# taz.de -- Flut und Klimakrise: Der Starkregen wird öfter kommen | |
> Wieder wird nach dem Hochwasser in Süddeutschland diskutiert, wie viel | |
> Klimawandel in ihm steckt. Dabei sind die Fakten seit Jahrzehnten klar. | |
Bild: Rettungsaktion der Wasserwacht am 1. Juni im bayrischen Babenhausen | |
Wo kam das viele Wasser her? „Verantwortlich war diesmal eine | |
Fünf-B-artige Wetterlage“, sagt Adrian Leyser, Meteorologe im | |
Vorhersagezentrum des [1][Deutschen Wetterdienstes DWD]. „Fünf-B“ – in d… | |
Fachsprache Vb geschrieben, V wie die römische Fünf – beschreibt die | |
Zugbahn eines Tiefdruckgebiets, das sich über dem Mittelmeer mit | |
Flüssigkeit vollsaugt und dann über die Adria Richtung Mitteleuropa zieht. | |
„Vb-artig“ nennt es Leyser, weil der Regen diesmal scheinbar aus dem Norden | |
kam, wie das Regenradar zeigte. „Tatsächlich glitt aber in der höheren | |
Atmosphäre warme Luft aus dem Mittelmeerraum in den Norden“, sagt Leyser. | |
Deshalb sei auch die Vb-Zugbahn nachweisbar, der Nordwind habe die Wolken | |
zurück an die Alpen getrieben und die Niederschläge noch verstärkt. | |
Vb-Lagen sind gefürchtet, weil sie oft zu schweren Schäden führen: Die | |
Oderflut 1997 wurde durch dieses Phänomen genauso ausgelöst wie die | |
Elbeflut 2002, das schwere Hochwasser an Donau, Mulde und Elbe 2013 oder | |
die Überschwemmung in Slowenien und Kärnten 2023. Nicht jede Vb-Wetterlage | |
führt zu großflächigen Zerstörungen, 2010 traf es beispielsweise das | |
Elbsandsteingebirge, 2014 fielen im westfälischen Münster 292 Liter Regen | |
pro Quadratmeter in nur sieben Stunden. [2][Diesmal regnete es am | |
heftigsten im Landkreis Oberallgäu in Bayern], dort wurden 256 Liter pro | |
Quadratmeter gemessen – allerdings in 72 Stunden. | |
Besonders Frühling und Herbst sind prädestiniert für die Ausbildung von | |
Vb-Wetterlagen: Dann gibt es einen starken Austausch zwischen den warmen | |
südlichen und kalten nördlichen Luftmassen. Tatsächlich aber kann die | |
Zugbahn Vb im ganzen Jahr vorkommen und auch andere Wetterextreme als | |
Überschwemmungen mit sich bringen: Im Februar 2012 führte eine solche | |
Wetterlage beispielsweise zu einem extremen Kälteeinbruch mit Schnee bis | |
nach Mallorca, 2016 war Ende April ein heftiger Wintereinbruch mit bis zu | |
30 Zentimeter Neuschnee und Spätfrost bis in den Mai in den Alpentälern die | |
Folge. | |
## Große Zerstörungskraft | |
Nicht jedes Hochwasser wird hierzulande durch eine Vb-Wetterlage | |
verursacht. Auch starkes Tauwetter kann ein Auslöser sein. Nach einem | |
Temperatursprung im März 2006 stieg der Elbepegel in Dresden auf 7,49 Meter | |
– das zweite Jahrhunderthochwasser binnen vier Jahren. [3][Das Hochwasser | |
an Ahr und Erft 2021] wurde durch eine sogenannte Trogwetterlage ausgelöst: | |
einen ausgedehnter Bereich mit geringem Luftdruck, aber stark gesättigten | |
Wolken. „Auch Tiefdruckgebiete aus Nordwesten können große Regenmengen zu | |
uns bringen“, sagt Uwe Kirsche, Sprecher des DWD. | |
Zudem beschäftigen den Wetterdienst im Sommer Hitzegewitter, „kleinteilige | |
lokale Ereignisse, die aber eine große Zerstörungskraft entwickeln können“. | |
Kirsche erinnert an Simbach in Niederbayern: Im Juni 2016 wurden Autos | |
gegen Wände geschleudert, Straßen und Brücken weggerissen, ganze Haushalte | |
verschüttet – von einem tausendjährigen Hochwasser war die Rede, nach einem | |
Sommergewitter. | |
Ob es tatsächlich eine Häufung von Starkregenereignissen in den letzten | |
Jahrzehnten gab, kann der Deutsche Wetterdienst wissenschaftlich fundiert | |
nicht sagen: Im Jahr 2001 stellte er seine Regenmessmethode um. Waren bis | |
dahin einfache Messröhrchen an den über 2.000 Messpunkten des DWD im | |
Einsatz, so kamen nun 17 Radarstationen hinzu, die während des Kalten | |
Kriegs feindliche Kampfjets aufspüren sollten, jetzt aber den Regen | |
überwachen. „Dank der Radaranlagen können wir Starkregenereignisse | |
wesentlich zuverlässiger erfassen“, sagt Andreas Becker, | |
Niederschlagsexperte beim DWD. Und jedem Internetnutzer ermöglichen, per | |
Wetter-Apps übers Land ziehende Regenfronten zu verfolgen. | |
In der Klimaforschung werden mindestens 30-Jahres-Zeiträume betrachtet, um | |
wissenschaftlich fundierte Aussagen treffen zu können. Die Radare aber | |
arbeiten erst seit 23 Jahren für den DWD. Doch Tendenzen lassen sich | |
bereits erkennen, sagt Andreas Becker: „Selbst wenn wir extreme Jahre wie | |
2006, 2014 und 2018 herausrechnen, sehen wir, dass die Zahl der | |
Starkregenereignisse seit Beginn der Radarmessungen zugenommen hat.“ | |
Während der Wetterdienst Anfang der 2000er Jahre 500 bis 700 Starkregen | |
jährlich registrierte, stieg die Zahl jetzt auf mehr als 1.000 pro Jahr – | |
besonders viele davon in den Sommermonaten. Becker sagt: „Damit bestätigen | |
die Messergebnisse in der Tendenz, was unsere Klimamodelle vorhersagen.“ | |
## Wärmstes Frühjahr ever | |
„Eine wärmer werdende Atmosphäre kann mehr Niederschlag aufnehmen“, sagt | |
Meteorologe Adrian Leyser. Zu gut Deutsch: [4][Der Klimawandel führt zu | |
heftigeren Regenfällen], die heftigere Zerstörungen nach sich ziehen. In | |
der Physik ist dieses Prinzip seit 1834 beschrieben, die | |
Clausius-Clapeyron-Gleichung besagt, dass wärmere Luft mehr Wasserdampf | |
speichern kann. [5][Nach der Flut in Rheinland-Pfalz und im Saarland zu | |
Pfingsten] und den Überschwemmungen nun in Süddeutschland sind die Daten | |
des DWD deshalb wenig überraschend: Dieses Frühjahr war das wärmste je | |
gemessene in Deutschland. Die Temperatur lag 3,1 Grad über der | |
Referenzperiode 1961 bis 1990. | |
7 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.dwd.de/DE/Home/home_node.html | |
[2] /Ueberflutungen-in-Sueddeutschland/!6015563 | |
[3] /Ein-Jahr-nach-dem-Ahrtal-Hochwasser/!5863831 | |
[4] /Hochwasser-in-Sueddeutschland/!6015270 | |
[5] /Unwetter-im-Suedwesten/!6011232 | |
## AUTOREN | |
Nick Reimer | |
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