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# taz.de -- Starke Kürzung bei Integrationskursen: Kritik an geplantem Innen-E…
> Mehr Geld für die Polizei, deutlich weniger für Integrationskurse:
> Innenministerin Faeser freut sich über den neuen Etat. Die Grünen aber
> üben Kritik.
Bild: Hätte sich deutlich mehr Geld für die Sicherheitsbehörden gewünscht: …
Berlin taz | Nancy Faeser (SPD) reagierte hoch erfreut, als vor wenigen
Tagen die [1][Ampel-Anführer nach langem Ringen ihren Haushaltsentwurf
präsentierten]. Ein „echter Sicherheitshaushalt“ sei es geworden, mit
„starken Investitionen in die innere Sicherheit“. Und tatsächlich kann die
Sozialdemokratin als eine der wenigen im Kabinett einen Etat-Aufwuchs
verbuchen. An einigen Stellen aber gibt es auch deutliche Kürzungen, vor
allem die Gelder für Integrationskurse werden mehr als halbiert – was auch
in der Ampel für Unmut sorgt.
Faeser selbst dagegen bescheinigt ihrem verhandelten Etat „die richtigen
Prioritäten in diesen rauen Zeiten“. Die Sicherheitsbehörden würden mit dem
neuen Haushalt deutlich gestärkt. „Das dient dem Schutz vor Kriminalität,
vor Extremismus, vor Cyberattacken und anderen inneren und äußeren
Bedrohungen“, erklärt Faeser dieser Tage. „Die Sicherheit unseres Landes
und der Menschen, die hier leben, steht für uns an oberster Stelle.“
Insgesamt soll der neue Haushalt von Faesers Ministerium laut
Regierungskreisen rund 13,75 Milliarden Euro betragen – ein Anstieg von gut
400 Millionen Euro zum aktuellen Innen-Etat von 13,3 Milliarden Euro. Gut
die Hälfte davon fließt in die Sicherheitsbehörden. So soll etwa allein die
Bundespolizei rund 4,7 Milliarden Euro bekommen und 1.000 neue Stellen –
und damit 417 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Auch das
Bundeskriminalamt (BKA) soll 115 Millionen Euro mehr bekommen, das
Bundesamt für Bevölkerungsschutz ein Plus von 72 Millionen Euro und das
Technische Hilfswerk 15 Millionen Euro mehr. Die Summen sollen auch für die
kommenden Jahre gelten.
Dass Faeser in den Haushaltsverhandlungen gute Karten hatte, zeichnete sich
ab. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte [2][nach dem tödlichen Messerangriff
auf einen Polizisten in Mannheim versprochen], man werde „mit aller Macht
durchsetzen“, dass „jede und jeder in unserem Land ohne Furcht vor seinen
Mitmenschen leben“ könne. Auch eine Stärkung der Bundespolizei kündigte er
da schon an. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte ebenso
versprochen, dass man die Sicherheitsbehörden „weiter stärken“ werde.
## Integrationskurse sollen auf den Prüfstand
Doch nicht nur die Sicherheitsbehörden profitieren. Auch die
[3][Bundeszentrale für Politische Bildung soll mehr Geld bekommen], ebenso
das Demokratieprojekt „Zusammenhalt durch Teilhabe“ oder jüdische
Institutionen wie der Zentralrat.
Auf der anderen Seite aber kommt es auch zu Einschnitten – bei einigen
Digitalprojekten etwa, wo nun die Länder stärker in die Pflicht genommen
werden sollen. Vor allem aber soll bei den Integrationskursen gespart
werden. Stehen dafür im aktuellen Haushalt noch 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung, sollen es 2025 nur noch 500 Millionen Euro sein. Faeser selbst
spricht von „schmerzhaften Einsparungen“.
Aber auch das Bundesinnenministerium selbst soll in die Verhandlungen nur
mit der Summe von 500 Millionen Euro hineingegangen sein. Offenbar gibt es
Unzufriedenheit mit einigen Projekten, die gesamte Struktur der
Integrationskurse soll nun genauer evaluiert werden. Auch geht die
Bundesregierung perspektivisch von zurückgehenden Migrationszahlen aus –
und hofft noch auf Gelder der EU-Kommission, weil Deutschland so viele
Ukrainer*innen aufgenommen hat.
## Auch das Afghanistan-Aufnahmeprogramm wackelt
Offenbar auch nicht mehr weiterfinanziert werden soll seitens des
Innenministeriums das [4][Aufnahmeprogramm für gefährdete Afghan*innen],
welches Faeser 2022 zusammen mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne)
nach der Machtübernahme der Taliban ins Leben gerufen hatte. Noch offene
Fälle sollen zu Ende bearbeitet werden. Geld für zusätzliche Zusagen soll
es vom Innenministerium aber künftig nicht mehr geben. Das Auswärtige Amt
erklärte dagegen, von seiner Seite gebe keine Pläne, das Programm
einzustellen. Es sei auf die Legislaturperiode ausgelegt und werde aktuell
lediglich evaluiert.
Nicht überall in dem Bereich wird aber gespart: Mehr Geld soll es etwa für
die Migrations- oder Asylverfahrensberatung geben oder für die
Beschleunigung und Digitalisierung von Asylverfahren. Ebenso muss das
Innenministerium die Anschubfinanzierung für bürokratische Maßnahmen
vornehmen, die es hierzulande für die [5][Umsetzung die europäische
Asyl-Reform Geas] braucht.
