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# taz.de -- US-Bekenntnis zur Nato: Um garantiert abzuschrecken
> Aufrüstung und wieder US-Mittelstreckenraketen in Deutschland wecken
> düstere Assoziationen an die 1980er. Kriegstreiber Wladimir Putin macht
> es nötig.
Bild: Ein von einem U-Boot zur Testung abgeschossener Cruise Missile
Es gibt Vereinbarungen, die wirken wie ein Fußtritt, der in die Realität
katapultiert. So auch die Ankündigung, dass die USA ab 2026 wieder
weitreichende Waffen in Deutschland stationieren wollen. Die viel
beschworene echte Zeitenwende materialisiert sich – und zwar konkret in
US-amerikanischen Tomahawk-Marschflugkörpern, die bis nach Moskau fliegen
können – von Deutschland aus. Seit dem Ende des Kalten Kriegs hat es das
nicht gegeben.
Die Vereinbarung zwischen Deutschland und den USA ist Teil einer sichtbar
werdenden weltweiten Aufrüstung, ausgelöst durch [1][die russische Invasion
in der Ukraine] im Februar 2022. Eindrücklich konnte Nato-Generalsekretär
Jens Stoltenberg als einer seiner letzten Amtshandlungen Rekordwerte bei
den Verteidigungsausgaben der Mitglieder vermelden.
Erfüllt wird die Nato-Quote von 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von 23
Staaten. Tendenz steigend. Von einer Eskalationsspirale ist die Rede, von
Aufrüstungsmanie und dem gefährlichen Spiel mit dem Feuer. Der deutsche
Verteidigungsminister Boris Pistorius spricht gar von einer „effektiven
Abschreckung“. Es sind keine schönen Erinnerungen an die 1980er Jahre. Ein
Grund zu feiern ist die Umsetzung der Zeitenwende sicher nicht.
In der bitteren Debatte um den Fokus auf Kriegsgerät geht häufig aber
unter, mit wem die Weltgemeinschaft es zu tun hat. Der russische Präsident
Wladimir Putin hat nur einen Tag vor dem Nato-Gipfel in Washington seine
brutale Entschlossenheit gezeigt. Der Angriff auf eine Kinderklinik in
Kyjiw ist erneut eine Zäsur in diesem verfahrenen Krieg. Mehr als 30
Menschen starben landesweit bei den Bombardements.
## Putin will nicht nur Gebiete
Bomben auf die Zivilbevölkerung, auf öffentliche Plätze, auf Kritische
Infrastruktur, auf Bahnhöfe, Theater und Einkaufszentren sind seit Beginn
der Invasion Teil der russischen Kriegsführung, kombiniert mit
Cyberangriffen, Sabotage und Spionage. Behörden werden lahmgelegt,
Desinformationskampagnen gestartet, Energieversorger gestört.
Für Empörung und Entsetzen sorgte zuletzt die Nachricht, dass die russische
Regierung offenbar ein [2][Attentat auf den Chef des deutschen
Rüstungskonzerns Rheinmetall] plante. All das zeigt, dass es bei der
russischen Invasion in der Ukraine nicht um einen territorialen Konflikt
geht, sondern um einen Krieg gegen den „gesamten kollektiven Westen“, in
dem die Ukraine von Moskau lediglich als Vorposten beschrieben wird.
Die ukrainischen Streitkräfte bitten aus reinem Selbstverteidigungstrieb
ihre Unterstützer um Erlaubnis, verstärkt russisches Territorium
anzugreifen. Schließlich fehlt es schlicht an [3][Luftabwehr]. Sind damit
jegliche Bemühungen um einen Frieden in der Ukraine passé?
Russland kündigte als Reaktion auf die künftige Stationierung der
Marschflugkörper militärische Maßnahmen an. Truppenübungen, Manöver oder
die Verlegung von schlagkräftigen Bomben etwa an die Grenzen zu Finnland,
zu den baltischen Staaten oder in Belarus sind eine Machtdemonstration,
die seit Monaten in unterschiedlicher Intensität anhält. Unmissverständlich
auch die Ansage Moskaus, an einem Folgetreffen nach der
[4][Friedenskonferenz in der Schweiz] im Juni nicht teilnehmen zu wollen.
## Noch keine Chance für Verhandlungen
All dies zeigt, dass keine Bereitschaft für Verhandlungen auf Augenhöhe und
ohne Bedingungen besteht. Wahr ist aber auch, dass für die Bundesregierung
diplomatische Initiativen derzeit offenbar keine Priorität haben. Die
aktuellen [5][Haushaltsverhandlungen] zeigen, dass
Bundesentwicklungsministerium und Außenamt – also Ministerien, in deren
Bereich solche Initiativen fallen würden – derzeit um ihre Budgets kämpfen
müssen. Zu Lasten des Wehretats.
Dabei liegt es im Aufgabenprofil dieser Ressorts, über Diplomatie und
Entwicklungszusammenarbeit Gesprächskanäle offenzuhalten. Insbesondere mit
Staaten im Globalen Süden, die auch unter den Folgen der russischen
Invasion zu leiden haben. Sie gilt es zu stärken und für die Verbündeten
und für den Weg zum Frieden zu gewinnen. Die Nato strotzt vor Stärke wie
seit Langem nicht mehr.
Trotz politischer Instabilität in etlichen Mitgliedsländern und der
Unwägbarkeit, ob Donald Trump wieder ins Weiße Haus einzieht. Von einer
„hirntoten“ Nato, wie sie einst Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
nannte, ist keine Rede mehr. Der Krieg in der Ukraine war und ist ein
Booster für eine Institution, die sich wieder gezwungen sieht, auf
Frieden durch Abschreckung mit militärischen Mitteln zu setzen. Im Umgang
mit dem Aggressor Putin gibt es derzeit keinen anderen Weg.
12 Jul 2024
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
[2] /Anschlagsplan-Rheinmetall-Chef-Papperger/!6023224
[3] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!6022921
[4] /Friedenskonferenz-in-der-Schweiz/!6012997
[5] /Haushaltseinigung-der-Ampel/!6019209
## AUTOREN
Tanja Tricarico
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