| # taz.de -- Expertin über Selbstbestimmungsgesetz: „Wir befinden uns im Kult… | |
| > Der Deutsche Frauenrat begrüßt das Selbstbestimmungsgesetz im Prinzip, | |
| > spart aber auch nicht mit Kritik. Das betont Expertin Beate von Miquel. | |
| Bild: Demo im Juni 2020 vor dem Reichstag | |
| taz: Frau von Miquel, das Selbstbestimmungsgesetz soll am Mittwoch vom | |
| Bundeskabinett beschlossen werden. Der Deutsche Frauenrat [1][hat eine | |
| Stellungnahme dazu veröffentlicht]. Darin kritisieren Sie das | |
| Selbstbestimmungsgesetz. Warum? | |
| Beate von Miquel: Das Selbstbestimmungsgesetz ist ein wichtiger Schritt hin | |
| zu mehr Akzeptanz von geschlechtlicher Vielfalt in einer freiheitlichen | |
| Demokratie. Wir haben aber ein Problem mit der Gesetzesbegründung. Sie | |
| erweckt den Eindruck, dass das Selbstbestimmungsgesetz zu einem Problem für | |
| Frauen führt: zu weniger Sicherheit auf den Toiletten, weniger Sicherheit | |
| in Umkleiden beim Sport. Das ist eine Unterstellung und nicht nachgewiesen. | |
| Die Gesetzesbegründung betont zu wenig den Freiheitsraum für diejenigen, | |
| deren Rechte ausgebaut werden müssen. | |
| Welche Reaktionen haben Sie dafür erhalten? | |
| Wir haben tatsächlich sehr viel positive Rückmeldung auf unsere | |
| Stellungnahme bekommen. Kürzlich gab es seitens der Evangelischen Kirche in | |
| Deutschland eine Einladung zu einer Diskussion dazu. Das sind nicht die | |
| üblichen Verdächtigen. Das ist ein Hinweis darauf, dass wir die richtige | |
| Stoßrichtung eingenommen haben. | |
| In Ihrer Stellungnahme stellen Sie klar, dass der Schutz von Frauen durch | |
| trans, inter und nicht-binären Menschen nicht gefährdet ist. Warum heben | |
| Sie das so deutlich hervor? | |
| Weil das in der Debatte eine ganz, ganz große Rolle spielt. Man erhält den | |
| Eindruck, dass Frauenrechte gegen die Rechte von trans Personen ausgespielt | |
| werden. Uns ist es auch wichtig, deutlich zu machen: Wir haben ein Problem | |
| mit Gewalt gegen trans Personen und wir haben ein Problem mit Gewalt gegen | |
| Frauen in unserer Gesellschaft. Wir müssen uns um alle Formen von Gewalt | |
| kümmern. Trans* Personen gehören zu den Gruppen mit den höchsten Mordraten | |
| der Welt. Laut Studien wurden allein 2022 [2][insgesamt 327 Morde an trans | |
| und gender-diversen Menschen dokumentiert]. Die Rechte von trans Personen | |
| müssen dringend gestärkt werden. | |
| Zum Deutschen Frauenrat gehören 60 Organisationen. Sind alle dieser | |
| Meinung? | |
| Wir haben in letztem Jahr auf der Mitgliederversammlung eine sehr intensive | |
| Debatte zum Selbstbestimmungsgesetz geführt. Dabei sind sehr | |
| unterschiedliche Stimmen zu Wort gekommen. Der Deutsche Frauenrat ist die | |
| größte frauen- und gleichstellungspolitische Interessenvertretung in | |
| Deutschland. Was uns eint, ist der Einsatz für Frauen in all ihrer | |
| Vielfalt. Das bedeutet auch, die Lebensrealität von nicht-binären, | |
| intergeschlechtlichen und trans* Personen einzubeziehen. Deshalb haben wir | |
| uns letztlich mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, dass das | |
| Transsexuellengesetz abgeschafft und durch ein Selbstbestimmungsgesetz | |
| ersetzt werden muss. | |
| Was waren die Argumente? | |
| Es gibt diejenigen, die sagen, Transrechte sind Menschenrechte. Dass das | |
| Transsexuellengesetz eine humanitäre Katastrophe ist. Das ist die eine | |
| Seite. Auf der anderen Seite gab es noch sehr viele Fragen: Schränkt das | |
| Frauenrechte ein? Kann ein Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung auch | |
| missbraucht werden? Wir konnten klarstellen: Es gibt keine Belege dafür, | |
| dass eine Gesetzgebung, die trans* Personen ermöglicht, ihr Geschlecht | |
| rechtlich anerkennen zu lassen, eine Auswirkung habe, dass übergriffige | |
| Personen Zugang zu geschlechtergetrennten Räumen haben. Wir haben diesen | |
| gemeinsamen Konsens, dass wir anerkennen, dass es unterschiedliche | |
| Lebensrealitäten gibt, für die wir uns alle einsetzen. | |
| Wie ist denn Ihrer Einschätzung nach das Kräfteverhältnis im Frauenrat? | |
