# taz.de -- Bundestag beschließt Gesetz: Endlich Selbstbestimmung | |
> Nach langen Debatten steht fest: Trans*, inter und nichtbinäre Personen | |
> können Namen und Geschlechtseintrag zukünftig leichter ändern. | |
Bild: Freude bei Bundestagsabgeordneter Tessa Ganserer und Parlamentarischem St… | |
BERLIN taz | Keine Nachweise mehr, keine Gutachten, keine ärztlichen | |
Bescheinigungen: Der Bundestag hat am Freitagnachmittag [1][mehrheitlich | |
für das Selbstbestimmungsgesetz gestimmt], das die Änderung des | |
Geschlechtseintrags für trans- und intergeschlechtliche sowie nichtbinäre | |
Menschen erleichtert. Am 1. November soll das Gesetz in Kraft treten. | |
Aktivist*innen verfolgten die Abstimmung vor den Toren des Bundestags. | |
„Endlich ist das Transsexuellengesetz abgeschafft!“, sagte Kalle Hümpfner | |
vom Bundesverband Trans* der taz. „Damit enden 40 Jahre | |
Grundrechtsverletzungen. Sechs mal wurde festgestellt, dass das bisherige | |
Gesetz verfassungswidrig ist. Endlich handelt die Regierung selbst, statt | |
immer nur auf Entscheidungen aus Karlsruhe zu reagieren.“ | |
Das Transsexuellengesetz galt seit 1981. Zur Änderung des | |
Geschlechtseintrags stellte dieses an trans* Personen harte Bedingungen: | |
Sie durften nicht verheiratet sein. Sie mussten dauerhaft unfähig zur | |
Fortpflanzung sein – also sterilisiert. Und sie mussten sich operativ an | |
das gewählte Geschlecht angleichen. | |
Vom Bundesverfassungsgericht wurde das Gesetz 2011 deshalb für größtenteils | |
verfassungswidrig erklärt, da es gegen die Menschenwürde verstoße und dem | |
Recht auf körperliche Unversehrtheit widerspreche. Eine Alternative für das | |
seitdem ausgesetzte Gesetz gab es jedoch nicht. | |
## Psychologische Gutachten und Gerichtsverfahren fallen weg | |
Im April 2023 stellten Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und | |
Justizminister Marco Buschmann (FDP) dann einen [2][Entwurf zum | |
Selbstbestimmungsgesetz] vor, der in Zusammenarbeit mit | |
Betroffenenverbänden entwickelt wurde. Es sieht vor, dass volljährige | |
transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen mit | |
einer einfachen Erklärung beim Standesamt ihren Vornamen und ihren | |
Geschlechtseintrag ändern können. | |
Die bisher notwendigen psychologischen Gutachten und Gerichtsverfahren | |
fallen weg. Ab 14 Jahren können Jugendliche selbst eine Änderung des | |
Eintrags mit Zustimmung ihrer Eltern vornehmen. Für Kinder jünger als 14 | |
Jahre können Eltern eine Erklärung zur Änderung abgeben, nicht aber gegen | |
den Willen des Kindes. | |
Der Verabschiedung im Bundestag waren harte Debatten in Politik und | |
Gesellschaft vorausgegangen. Die zuständigen Bundesminister:innen | |
Buschmann und Paus hatten monatelang um Kompromisse gerungen. Aus der | |
Opposition wurde insbesondere die [3][Entkoppelung des rechtlichen vom | |
biologischen Geschlecht] kritisiert. Auch Fragen des Jugendschutzes | |
stellten CDU und AfD immer wieder in den Mittelpunkt. Darüber hinaus warnte | |
die Union vor möglichem Missbrauch, da die Personenstandsänderungen erstmal | |
nicht an Sicherheitsbehörden übermittelt werden. | |
## Gesetz geht vielen Aktivist:innen nicht weit genug | |
Die Aussprache vor der Abstimmung im Bundestag eröffnete am | |
Freitagnachmittag schließlich Nyke Slawik von Bündnis 90/Grünen, eine der | |
ersten bekannten transgeschlechtlichen Bundestagsabgeordneten. Slawik | |
beschrieb ihre eigene Erfahrung als junge trans* Person: „Ich war es Leid, | |
jedesmal wenn ich meinen Ausweis zeigen sollte, in der Bar oder bei der | |
Fahrscheinkontrolle, mit der Frage konfrontiert zu werden: Ist das der | |
Ausweis deines Bruders?“ Es sei höchste Zeit, so Slawik, dass endlich die | |
Würde von trans*, inter und nichtbinären Menschen geachtet werde. | |
Trotz der neuen Erleichterungen geht das Gesetz vielen Aktivist:innen | |
und Betroffenen nicht weit genug: Verschiedene Personengruppe, wie Menschen | |
ohne dauerhaften Aufenthaltsstatus in Deutschland, würden ausgeschlossen, | |
so Kalle Hümpfner. „Es enthält auch immer noch Unterstellungen gegenüber | |
trans* Personen, etwa bei den [4][Regelungen zum Hausrecht]“, sagt Hümpfner | |
weiter. Das Selbstbestimmungsgesetz lässt das private Hausrecht unberührt. | |
Manche Frauenrechtlerinnen hatten Bedenken dagegen geäußert, Schutzorte wie | |
Frauen-Saunen generell auch für trans* Personen öffnen zu müssen. | |
Weiter fordern Aktivist:innen eine niedrigere Altersgrenze sowie einen | |
Entschädigungsfonds für Opfer des Transsexuellengesetz. Dieser ist zwar | |
Teil des Koalitionsvertrags, aber nicht Teil des Selbstbestimmungsgesetzes. | |
12 Apr 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Selbstbestimmungsgesetz-im-Bundestag/!5973044 | |
[2] /Einigung-auf-Gesetzentwurf/!5931168 | |
[3] /Kritik-am-Selbstbestimmungsgesetz/!5862300 | |
[4] /Geplantes-Selbstbestimmungsgesetz/!5929820 | |
## AUTOREN | |
Amelie Sittenauer | |
Kersten Augustin | |
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