| # taz.de -- Schuldenbremse: Schulden? Kein Problem! | |
| > Klimaschutz, Infrastruktur, Digitalisierung, Ukraine: Deutschland muss | |
| > investieren statt sparen, wenn es überleben will. Wer sagt das Lindner? | |
| Bild: Die Schuldenbremse trifft auch die Bundeswehr: Boris Pistorius ist sauer | |
| Die FDP fühlt sich derzeit als Siegerin – weil sie es bei den | |
| Haushaltsberatungen der Ampel geschafft hat, [1][die Schuldenbremse zu | |
| verteidigen.] Dieser Triumph hat seine eigene Logik: Die Liberalen kommen | |
| in Umfragen zwar nur auf 5 bis 6 Prozent der Stimmen, aber bei der | |
| Schuldenbremse haben sie die Mehrheit der BundesbürgerInnen hinter sich. 55 | |
| Prozent der Deutschen halten die Schuldenbremse für eine gute Idee. | |
| So kann man sich irren. Die [2][Schuldenbremse ist ein ganz dummer | |
| Einfal]l, wie sich auch beim Haushalt für 2025 zeigt. Um die Kreditregeln | |
| einzuhalten, muss die Ampel nämlich behaupten, dass sie im Jahr 2025 | |
| weniger Geld benötigen wird als in diesem Jahr. 2024 will der Bund 489 | |
| Milliarden Euro ausgeben, im nächsten Jahr sollen es aber nur noch 481 | |
| Milliarden Euro sein. Man fragt sich, ob Finanzminister Lindner schon vom | |
| Phänomen der Inflation gehört hat. Selbst geringe Preissteigerungen sorgen | |
| automatisch dafür, dass auch die staatlichen Ausgaben zulegen. | |
| [3][Lindner, Habeck und Scholz haben an 23 Tagen insgesamt 80 Stunden | |
| getagt], wie der Finanzminister akribisch ausgerechnet hat – aber | |
| herausgekommen ist eine Mogelpackung. Wie die Zahlen genau geschönt werden, | |
| ist noch etwas nebulös, weil bisher die Eckpunkte und die Etats für die | |
| einzelnen Ministerien fehlen. Sie sollen an diesem Mittwoch nachgeliefert | |
| werden, wenn das gesamte Kabinett den Haushalt beschließt. | |
| ## Nicht nur Pistorius ist sauer | |
| Allerdings haben einige Minister schon verlauten lassen, wie unzufrieden | |
| sie mit den Haushaltsvorgaben sind. Besonders SPD-Verteidigungsminister | |
| Boris Pistorius macht aus seiner Wut keinen Hehl. Es sei „ärgerlich“, dass | |
| er „deutlich weniger bekommen“ habe als angemeldet. Konkret: Pistorius | |
| wollte 58 Milliarden Euro haben, herausgekommen sind rund 53 Milliarden. | |
| Diese Beträge reichen nicht, um die [4][Bundeswehr aufzurüsten] und die | |
| Ukraine sinnvoll zu unterstützen. Da sind sich alle Experten einig. | |
| Indirekt geben auch die Ampelchefs zu, dass bei der Verteidigung riesige | |
| Lücken klaffen. In ihrem Pressetext ist nämlich eine Passage zu finden, die | |
| so dämlich ist, dass es sich um Vorsatz handeln muss. Dort hofft man auf | |
| „private Investitionen“ seitens der Rüstungsindustrie – und will daher d… | |
| „Finanzmarktzugang für die Unternehmen“ sichern und ganz besonders | |
| „Start-Ups“ unterstützen. Es wird also suggeriert, dass die | |
| [5][Rüstungskonzerne in ihre Waffentechnologie nur deswegen nicht | |
| investieren würden], weil ihnen die nötigen Kredite fehlen könnten. | |
| Diese Beschreibung ist absurd. Die Rüstungskonzerne haben keine Geldsorgen, | |
| seitdem Russland die Ukraine überfallen hat. Im Gegenteil. Sie werden mit | |
| Kapital überschüttet. Ein Indiz dafür ist, wie sich der [6][Aktienkurs von | |
| Rheinmetall] entwickelt hat: Vor dem Ukrainekrieg war das Papier unter 100 | |
| Euro wert, jetzt liegt es bei etwa 500 Euro. Aber Geld allein wird die | |
