit bekäme], tobt nun seit
Jahren. Nur „keine Bühne den Faschisten“ zu rufen, hilft allerdings nicht
viel, denn die AfD hat längst eigene Bühnen: Einen Gutteil ihrer Bedeutung
hat sie sich auf ihren parallelweltlichen Plattformen im Netz erschaffen,
wo die deutsche Welt pausenlos untergeht und das Echsenwesen Merkel am
Untergang der blonden Rasse arbeitet.
Dass eine Partei wie die AfD kritisch ausgeleuchtet gehört, steht dabei ja
außer Frage. Wie genau aber lässt sich der Raum bemessen, den vor allem die
öffentlich-rechtlichen Medien der Partei zum Selberreden überlassen
sollten? Viele MedienwissenschaftlerInnen finden durchaus, dass
AfD-VertreterInnen sich in Funk und Fernsehen selbst präsentieren können
sollten – natürlich nicht unwidersprochen, aber schon auch in Talkshows
oder Interviews.
## Wie sollen Medien die AfD behandeln?
Bernd Gäbler zum Beispiel, der 2017 und 2018 [3][zwei gute Studien] zum
Thema für die IG-Metall-nahe Otto-Brenner-Stiftung erstellt hat, meint,
dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit der AfD halbwegs angemessen
umzugehen gelernt habe: „Ich erkenne insgesamt eine größere Souveränität
bei ARD und ZDF“, berichtet er.
Natürlich brauche es bei einer Partei, die in einem fort mit
Quatsch-Statistiken um sich wirft, Live-Faktenchecks. Aber fast noch
wichtiger, als Fake News korrigierend nachzulaufen, sagt Gäbler, sei es,
sich mit dem Weltbild des Rechtspopulismus auseinanderzusetzen.
Er ist da offenbar ganz klassischer, also optimistischer Aufklärer: Wenn
man ausreichend beschreibt, wie dumm und gefährlich die Kurzschlüsse von
Rechtsextremen sind, wird die demokratische Gesellschaft auch die
Abwehrkräfte aufbringen, sie nicht an die Macht kommen zu lassen. Womit
aber noch nicht beantwortet ist, wie die seriösen Medien nun damit umgehen
sollen, dass sie die AfD einerseits nicht mit unnötiger Aufmerksamkeit
ausstatten wollen, andererseits aber solch ein Ereignis wie das
Voigt-Höcke-Spektakel ein mediales Eigenleben entwickelt, dem sich niemand
wirklich entziehen kann.
Vielleicht hilft es ja schon mal zuzugeben, dass es ein Dilemma ist – also
nichts, wo man leicht herauskommt. Und dann: Zugeben, dass es immer auch
eigene materielle Interessen – Klicks und Reichweite – gibt, sich in die
Deutungs- und Empörungsschleifen mit reinzuhängen. Dass die aber nicht
maßgeblich sein dürfen. Dass wir das Gespräch über eine funktionierende
demokratische Öffentlichkeit nicht abreißen lassen dürfen. Dass dafür
jedoch solche PolitikerInnen wie Voigt, die nur auf eigene Vorteile im
Wahlkampf setzen, für das Danach, also die Koalitionsfrage, aber keinen
Plan haben, keine guten GesprächspartnerInnen sind.
13 Apr 2024
## LINKS
[1] https://twitter.com/garethmetik/status/1778502219802796431
[2] https://www.journalist.de/startseite/detail/article/medien-und-afd-extrem-n…
[3] https://www.otto-brenner-stiftung.de/afd-und-medien-ll/
## AUTOREN
Ulrike Winkelmann
## TAGS
Kolumne Ernsthaft?
Björn Höcke
Schwerpunkt AfD
GNS
Schwerpunkt Landtagswahl Sachsen 2024
Björn Höcke
Björn Höcke
Soziale Medien
Olaf Scholz
Anti-AfD-Proteste
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