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# taz.de -- Änderung des Geschlechtseintrags: „Papierkram“ mit großer Bed…
> Jurist_innen und Verbände wurden am Dienstag im Familienausschuss zum
> Selbstbestimmungsgesetz angehört. Es stößt auf Vorbehalte und Zustimmung.
Bild: Bundesjustizminister Buschmann und Familienministerin Paus bei einer PK z…
Berlin taz | Die bundespolitische Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz
[1][bleibt aufgeladen]. Am Dienstagmorgen wurden Jurist_innen, der
Bundesverband Trans* und andere Expert_innen zum ersten Mal im
Familienausschuss angehört. Die meisten Sachverständigen begrüßten das
Vorhaben der Bundesregierung, sprachen sich jedoch mehrheitlich für einen
Diskriminierungsabbau im aktuellen Gesetzesentwurf aus. Andere lehnten das
Gesetz komplett ab.
Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans* (BVT*) sagte in seinem Statement:
„Das Selbstbestimmungsgesetz ist [2][eine historische Chance], diese darf
aber nicht verspielt werden. Es geht um demokratische Grundprinzipien wie
den Minderheitenschutz, die Menschenwürde und das Recht auf die Entfaltung
der Persönlichkeit.“ Hümpfner fordert im Namen des BVT* „ein
Selbstbestimmungsgesetz, das seinen Namen wirklich verdient“.
Die Europarechtlerin Anna Katharina Mangold kritisiert, dass das Gesetz
nicht für alle gelte: „Dem Entwurf fehlt die Einsicht, dass das Recht auf
geschlechtliche Selbstbestimmung ein Menschenrecht ist.“ So sei es nicht
nachvollziehbar, dass es sich auf deutsche Staatsangehörige beschränke.
„[3][Queere Asylsuchende] sind eine besonders vulnerable Gruppe, die
Einschränkung sollte wieder gestrichen werden“, mahnte die Juristin.
Ähnlich äußert sich Nele Allenberg vom Deutschen Institut für
Menschenrechte. Derzeit ist vorgesehen, dass nach einer Änderung von Namen
und Geschlechtseintrag personenbezogene Daten an zehn Sicherheitsbehörden
weitergegeben werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Person bereits
straffällig war oder nicht. Diese Maßnahme ist auf das SPD-geführte
Bundesministerium für Inneres und Heimat (BMI) zurückzuführen, viele
Jurist_innen sehen darin das Recht auf informelle Selbstbestimmung
eingeschränkt. So auch Mangold und Allenberg.
Allenberg hält einen Missbrauch, der hier unterstellt wird, ohnehin für
nicht sehr wahrscheinlich: „Inwiefern ist es realistisch, einer Abschiebung
zu entgehen und dafür den nicht ganz unaufwändigen Weg zu gehen, das
Geschlecht und den Namen zu ändern? Eheschließung wäre ein vielleicht etwas
unauffälligeres Verfahren.“
## Ab November 2024 soll das Gesetz gelten
Bei der Anhörung stellten CDU und AfD immer wieder das Kindeswohl in den
Mittelpunkt. „Ängste und Horrorszenarien haben sich in keinem europäischen
Land bestätigt. The kids are alright“, sagte Richard Köhler vom Verein
Transgender Europe. Köhler verwies darauf, dass es in Europa elf Gesetze
gibt, die mit dem Selbstbestimmungsgesetz zu vergleichen sind:
„Befürchtungen aus [4][öffentlichen Debatten], ähnlich den hiesigen, sind
nicht eingetreten.“ Niemand werde gefährdet. „Geschlechtliche
Selbstbestimmung hilft einigen Menschen sehr, während es für die Mehrheit
der Menschen schlicht irrelevant ist.“
Ein weiterer Aspekt der Anhörung betraf den sogenannten
[5][Hausrechtsparagrafen]. Demnach sollen Betreiber_innen von Frauensaunen
selbst entscheiden können, wer Zutritt bekommt, um die Besuchenden vor
Gewalt zu schützen. Henrike Oswald vom [6][Deutschen Frauenrat] sagte dazu:
„Durch ein Selbstbestimmungsgesetz sind Frauenschutzräume nicht in Gefahr.
Aus unserer Sicht und aus Sicht eines Großteils einer feministischen
Zivilgesellschaft ist diese Formulierung unnötig und nicht in unserem
Sinne.“
Till Randolf Amelung, freier Autor und trans Mann, sprach sich gegen das
geplante Selbstbestimmungsgesetz aus, da es Missbrauchsmöglichkeiten gebe:
„Missbrauch kann nicht ausgeschlossen werden“, sagte er in der Anhörung als
Begründung dafür. In einer Beratung könne ein möglicher Missbrauch entdeckt
werden.
Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans* lehnt eine Begutachtung für den
Nachweis zur Transidentität wie die meisten Betroffenen ab: „Wenn mein
Erscheinungsbild meiner geschlechtlichen Identität nicht entspricht, muss
ich mich zusätzlich erklären und setze mich einem erhöhten
Diskriminierungsrisiko aus.“ Als Reaktion erfahre man Unverständnis bis
Abwertung oder [7][auch Anfeindung und Gewalt]. „Das macht eine
verletzliche Gruppe noch verletzlicher.“ Letztendlich ginge es um
„Papierkram“, aber dieser Papierkram habe eine große Bedeutung für die
Betroffenen.
Der Gesetzentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz sieht vor, dass trans, inter
und nichtbinäre Personen ihren Geschlechtseintrag sowie Vornamen künftig
beim Standesamt ändern können. Es soll das größtenteils verfassungswidrige
Transsexuellengesetz ablösen und nach derzeitigem Stand ab dem 1. November
2024 gelten. Das Bundesjustizministerium von Marco Buschmann (FDP) und das
Bundesfamilienministerium von Lisa Paus (Grüne) hatten monatelang um
Kompromisse beim [8][Selbstbestimmungsgesetz] gerungen.
28 Nov 2023
## LINKS
[1] /Selbstbestimmungsgesetz-im-Bundestag/!5973044
[2] /Expert_in-ueber-Selbstbestimmungsgesetz/!5926716
[3] /Einstufung-als-sichere-Herkunftsstaaten/!5969783
[4] /Trans-in-den-Medien/!5953036
[5] /Verzoegerung-von-Selbstbestimmungsgesetz/!5904850
[6] /Expertin-ueber-Selbstbestimmungsgesetz/!5943888
[7] /Bewegungstermine-in-Berlin/!5973005
[8] /Queere-Rechte-in-Deutschland/!5934645
## AUTOREN
Nicole Opitz
## TAGS
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
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Selbstbestimmung
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wochentaz
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Transgender
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