| Was ich wahrnehme, ist eine breite Zustimmung für das | |
| Selbstbestimmungsgesetz. Ein sehr hohes Interesse und natürlich auch die | |
| Verantwortung für die Verteidigung von Menschenrechten. Aber die | |
| öffentliche Debatte, die von vielen Fehlinformationen geprägt ist, hat | |
| durchaus zu Verunsicherung geführt. Da sind viele Fragen zu klären. Wir | |
| haben uns deshalb auch nach der Mitgliederversammlung noch einmal gemeinsam | |
| mit Trans-Verbänden und unseren Mitgliedsverbänden zusammengesetzt und dazu | |
| diskutiert. | |
| Welche Rolle spielt der sogenannte „Kulturkampf“ von rechts dabei? | |
| Wir stehen [3][unter antifeministischem Feuer]. Themen wie das | |
| Selbstbestimmungsgesetz werden politisch instrumentalisiert. Wir befinden | |
| uns in einem Kulturkampf und werden uns als Deutscher Frauenrat dafür | |
| einsetzen, dass Rechte von Frauen in all ihrer Vielfalt ausgebaut und | |
| gestärkt werden. Dazu gehören auch trans Frauen. | |
| Wenn man sich den Rechtsruck in Deutschland vor Augen hält, sollte man | |
| vielleicht sogar aufpassen, nicht zu sehr den Fortschritt kleinzureden, den | |
| Beschlüsse wie das Selbstbestimmungsgesetz ja doch mit sich bringen? | |
| Die Entwicklung der AfD in den letzten Monaten zeigt, wie wichtig es ist, | |
| auf Kurs zu bleiben, gemeinsam für Geschlechtergerechtigkeit einzustehen | |
| und immer wieder deutlich zu machen, wie sie uns als Gesellschaft | |
| voranbringt. Und unsere Forderung an die Bundesregierung dazu lautet, den | |
| Koalitionsvertrag umsetzen – und zwar jetzt. | |
| 4 Jul 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.frauenrat.de/wp-content/uploads/2023/05/Deutscher-Frauenrat-Ste… | |
| [2] https://transrespect.org/en/tmm-update-tdor-2022/ | |
| [3] /Expert_in-ueber-Hass-gegen-Frauen/!5909440 | |
| ## AUTOREN | |
| Nicole Opitz | |
| ## TAGS | |
| Selbstbestimmung | |
| Transpersonen | |
| Gender | |
| Schwerpunkt LGBTQIA | |
| Diskriminierung | |
| Frauenrat | |
| Schwerpunkt LGBTQIA | |
| Geschlechtsidentität | |
| Gender | |
| Queer | |
| Ampel-Koalition | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Julian Reichelt | |
| Lost in Trans*lation | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Selbstbestimmungsgesetz im Bundestag: Kein Kompromiss für alle | |
| Die Rechte von trans, inter und nicht-binären Personen soll das Gesetz | |
| stärken. Doch den einen geht es nicht weit genug, andere wollen höhere | |
| Hürden. | |
| Kinder und Genderrollen in ZDF-Doku: Raus aus der Schublade | |
| Die ZDF-Doku „Gabi – Die Suche nach dem Ich“ zeigt das Hadern eines Kindes | |
| mit starren Genderrollen. Sie begleitet Gabi auf der Suche nach sich | |
| selbst. | |
| Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes: Keine Inklusion von CDU und CSU | |
| Das Selbstbestimmungsgesetz kann ein Fortschritt sein. Doch die Regierung | |
| setzt damit durch, was mit den Konservativen noch nicht fertig verhandelt | |
| ist. | |
| Selbstbestimmungsgesetz beschlossen: Neue Regeln zum Geschlechtereintrag | |
| Justiz- und Familienministerium rangen um den Entwurf. Künftig sollen | |
| Geschlechtseintrag sowie Vornamen beim Standesamt geändert werden können. | |
| Ampelkoalition reformiert Familienrecht: Alles Familie | |
| Co-Eltern, Alleinerziehende, Polyamore: Die Gesellschaft ist bunter, als es | |
| das Gesetzbuch vorsieht. Wem könnte die Verantwortungsgemeinschaft nutzen? | |
| Jahresbericht zu Antidiskriminierung: So viele Anfragen wie nie | |
| Die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman stellt am Dienstagmorgen | |
| ihren Jahresbericht vor. Die meisten Anfragen gab es zu Rassismus. | |
| Klage gegen Julian Reichelts Medienfirma: Vor Gericht gegen Transfeindlichkeit | |
| Die Journalistin Janka Kluge klagt gegen Julian Reichelts | |
| Medienunternehmen, das sie wiederholt fälschlicherweise als „Mann“ | |
| bezeichnet hat. | |
| Neues Selbstbestimmungsgesetz: Lehrstunde in Demokratie | |
| Die Kritik am geplanten Selbstbestimmungsgesetz ist vielfältig. Das | |
| Positive ist: Die Verbände handeln solidarisch und faktenbasiert. |