| # taz.de -- Referendum über Stromgesetz: Schweiz für schnellere Energiewende | |
| > Die Stimmberechtigten haben das neue Stromgesetz abgesegnet. | |
| > Befürworter sind erleichtert, Gegner warnen vor einer | |
| > „Verschandelung der Natur“. | |
| Bild: Plakat gegen das Stromgesetz: Kleine Umweltorganisationen hatten das Refe… | |
| Zürich taz | Am Sonntag konnte die breite Allianz der | |
| Befürworter*innen des Stromgesetzes in der Schweiz aufatmen: Über zwei | |
| Drittel der Stimmberechtigten haben Hochrechnungen zufolge mit Ja gestimmt. | |
| Damit tritt ein Erlass mit dem Ziel in Kraft, mit einem schnelleren und | |
| subventionierten Zubau von [1][erneuerbaren Energiequellen] die | |
| Abhängigkeit von Energieimporten zu verringern und die Stromproduktion vor | |
| allem in den Wintermonaten zu steigern. Der Ausbau der Erneuerbaren ist | |
| notwendig, wenn die Schweiz bis 2050 klimaneutral werden will. | |
| Die Grünen teilten mit, sie seien „hocherfreut“. Die Partei wertet die | |
| Zustimmung als „deutliches Bekenntnis der Stimmbevölkerung zur | |
| Energiewende, zum Klimaschutz und zur Natur“. Auf der anderen Seite | |
| prophezeit die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP), die | |
| das Gesetz bekämpft hat, die Schweiz werde keine sichere Stromversorgung | |
| mit erneuerbaren Energien bekommen, wie die Sieger behaupten: „Das | |
| Gegenteil ist der Fall: Das Stromgesetz bringt wenig und unsicheren Strom | |
| für sehr viel Geld – und eine massive Verschandelung der Natur.“ | |
| Das Gesetz gibt Mindestmengen an Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen | |
| vor und dass im Winter nicht mehr als 5 Terawattstunden Strom importiert | |
| werden sollen. Das Gesetz soll auch zu einer Senkung des Energie- und | |
| Stromverbrauchs pro Kopf führen, und es enthält Vorschriften für eine | |
| Wasserkraftreserve für große Werke, deren Betreiber dafür entschädigt | |
| werden. | |
| Der Erlass erleichtert ebenfalls die Planung großer Solar- und | |
| Windkraftanlagen. In geeigneten Gebieten, die die Kantone mit Rücksicht auf | |
| Natur- und Landschaftsschutz sowie die Landwirtschaft bestimmen müssen, | |
| soll die Stromproduktion jedoch grundsätzlich Vorrang haben. Zudem soll der | |
| Bau kleiner Solaranlagen auf Dächern und an Fassaden vorankommen. Auch die | |
| Wasserkraft soll stärker gefördert werden, und zwar 16 im neuen Gesetz | |
| gelistete Neu- und Ausbauten von Speicherwasserkraftwerken in den Bergen. | |
| Für diese Anlagen gibt es Erleichterungen bei der Planung und gegenüber | |
| heute weniger Mitsprachemöglichkeiten der lokalen Bevölkerung. Das Gesetz | |
| wird 2025 in Kraft treten. | |
| ## Protest von zwei Naturschutzgruppen | |
| Die Zustimmung der Schweizer*innen zu diesem Kompromiss ist nicht | |
| erstaunlich, deuteten doch alle Umfragen auf eine Annahme hin. Zudem wurde | |
| das Stromgesetz von Parteien von links bis rechts, der Mehrheit des | |
| Parlaments, der Regierung und den wichtigsten Naturschutzorganisationen, | |
| getragen. Doch die SVP brachte die Befürworter*innen zum Zittern. | |
| Diese mussten sich vor einem Déjà-vu fürchten, als 2021 das CO2-Gesetz | |
| abgelehnt wurde: Auch da waren alle außer die SVP dafür. Die SVP hatte es | |
| im Abstimmungskampf gegen alle wichtigen Verbände sowie die anderen | |
| Parteien aufgenommen – und dann überraschend gesiegt. | |
| Dieses Mal aber hatte die SVP nicht selbst das Referendum initiiert. Es | |
| waren die Umweltschutzorganisation Fondation Franz Weber und die Stiftung | |
| Freie Landschaft Schweiz, die mit dem Parlamentsbeschluss nicht zufrieden | |
| waren. Die Mehrheit der SVP-Fraktion hatte die Gesetzesvorlage im Parlament | |
| sogar befürwortet – und dann eine Kehrtwende vollzogen. Auf einem | |
| SVP-Plakat war etwa eine Landkarte der Schweiz zu sehen, zugekleistert mit | |
| Windrädern und Solarpanels: eine Bedrohung für die schöne, idyllische | |
| Schweiz, so das Narrativ der Rechtspopulisten. In der Tat fürchten die | |
| beiden Umwelt- und Landschaftsschutzorganisationen, die das Referendum | |
| initiiert haben, dass Wälder für Windkraftanlagen gerodet und unberührte | |
| Alpenlandschaften mit Solarparks oder Wasserkraftwerken zerstört werden | |
| könnten. | |
| Allerdings braucht es in der Schweiz, mit Ausnahme der starken | |
| Stromproduktion aus der Wasserkraft, mehr Tempo bei der Energiewende. Denn | |
| obschon etwa Solarstrom in der Schweiz derzeit sehr gefragt ist und wohl | |
| schon dieses Jahr 10 Prozent des Stromverbrauchs abdecken wird, rangiert | |
| die Eidgenossenschaft im internationalen Vergleich in puncto Wind- und | |
| Solarstrom auf den hinteren Plätzen – und weit abgeschlagen hinter | |
| Deutschland. Das zeigt die jüngst publizierte Studie „Ländervergleich 2023�… | |
| der Schweizerischen Energie-Stiftung. In der Analyse wurde die | |
| Stromproduktion aus Solar- und Windkraftanlagen in den 27 Staaten der EU | |
| sowie der Schweiz verglichen. | |
| Pro Kopf werden in der Schweiz 558 Kilowattstunden Solarstrom produziert. | |
| Damit steht sie auf Platz 11. Deutschland belegt mit 726 Kilowattstunden | |
| den 5. Platz. Und bei der Windkraft steht die Schweiz noch schlechter da: | |
| Mit 19 Kilowattstunden pro Kopf liegt sie auf Rang 25, während Deutschland | |
| Platz 6 belegt. Nur Slowenien, die Slowakei und Malta produzieren weniger | |
| Windstrom als die Schweiz. Im Vergleich der Pro-Kopf-Stromproduktion aus | |
| Solar- und Windenergie zusammengenommen, rangiert die Schweiz auf Platz 22 | |
| von 28. | |
| 9 Jun 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Carlo Mariani | |
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