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# taz.de -- Bahn und Hochwasser: Positive Signale
> Flut und Tote in Bayern, Hungerstreikende in Berlin: Der Klimawandel ist
> da, doch nichts passiert. Die Wahl am Sonntag ist deshalb wichtig.
Bild: Wir gehen unter, wenn die Regierung nicht zu ihren Versprechen steht
Die Bahn und ich hatten einen Deal. Ich buche eine Reise, am besten eine
längere, nach Frankreich oder Österreich, und sie sorgt dafür, dass dann
entweder gestreikt wird oder Niederschläge das Fortkommen verunmöglichen.
Jetzt hat die Bahn aber offenbar genug davon, das ganze Land in
Mitleidenschaft zu ziehen, damit ich ein bisschen Abenteuer erleben kann.
Jedenfalls habe ich diese Woche eine Mail vom Bahncard-Service bekommen:
„Mit der Bahn einfach hin und weg.“ Weiter heißt es, und ich lese einen
flehentlichen Unterton heraus: „Einfach einsteigen und ohne Umschweife
ankommen? Klingt verlockend? Nichts einfacher als das.“ Na, wenn es für die
Bahn nichts Einfacheres gibt, als ihre Passagiere straight ans Ziel zu
bringen, dann gehe ich den neuen Deal ein. Schließlich will ich demnächst
schon wieder im Zug sitzen. „Ohne Umschweife“ einfach mal durchfahren, das
hätte doch auch mal was.
Und klar, es geht ja nicht (nur) um mich. Auch wenn ich am Montag auf
Social Media schon einen separatistischen Freistaatwitz gemacht habe, weil
einfach jeder ICE-Halt an bayerischen Bahnhöfen ausgefallen war, der Zug ab
Mannheim (mit Verspätung) aber fuhr, ist mir durchaus bewusst: Das
Hochwasser in Süddeutschland hat nicht nur Infrastruktur zerstört, Häuser
unbewohnbar gemacht und viele um ihre Existenzgrundlage gebracht;
[1][Menschen sind verletzt worden, gestorben, und einige gelten noch als
vermisst].
Für Wetterereignisse dieser Art kann man wahrlich die Bahn nicht
verantwortlich machen, und sie kann auch nicht verhindern, dass Regenfluten
und Überschwemmungen Gleise unter Wasser setzen oder dass Bäume auf die
Schienen fallen. Die Bahn ist sogar eines der Unternehmen – und vor allem
eines der Verkehrsmittel –, die am wenigsten Verantwortung dafür tragen.
Denn sie ist ein vergleichsweise CO2-armes Verkehrsmittel. Auto und
Flugzeug sind das Gegenteil. Doch im Klimawandel nehmen
Extremwetterereignisse zu.
Allein in Deutschland gab es dieses Jahr bereits drei Hochwasserlagen:
neben der aktuellen noch die Saarlandflut und den Dauerregen im Frühjahr im
Nordwesten. Und wir erinnern uns noch gut an die verheerenden
Überschwemmungen im Ahrtal vor drei Jahren. Die Klimakrise bringt
Zerstörungen mit sich und kostet Leben.
## Hungerstreik gegen die Tatenlosigkeit der Bundesregierung
Und doch tut Deutschland zu wenig dagegen, die Kohlendioxidemissionen
einzudämmen. Eine Gruppe von Männern will Bundeskanzler Olaf Scholz nun mit
einer drastischen Maßnahme dazu bringen, öffentlich einzugestehen, dass das
Land sein Klimabudget schon verbraucht hat: Sie sind im Hungerstreik. Einer
von ihnen, Wolfgang Metzeler-Kick, isst schon seit mehr als 90 Tagen nichts
mehr.
Am Montag erlitt er einen Kreislaufzusammenbruch und wurde ins Krankenhaus
eingeliefert. Noch am selben Tag entließ er sich selbst und ging zurück ins
Camp vor dem Bundeswirtschaftsministerium. Zunächst wollten die Aktivisten
ab Donnerstag in den trockenen Hungerstreik treten, also auch nichts mehr
trinken. Doch stattdessen verkündeten sie, teils wieder Säfte, teils wieder
feste Nahrung zu sich zu nehmen. Sie wollten den Vorwurf, sie würden
Kanzler Scholz erpressen, entkräften.
Außerdem hätten sie „positive Signale“ vom Kanzler vernommen, sagten sie
gegenüber Medien. In einer Regierungserklärung zur
[2][Hochwasserkatastrophe in Süddeutschland hatte Scholz am Donnerstag
gesagt]: „Der menschengemachte Klimawandel ist die größte globale
Herausforderung, vor der wir stehen.“ Die Häufung extremer
Wetterereignisse sei „ein Ergebnis des Klimawandels“. Scholz habe damit
guten Willen gezeigt. Aber das reiche noch nicht, sagte Metzeler-Kick laut
RBB.
Wie Deutschland mit der Klimakrise künftig umgehen wird, entscheidet sich
teils auch am Sonntag. Die EU muss bis 2050 klimaneutral werden. NGOS
fordern, das Ziel auf (mindestens) 2040 vorzuziehen. Und wenn rechte
Parteien im Parlament stärker werden, dann könnten sie die schon jetzt nur
schwachen Klimaziele noch aufweichen. Die EU-Wahl ist also in vielerlei
Hinsicht eine Richtungswahl. Deshalb: Gehen Sie wählen!
8 Jun 2024
## LINKS
[1] /Hochwasser-als-Wahlkampfhilfe/!6013027
[2] /Flutkatastrophe-in-Sueddeutschland/!6011751
## AUTOREN
Johanna Treblin
## TAGS
Kolumne Der rote Faden
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