## Grüne sieht Faeser „zu vorschnell und zu euphorisch“
Gerade die Einsparungen bei den Integrationskursen sorgen auch in der Ampel
für Kritik. „Weniger Integration ist das Gegenteil von dem, was wir gerade
brauchen“, sagte Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic der taz.
„Deshalb würden uns Kürzungen bei den Integrationskursen am Ende teuer zu
stehen kommen.“
Die Grünen hatten aber auch bei den Sicherheitsbehörden auf noch mehr
Gelder gehofft. „Meiner Auffassung nach investieren wir angesichts der
multiplen Bedrohungen und wachsenden Aufgaben unserer Zeit noch zu wenig in
die Handlungsfähigkeit der Sicherheitsbehörden“, sagte Mihalic. „Es ist
sicher ein erster wichtiger Schritt, dass die ursprünglichen Kürzungspläne
des Finanzministers in ihren schlimmsten Szenarien abgewendet werden
konnten. Aber das darf uns nicht zufriedenstellen.“
Den Innen-Etat habe Faeser „etwas vorschnell und zu euphorisch als
‚Sicherheitshaushalt‘ bezeichnet“, so Mihalic. Gerade mit den massiven
Destabilisierungsversuchen Russlands müssten die deutschen
Sicherheitsbehörden „finanziell, personell und mit Blick auf die
Ausstattung gut aufgestellt“ sein. „Mehr Sicherheit gibt es nicht zum
Nulltarif und auch nicht mit einem ‚Weiter so‘.“ Faeser müsse sich hier
nochmal „für eine Stärkung ihres Haushalts einsetzen“, forderte Mihalic.
Der SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese lobte dagegen die gestiegenen Gelder für
die Sicherheitsbehörden. Angesichts der aktuellen Herausforderungen und
knapper Kassen setze der Haushaltsentwurf mit dem Fokus auf die äußere und
innere Sicherheit „genau die richtigen Prioritäten“. Es gehe um zentrale
Bereiche des Zusammenlebens, die Sicherheitsbehörden müssten mit den
veränderten Bedrohungslagen Schritt halten können, so Wiese zur taz. Mit
dem Haushaltsentwurf „sorgen wir dafür, dass unsere Bürgerinnen und Bürger
weiterhin in Sicherheit leben können“.
Wiese räumte aber ein, dass dabei „schmerzhafte Sparvorgaben“ nicht
ausblieben. Das werde man sich noch „genauer ansehen“. Insgesamt könnten
sich die „ausgewogenen Vorschläge für die Innenpolitik in diesen
schwierigen Zeiten aber wirklich sehen lassen“, sagte Wiese. Auch der
FDP-Innenexperte Manuel Höferlin zeigte sich zufrieden mit dem Etat: Dieser
halte die Schuldenbremse ein und bleibe im Spielraum öffentlicher
Kreditaufnahme. Im parlamentarischen Verfahren müsse man nun sehen, wo man
den Entwurf noch „optimieren“ könne.
Der Haushaltsentwurf soll kommenden Mittwoch vom Bundeskabinett
verabschiedet werden. Danach geht er in den Bundestag und kann dort nochmal
von den Fraktionen angepasst werden. Eine finale Verabschiedung ist dann im
Spätherbst geplant.
## „Schäbiger Vertrauensbruch“
Harsche Kritik kommt schon jetzt aus der Opposition. Die
Linken-Innenpolitikerin Clara Bünger warnt, es wäre „fatal“, bei den
Integrationskursen zu sparen. „Die Sprachkurse tragen wesentlich dazu bei,
dass Geflüchtete schneller ankommen und am Erwerbsleben teilnehmen können.
Hier zu kürzen, hat höhere Folgekosten an anderer Stelle zur Folge.“ Das
könne die Ampel nicht wollen, sagte Bünger der taz.
Auch dass sich das Innenministerium offenbar nicht weiter an der
Finanzierung des Aufnahmeprogramms Afghanistans beteiligen will,
kritisierte Bünger. Das Programm sei zuvor schon bürokratisch „ausgebremst�…
worden, nur ein Bruchteil der zugesagten Aufnahmen hätte stattgefunden.
Statt der veranschlagten 35.000 Zusagen sei nun bei etwa 3.500 Schluss.
„Das ist ein schäbiger Vertrauensbruch und ein Triumph für die politische
Rechte, die schon immer eine Beendigung des Aufnahmeprogramms gefordert
hat.“
Bünger betonte, dass die Aufnahme von Afghaninnen und Afghanen aber keine
großherzige Geste sei, die man einfach mal lassen könne. „Es geht um
Verantwortung für Menschen, die sich unter großen Gefahren mutig für ein
Leben in Freiheit und Demokratie eingesetzt haben und die dazu von den
westlichen Ländern auch ermutigt wurden.“
11 Jul 2024
## LINKS
[1] /Haushaltsverhandlung-der-Ampelkoalition/!6021752
[2] /Kanzler-Scholz-zur-Sicherheitslage/!6015599
[3] /Ampel-will-Kuerzung-zuruecknehmen/!5955340
[4] /Aufnahme-von-Menschen-aus-Afghanistan/!6009471
[5] /Europaeische-Asylrechtsreform-Geas/!6003865
## AUTOREN
Konrad Litschko
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