| Rüstungskonzerne nicht motivieren, in ihre Produktion zu investieren. | |
| Wichtig ist der Absatz. Neue Fabriken lohnen sich nur, wenn es Käufer für | |
| die zusätzlichen Waffen gibt. Als potenziellen Kunden gibt es aber nur den | |
| Staat. Wird der Verteidigungshaushalt nicht deutlich aufgestockt, folgert | |
| die Rüstungsindustrie messerscharf: Erhöhte Investitionen rentieren sich | |
| nicht. | |
| Also werden zu wenig Waffen hergestellt, um die Ukraine wirkungsvoll zu | |
| unterstützen. Diesen Fehler wird man irgendwann bemerken, aber dann ist es | |
| zu spät. Fabriken lassen sich nicht in wenigen Tagen hochziehen. Wenn | |
| Deutschland jetzt an der Schuldenbremse festhält, ist dies ein klares | |
| Signal für Putin, dass er seinen Eroberungskrieg in der Ukraine gewinnen | |
| kann. | |
| Für die Ukraine wäre es schrecklich, wenn Putin siegt. Aber auch für die | |
| Deutschen wären die Kosten dann höher: Man müsste noch stärker aufrüsten, | |
| um dieses aggressive Russland von weiteren Waffengängen abzuhalten. | |
| ## Überall fehlt Geld | |
| Nicht nur bei der Verteidigung wird Zeit verschlafen. Auch im Klimaschutz, | |
| in der Infrastruktur und bei der Digitalisierung fehlt das Geld, sodass | |
| sich bemerkenswerte Allianzen zwischen konservativen und linken Ökonomen | |
| bilden. Michael Hüther (arbeitgebernah) und Sebastian Dullien | |
| (gewerkschaftsnah) haben kürzlich gemeinsam vorgerechnet, dass Deutschland | |
| in den nächsten zehn Jahren 600 Milliarden Euro zusätzlich investieren | |
| muss. Das geht nur mit Schulden. | |
| Vielen Deutschen wird schummrig bei diesen Summen. Bei ihnen verfängt das | |
| Lieblingsargument der FDP: Kredite kosten Zinsen – und diese Zinsen würden | |
| dann den Haushalt auffressen. Am Ende steht angeblich der Staatsbankrott. | |
| Doch Zinsen sind kein Problem, weil sie sich von selbst finanzieren, | |
| solange sie niedriger als die Inflationsrate plus Wachstum liegen. Für | |
| Deutschland trifft dies zu: Zehnjährige Staatsanleihen rentieren momentan | |
| mit 2,53 Prozent. Das ist sehr wenig und völlig gefahrlos. | |
| Gelegentlich gibt auch die FDP zu, dass Schulden kein Problem sind. Der | |
| liberale Verkehrsminister Volker Wissing preschte schon im Frühjahr mit dem | |
| Vorschlag vor, [7][einen „Infrastrukturfonds“ zu gründen], denn ohne | |
| Kredite wird es nicht gelingen, die maroden Straßen zu sanieren. Unter | |
| anderem [8][sind 4.000 Brücken baufällig]. | |
| Seine Partei war offiziell wenig begeistert, aber nun taucht der Vorschlag | |
| leicht verändert doch wieder auf. Es gibt nämlich schon eine „Autobahn GmbH | |
| des Bundes“, und jetzt wird geprüft, ob diese GmbH die nötigen Kredite | |
| nicht einfach selbst aufnehmen könnte. Die Schuldenbremse wäre damit | |
| umgangen. | |
| Es ist sehr bedauerlich, dass sich die Bundeswehr nicht in eine „GmbH für | |
| Landesverteidigung“ umwandeln lässt. Dann hätte die FDP wahrscheinlich | |
| nichts dagegen, dass diese GmbH Kredite aufnimmt. Aber solange die | |
| Bundeswehr zum Bundeshaushalt gehört, gilt die Schuldenbremse. Das ist die | |
| verquere Logik der Liberalen, egal, was in der Ukraine passiert. | |
| 15 Jul 2024 | |
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| [8] /Ausbau-von-Autobahnen/!6017859 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Herrmann | |
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