# taz.de -- Hochwasserschäden in Süddeutschland: Und wer soll das bezahlen? | |
> In Frankreich gibt es schon seit 1982 eine Pflichtversicherung gegen | |
> Naturkatastrophen. Taugt die als Vorbild für Deutschland? | |
Bild: Hoffentlich mit Elementarversicherung: Vom Hochwasser Betroffene räumen … | |
Nach den verheerenden Überschwemmungen im Süden Deutschlands kommt neue | |
Bewegung in die Diskussion über die Versicherbarkeit solcher Ereignisse, | |
sogenannter Elementarschäden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) drängt auf | |
eine Lösung. „Eigentümer von Häusern und Wohnungen müssen sich gegen | |
Elementarschäden versichern können“, sagte er in seiner Regierungserklärung | |
am vergangenen Donnerstag. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz mit dem | |
Kanzler am 20. Juni wird diese Frage auf der Tagesordnung stehen. Die | |
Länderchef:innen fordern die Einführung einer Pflichtversicherung gegen | |
Elementarschäden. Bislang bewegt sich die Bundesregierung in dieser Frage | |
aber nicht. | |
Durch die Klimakrise nehmen extreme Wetterereignisse zu. Etliche | |
Bürger:innen bleiben auf massiven Schäden sitzen. Denn Gebäude- oder | |
Hausratsversicherungen kommen dafür nur auf, wenn Kund:innen einen | |
Elementarschadenzusatz abgeschlossen haben. Das ist aber nicht jedem klar. | |
Außerdem ist es in Gefahrengebieten schwierig, diesen Zusatz zu einem | |
erschwinglichen Preis oder überhaupt zu bekommen. Bundesweit gilt er für | |
nur 54 Prozent der privaten Gebäude. In Bayern sind es nach Angaben des | |
Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 47 Prozent. In | |
Baden-Württemberg dagegen haben 94 Prozent den Zusatz. Dort gab es bis 1994 | |
eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. | |
Bund und Länder springen zwar regelmäßig nach Naturkatastrophen mit Hilfen | |
in Milliardenhöhe ein. Aber für Privatleute ist es nicht einfach, an diese | |
Gelder zu kommen. Vor allem haben sie keinen Anspruch darauf. Bei einer | |
Versicherung ist das anders. Wäre sie verpflichtend, könnte – je nach | |
Modell – die Prämie auch in Gefahrengebieten bezahlbar werden. In | |
Frankreich hat François Mitterrand 1982 eine Pflichtversicherung für | |
Schäden eingeführt, die durch Naturereignisse verursacht werden. Sie wird | |
von vielen Sozialdemokrat:innen und Grünen als Vorbild für | |
Deutschland gesehen. | |
## Buschmann lehnt Pflichtversicherung ab | |
In Frankreich zahlen Kund:innen unabhängig vom individuellen Risiko auf | |
Versicherungspolicen eine Abgabe von 12 Prozent der Prämie, im Schnitt 26 | |
Euro im Jahr. Diese Abgabe steigt allerdings 2025 auf 20 Prozent. Bei einem | |
Schaden ist eine Eigenbeteiligung zwischen 380 und 1.520 Euro fällig. Die | |
Versicherung zahlt, wenn eine interministerielle Kommission feststellt, | |
dass es sich um eine Naturkatastrophe handelt. Der französische Staat | |
übernimmt einen Teil des Schadens, wenn der die Versicherer zu überfordern | |
droht. | |
Die deutsche Assekuranz hält nichts davon, dieses Modell zu übernehmen. Sie | |
ist gegen eine Pflichtversicherung. Branchenvertreter:innen weisen | |
darauf hin, dass auch das französische System durch die Klimakrise unter | |
Druck gerät. Seit 2015 sei die Versicherung defizitär, sagt Anja | |
Käfer-Rohrbach vom Branchenverband GDV. „Frankreich muss an seinem System | |
arbeiten, um es zu stabilisieren.“ Dem Verband zufolge sind hierzulande | |
nicht neue Verträge das Problem, da gerade jungen Menschen der Klimawandel | |
bewusst sei. | |
Um Kund:innen mit bestehenden Verträgen ohne Elementarschutz zu erreichen, | |
plädiert der Verband für ein Abwahlmodell: Die Versicherer sollen alle | |
Kund:innen mit einer Police anschreiben und ihnen den Zusatz anbieten. Nur | |
wenn Verbraucher:innen sich aktiv dagegen entscheiden, würde das nicht | |
wirksam. Dieses Vorgehen müsste der Gesetzgeber erlauben. | |
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat signalisiert, dass er dazu | |
bereit wäre. Eine Pflichtversicherung lehnt er ab. | |
Allerdings: Auch der Elementarschadenzusatz ist kein Rundumschutz. | |
Versichert ist nur, was im Vertrag aufgelistet ist – etwa Überschwemmung, | |
Erdrutsch, Erdbeben und Schneedruck. Dringt dann Grundwasser ins Haus, | |
kommt der Versicherer nicht für entstandene Schäden auf. Die Chefin des | |
Verbraucherzentrale Bundesverbands Ramona Pop hält eine Pflichtversicherung | |
deshalb für den zweiten Schritt vor dem ersten. „Die Bundesregierung sollte | |
zunächst gesetzlich definieren, welche Risiken durch | |
Wohngebäudeversicherungen abgesichert werden müssen“, fordert sie. Das | |
sollten auch Schäden aufgrund von Sturmflut, Grundwasser und Durchfeuchtung | |
sein. | |
8 Jun 2024 | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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